Ein Hauch von Eis aus alter Zeit

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8. yávië im 74. loa des 49. yén der Zeitrechnung von Imladris

Beim Aufbau unseres Lagers senkte sich plötzlich eine schattenhafte Wolke aus der grauen Dämmerung auf mich herab. Sie berührte meine Haut, und augenblicklich erstarrte mein Leib in eisiger Kälte, unfähig, sich zu regen. Wie von einer unsichtbaren Hand geführt, löste sich das dunkle Gebilde wenig später wieder auf, zurücklassend nur die bittere Gewissheit: Es war dunkle Hexerei, uralt und verderbt, wie mein Wissen mir flüsterte.

Am Morgen ließen wir den Handelszug unbehelligt an uns vorüberziehen und suchten danach ihr Lager auf. Was wir fanden, war wenig erbaulich: Zwerge, schlecht versorgt und ermattet, leere Flaschen eines Heiltranks, der mehr nach schalem Branntwein roch als nach echter Arznei. Damrod, der die Spuren zu deuten versteht, fand unweit vom Lager frische Abdrücke des Wolfsrudels im Wald.

An der Weggabelung, die hinauf nach Schlucht führte, kam ein Mädchen den Pfad hinabgelaufen und hielt den Handelszug an. Mit wachsamen Augen beobachteten wir, wie einer der Zwerge, der junge Wächter und eine Frau der Waldmenschen mit ihr gemeinsam wieder hinauf gingen. Wir ritten offen hinter der Gruppe her, ohne den Anschein der Heimlichkeit zu erwecken.

Bei einem einsam gelegenen Hof holten wir sie ein. Der Zwerg und der Junge hielten Wache vor dem Gebäude, doch ein Gespräch mit ihnen brachte kaum Erkenntnis – ob aus Schweigsamkeit oder aus der Unruhe jugendlicher Unerfahrenheit blieb ungewiss. Vom Mädchen erfuhren wir, dass ihre Mutter und Schwester seit zwei Tagen von einer seltsamen Krankheit befallen waren. Die Anzeichen sprachen von einer Vergiftung, verborgen und heimtückisch.

Die Stunde lag noch am Nachmittag und die Heilerin bat alle, den Hof zu verlassen. Sigmar begleitete die Wachen und das Mädchen zurück zum Lager des Handelszuges, während Cornifera, Yadri und ich in der Nähe verweilten. Dann, ohne Vorwarnung, spürte ich die Erschütterung: Eine Manifestation der Kraft ging durch die Lande, und ein eisiger Nebel durchdrang Cornifera. Die Heilerin hatte Erfolg in ihrem Wirken, doch ihre Lippen blieben verschlossen über das, was ich und sonst scheinbar niemand gespürt hatte.

In jener Nacht lagerten wir neben dem Handelszug. Aus der Ferne klang das Heulen von Wölfen zu uns herüber, doch sie wurden vertrieben. Später vernahm ich feine Stimmen im Wind – Elbenstimmen. Im schattigen Wald traf ich auf die Herrin Celedriel, die in Würde und Anmut mit ihrer Schar unter den alten Bäumen verweilte.

Durch mein Wort erfuhren die Elben vom Tod Mallorns, den die Menschen Pechmantel genannt hatten. Schweigend nahmen sie die Nachricht auf, und tiefe Trauer legte sich über ihre Lieder. Celedriel sprach von einer Macht aus den alten Tagen von Eregion, die sich erneut regte, und von einem kalten Schatten, der nur durch einen lebendigen Willen gerufen werden konnte.

Die Schar der Elben, von stillem Kummer umwoben, begleiteten die Dame Irimee zu den Anfurten und lud uns ein, die Nacht mit ihnen zu verbringen. Unter ihrem Schutz fanden wir Ruhe und Erholung. In ihren Erzählungen erfuhren wir zudem, dass der weiße Wolf aus dem Norden, der Anführer jenes Rudels, das uns verfolgte, möglicherweise in finsterem Bund mit Gorlanc, dem Verräter, stand.

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