Schriftliche Aufzeichnungen von Alanus vom Fischteich im Oktober 2512
Es passierte in den letzten Tagen öfter, dass ich aufwachte und nicht wusste, was Wirklichkeit und was Einbildung war. Es plagten mich in den Nächten oft schwere, düstere Träume, die aber so real waren, dass man das Aufwachen manchmal gar nicht spürte. Und dann saß ich auf meiner Pritsche und hatte das Gefühl, meinen Wachdienst beginnen zu müssen. Doch dann, die Erkenntnis – ich war frei. Ein komisches Gefühl nach so einer gefühlten Ewigkeit.
Nachdem wir aus der Stadtwache verabschiedet wurden, trennten sich die Wege unserer Gruppe für einige Zeit. Endlich konnten wir ein paar Sachen erledigen, die nur uns allein angingen.
Als wir uns nach vier Wochen am 20. Oktober dann wieder zum ersten Mal im „Brückenhaus“ trafen, hatten alle viel zu erzählen.
Ruben fing als erster zu Erzählen an. Ihm wurde ein altes Buch angeboten, aber er konnte es wegen Ebbe im Geldbeutel nicht ersteigern. Aber auch ohne weitere Erzählungen hätte man seine Veränderungen an sich sehen können. Er hatte viel in seinem Begabungsbereich gelernt und wohnte wohl jetzt in dem Haus von Cordelia. Unser jüngster Zugang Kruger war auch wieder anwesend. Fand uns wohl sympathisch oder so. Er erzählte uns, gehört zu haben, dass in der nächsten Zeit das Wetter sehr, sehr schlecht werden soll und wir uns darauf vorbereiten sollten. Oha, was für eine wichtige Nachricht! Er hauste wohl jetzt in einer kleinen Kammer im Ulric-Tempel und half einem Kundschafter mit Namen Jakob Specht, den dort befindlichen Taal-Schrein zu pflegen. Bei Konrad war eines seiner spannendsten Ereignisse, dass er beklaut wurde. War Gerwin etwa wieder da? Darüber hinaus unterstützte er seit unserer Freilassung Ilse Fassenbrecht bei ihrer Arbeit, besonders außerhalb der Stadt und ist im „Roten Mond“ untergekommen.
Bei mir hat sich auch ein bisschen was getan. Ich kann endlich schwimmen. Ein beruhigendes Gefühl, wenn ich an manche Ereignisse des letzten Jahres denke. Was nicht so beruhigend ist, dass ich jemanden getroffen habe, der von mir noch einen Gefallen einfordern will. Wann es konkret dazu kommt, wurde in der kurzen Unterhaltung aber noch nicht geklärt. Ich wohne zurzeit im „Brückenhaus“ und habe wohl im Gegensatz zu den anderen sogar etwas Komfort. Auch arbeitstechnisch hatte ich einige Aufträge vom Postmeister erhalten. Ich bekam auch immer wieder mit, was für eine schlechte Stimmung bei den Kutschern wegen der anhaltenden Überfälle herrschte. Schon seltsam, dass es schon solange diese Übergriffe gab und niemand sich so richtig darum kümmerte. Das war zu unserer Zeit in der Stadtwache anders.
Neben diesem Ereignis ging die Nachricht um, dass weitere 500 Mann der imperialen Truppe nach Übersreik kommen sollten und sie erneut versuchen wollten, den Magnusturm einzunehmen. Auch unser geliebter Markt wird in einer Woche wieder stattfinden. Die Gedanken an den letzten Markt riefen bei mir Übelkeit und Zorn hervor. Weitere Themen, über die das gemeine Volk tratschte, waren das Theaterstück „Der Tod des Oswald“ und die Kämpfe mit den zwei neuen Champions Reikhart Gestenstark und Eisfang im Zinnsporn. Bei Letzterem sollte es sich um einen Winterwolf handeln. Sachen gibt’s. Ich muss mal unbedingt hingehen, so etwas habe ich noch nicht mit meinen Augen gesehen. Außerdem sollen sie da auch gute, berauschende Getränke haben.
Ach ja, und unsere Verwertungslizenz für den Troll ist uns ausgehändigt worden. Dann müssen wir jetzt nur noch Gino zur Unterstützung gewinnen…
Nach dem Austausch über die Ereignisse der letzten vier Wochen ging es dann wieder Schlag auf Schlag. Ruben wollte zu Cordelia, um noch etwas zu klären. Konrad erzählte, dass Franz Lohner Hilfe bräuchte. Kruger sagte, dass sein Mentor Jakob Specht ihn gebeten hatte, Horst Kretschmer, den Rudelvater des Ulric aufzusuchen. Nur ich hatte nichts, ich weiß wohl als einziger die neu gewonnene Unabhängigkeit zu würdigen.
Der Besuch bei Cordelia hatte jedenfalls den Vorteil von 20 Goldkronen für unsere Beutel. Sie war nur etwas komisch in Bezug auf die „Kräuter“. Naja, egal.
