15.6.889 n.G.
Die Schatten werden länger am Landgasthaus Geißhorn, während die Sommersonne hinter den Wipfeln des Alten Waldes sinkt. Wir spekulieren, welche Geister uns im Jenseits heimsuchen könnten, aber es fällt kein Name, der uns Sorgen bereitet. Und was wird Gevatter Tod von uns wollen? Vater Garwin fasst zusammen, was gemein hin über diesen alten Gott bekannt ist, was nicht viel ist. Am meisten kreisen unsere Gedanken um die Elfenkönigin.
Weiß sie nur, wie man sich vor dem Leerenstein schützen kann, oder kennt sie einen Weg, den Peiniger, der seine Seele in dem Stein versteckt hat, zu besiegen, damit ihm der Stein nicht ausgehändigt werden zu braucht? Wir sind gespannt zu erfahren, was sie damals vor 445 Jahren mit Margarete vereinbart hatte. Was wird sie zu dem Schwarzen Runenschwert von Knirps Made sagen, und kann sie ihm mit dieser Waffe ihres Sohnes helfen?
Es sind noch ein paar Stunden, bis wir uns mit Fräulein Gülden treffen werden, so dass Garwin Julius mit auf einen kleinen Spaziergang nimmt, um über die Läuterung seiner Seele zu sprechen. Garwin mutmaßt, dass Julius durch das Studiums des Buchs, das in der Dunklen Sprache verfasst ist, seinen Glauben an den Einen Gott verleugnet hat. Da Julius zwar getauft, aber seinen Glauben nie richtig praktiziert hat, beschließen sie, sein Taufgelübde noch am heutigen Abend zu erneuern. Wylan Lichtträger ist als guter Kamerad begeistert von der Idee und will seines auch erneuern.
Garwin beginnt damit, hinter dem Gasthaus einen einfachen Altar vorzubereiten, als Julius ihn damit überascht, ein Kirchenschiff zu beschwören können. Der Priester fragt sich, ob die Zurschaustellung seiner magischen Künste dem Anlass gerecht wird, aber es scheint ihm eine schöne Geste zu sein, und er erhebt keine Einwände. Bis auf einige Details wähnen wir uns im Altarraum von Pfeilersruh. Herr Maurice nimmt nicht an der Zeremonie teil, aber Kleckser und Knirps sehen andächtig zu, wie Garwin seine beiden menschlichen Schützling erneut tauft.
Als anschließend die Illusion der Kirche verblasst, hört der Goblin sein Schwert flüstern. Er bemerkt einen silbrigen Schein, der die Erde durchdringt, und es riecht, als wäre sie frisch umgegraben worden. Während die anderen ins Gasthaus gehen und die letzten Vorbereitungen treffen, stößt er sein Schwert für einen Moment in den Waldboden. Anschließend geht er in Richtung des Alten Nok. Nach einiger Zeit kommt er in Eulengestalt zurückgeflogen. Er war in eine Falle der Gefallenen getappt, und sie haben ihm sein Schwert entwendet.
Wir schnappen uns unser Sachen, verschließen das Gasthaus, legen den Schlüssel in das mit den Zwerginnen ausgemachte Versteck und gehen mit Herrn Maurice in den Wald. Mittlerweile ist es so dunkel, dass Garwin und Wylan Fackeln brauchen, um noch sehen zu können. Wir fragen uns, was die Gefallenen vor haben. Vom Platz, wo Knirps überfallen wurde, führen ihre Spuren zum Alten Nok. Wie wir ihnen folgen, vernehmen wir von dort alsbald Kampfgeräusche.
Auf unserem Weg dorthin weichen wir giftigen, gelben Wolken aus, die von explodierten Leichen stammen – der Schleier zum Totenreich ist so dünn geworden, dass die Toten begonnen haben, sich zu erheben. Den Alten Nok erreichen wir erst nach Ende des Kampfes. Mit Wunden übersähte Baumwesen liegen tot auf der Erde um den alten Baum. Der Goblin hört, wie der Gefallene, der sein Schwert hat, dem Hüter erfolglos befiehlt, das Tor ins Jenseits zu öffnen.
Seine fünf Gefolgsleute greifen uns dagegen an. Julius beschwört einen Bären, der mit uns kämpft. Als von den ehemaligen Elfen nur noch ein Armbrustschütze Widerstand leistet, wird ihr Anführer von einem herabschnellenden Ast gepackt, in die Luft gehoben und zerquetscht. Wylan tötet den Schützen in gerechtem Zorn, als dieser versucht zu fliehen. Knirps sucht nach seinem Schwert, kann es aber nicht finden.
Kurz darauf kommt Fräulein Gülden und fragt, ob wir die Spriggan getötet haben. Aber diese Missetat geht auf das Konto der anderen. Sie versichert uns, dass wir unsere Körper nicht inmitten der sich erhebenden Untoten zurücklassen, sondern in Gänze auf der anderen Seite ankommen werden, und spricht mit dem aufgebrauchten Torhüter, der uns daraufhin den Übertritt in das Totenreich gewährt.
***
Herr Maurice beschließt spontan mitzukommen, schlabbert eine Dosis des Trankes und taumelt dann in Richtung des Baumes, wo er zwischen den Wurzeln umfällt. Wir legen uns neben ihn auf den Boden und nehmen dann den Trank ein, den uns die Hexe reicht. Wir fallen in eine bodenlose Schwärze, sind für einen Moment tot und wachen in einer Zwielichtwelt neben dem jämmerlich maunzenden Herrn Maurice auf. Allerdings fehlt unser Magier – und sein Gepäck. Nach einer kurzen Weile hören wir Herrn Maurice sprechen, aber er sagt, er sei Julius und etwas war schief gegangen, so dass sein Geist nun im Körper des Katers war. Herr Maurice ist außer sich, kann daran aber auch nichts ändern.
Wir folgen einem Knüppeldamm, der durch eine fast farblose, nebelige Sumpflandschaft führt. Nach einer kurzen Zeit kommen wir an einem Irrlicht vorbei, das wir tunlichst ignorieren, und gehen einfach weiter. Das Wesen folgt uns, bis wir an einem alten Baum zu einer Kreuzung kommen. Der abzweigende Pfad führt zu einem Kotten. Als das Irrlicht durch den Kamin hineinfliegt, kommt kurz darauf eine alte Frau heraus, die wie Fräulein Grün aussieht und uns hereinbittet. Mit der einen Gewissheit ausgestattet, dass wir nicht vom Pfad abweichen dürfen, lassen wir sie zurück. Die Frau geht wieder hinein, das Lichtwesen kommt heraus und folgt uns eine Zeit lang, bis es umkehrt.
Wir folgen dem Pfad gefühlt ein paar Stunden und hören immer wieder Geräusche oder auch Kinderlachen aus dem Nebel, die nicht hierhin zu gehören scheinen. An einer Kreuzung mit einem Wegschrein sitzt Anna Wiehrer auf einer Bank – der Moment, vor dem sich Vater Garwin gefürchtet hat. Sie ist so schön, wie sie es war, bevor Estren Carabandius sie gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt hat. Garwin bittet sie um Verzeihung, und sie vergibt ihm und will ihn mit nach Hause nehmen. Wie Knirps und Kleckser sehen, dass sich der Priester in ein Gespräch verwickelt, lassen sie nichts anbrennen und schleifen ihn über die Kreuzung und weiter, bis die Rufe von Annas Geist nicht mehr zu vernehmen sind.
Der Pfad verläuft nun neben einem Fluß, und wir hören Matrosen, die auf einem Schiff vorbeifahren. Dann sind wir wieder unter uns. Hinter einer weiteren Abzweigung steht ein riesiger schwarzer Hund, der den Weg versperrt. Herr Maurice geht unbeirrt weiter, und der Hund weicht ihm sogar aus. Aber Wylan hat Angst vor Hunden, so dass dieses Monstrum ihn anspringt. Es beginnt ein Kampf, in dem es Kleckser nach einigen Versuchen gelingt, den Hund fest zu greifen, so dass Wylan vorbeigehen kann, ohne den Pfad zu verlassen. Mit einem Fauchen vertreibt Herr Maurice die Bestie, die jaulend das Weite sucht.
Wir kommen an einen Steg, an dem eine Gondel wartet. Neben dem Fährmann ist Mama Mama auf dem Boot, und sie lädt uns ein, zu sich in das neue Dorf der Goblins am anderen Ufer zu kommen. Als wir ablehnen, wendet sie ein, dass der Weg in Kürze zu Ende sein wird. Wenn, dann sollen wir jetzt mit ihr rüberfahren, denn wenn wir später zurückkommen, wird sie nicht mehr da sein.
Der Pfad führt uns in eine Senke und endet an einer Steinwand. Als wir herantreten, wachsen Ranken aus dem Boden, und wir erkennen ein verwittertes Steintor zwischen ihnen. Wie Knirps Made anklopft, kommt von hinten Gevatter Tod angeritten. Er sieht so aus, wie er in der Folklore beschrieben ist – mit skelettiertem Schädel, in dessen Augenhöhlen blaues Elmsfeuer flackert. Aber statt auf einem weißen Ross sitzt er auf einem schwarzen Pferd.
Missbilligend bemerkt er beim Anblick des Katers “Du schon wieder!”. Dann fragt er uns einsilbig “Warum?”. Vater Garwin holt aus und erklärt unsere Beweggründe, was den Herrn der Unterwelt aber scheinbar nicht umstimmt. Den Priester musternd fragt er etwas ausführlicher “Warum sollte ich dir trauen?”. Auf seine Aufrichtigkeit bauend bekräftigt Garwin, dass sie im Namen des Einen Gottes handeln, um die Welt zu retten. Der Tod berührt Garwins Stirn kurz mit seinem knöchernen Zeigefinger.
Schockiert von dem, was ihm der Tod gezeigt hat, taumelt der Priester entgeistert zurück, und Gevatter Tod gewährt uns allen den Übertritt in das Reich der Elfen. Das Tor, das auf der anderen Seite in einem besseren Zustand ist, schließt sich hinter uns, und wir sind nicht länger in dem unwirtlichen Zwielicht. Der bleiche Garwin sackt mit weichen Knien in das satte Gras auf dem Boden, um wieder zu Kräften zu kommen. Den besorgten Freunden sagt er, es hat ihn überwältigt, als ihm der Tod den Untergang der Welt gezeigt hat, falls wir scheitern werden.