Danach machten wir uns auf den Weg zu Annika und Gino in unserem geliebten Mietshaus in Speichelfeld. Als Zwischenstation gönnten wir uns den Besuch des Ulric-Tempels. Dort angekommen, bittet uns ein überraschter Rudelvater um einen Dienst im Namen Ulrics. Überrascht war er, weil wir an Stelle von Jakob Specht auftauchten. Scheint aber nach der Reaktion nicht das erste Mal gewesen zu sein, dass er andere anstatt seiner Selbst vorschickt. Aber… nicht mein Problem. Vor dem Gespräch schenkt er uns „Wolfsmilch“ ein. Ich merke die Wirkung und bin zufrieden.
Seine Bitte war, dass wir uns über den neuen Champion Reikhart Gestenstark und seine Absichten informieren. Soll wohl von Ulric gesegnet sein, aber fanatische Ansichten haben. Da denke ich immer, was geht mich das an, aber bevor man zu Ende denken kann, sagen schon zwei von uns, dass wir uns drum kümmern. Der Rudelvater sagte, dass der Direktor des Zinnsporns, Wolfgang Schettler, Kämpfer und Schausteller einstellt. Da sollten wir es versuchen. Sind wir Schausteller nein, Kämpfer… Warum schauten die anderen mich in dem Moment eigentlich so an? Das Wichtigste war aber, dass die „Wolfsmilch“ mich entspannte. Abschließend bekamen wir noch Eintrittskarten für die Abendkämpfe.
Dann ging es weiter nach Speichelfeld. Vor dem Tor stand Nicolas Krud und erzählte uns gleich, dass Annika keine gute Laune hätte. Eine wahrlich feine Information ohne Hintergrund. Wir klopften und hörten auf der anderen Seite Gino. Entschuldigung, genauer gesagt, hörten wir seinen Magen. Nur gut, dass Konrad und Ruben ihm etwas vom Markt mitgebracht hatten, was eine normale Kreatur niemals mehr gegessen hätte.
Annika wirkte noch grimmiger als sonst. Es stellte sich heraus, dass es immer noch mit diesem außergewöhnlichen Balg Dreiheit zu tun hatte. Andere Kinder haben ihn wohl an dem Waisenhaus Sankt Bastian gesehen. Und Annikas schlechte Laune kam wohl daher, dass der Leiter des Heims, Frederich Gewinder, wohl Gerüchten nach, merkwürdige Dinge mit Kindern in seinem Keller vollzog. Und was für eine Überraschung – wir boten natürlich unsere Hilfe an. Komischerweise gab es mal wieder eine Verbindung mit der Familie von Bruner. Das Mietshaus gehört einer Vasallin von ihnen, mit Namen Margarethe Schildknecht. Mal sehen, wo das wieder hinführt.
Dann ging es zu unserem „Bekannten“ Eluharath Wellenkamm. Wir bekamen Tee und Wein. Genauer die anderen drei Tee, ich Wein. Er bat um Hilfe für das Schreiben seiner Biografie. Ruben war bereit. Aber unser Anliegen war ja ein anderes. Wir wollten etwas von ihm über den Kult der Gesichtslosen erfahren. Und das taten wir. Es ist wohl ein sehr gefährlicher Kult, der sich zurzeit des ersten Todes von Constant Drachenfels gründete. Er holte eine Maske des Kultes aus einer Truhe, die wir möglichweise für unsere Arbeit während des Theaterstücks brauchen könnten. Er verwies aber auf Gefahren der Maske. Sie kann bei Gebrauch Veränderungen beim Träger hervorrufen. Trotz dieser Warnung steckt Konrad sie ein.
Dann geht es zu Franz Lohner in den „Roten Mond“. Sein Problem ist, dass einige seiner Feinde ihn töten wollen. Und daher bat er uns, seinen Tod vorzutäuschen. Als Lohn bietet er uns eine exotische, wohl wertvolle, Waffe an. Ein Schwert eines Wesirs. Sein Plan ist es wohl, dass verbreitet wird, dass er eine berufliche Pause einlegen will. Seine Widersacher sollen dann unter einem Vorwand in das Gasthaus kommen und dann in einer Explosion umkommen. Nach dem Ereignis wollte er dann untertauchen und als tot erklärt werden. Er nannte im Besonderen als seine Feinde den Slayer Thikad Urgolsson und einen Skaven–Assassinen mit Namen Shrinq Schattenschlitzer. Für die Ausführung seines Planes sollten wir Sprengstoff und ein sogenannte Zeitnehmerkerze besorgen. Er nannte uns dafür verschiedene Personen und deren Adressen in Übersreik. Den Zwergenanführer Grodni Festhammer, Luigi & Salvatore und den Gildemeister der Bootsbauer Kurt Prochnow.
Die ersten Aufträge bzw. Bitten des Tages konnte ich noch zähneknirschend hinnehmen, aber bei diesem Auftrag ist mir mehr als mulmig. Ich glaube, ich werde hier nicht mit machen. Aber was passiert, wenn ich von dieser Sache weiß und nicht mitmache. Habe ich dann vielleicht auch einen „Unfall“. Und was noch an allen diesen Aufträgen komisch ist – sie sollen alle innerhalb der nächsten sieben Tage ausgeführt werden. Wie soll das denn gehen? Warum immer wir? Gibt es keine anderen Verrückten in dieser Stadt?
Dann erinnerte ich mich daran, dass auf einmal meine Blase drückte und sie gerne entleeren wollte. Ich verließ das Hinterzimmer, in dem wir saßen und wollte zur Latrine. Und da sah ich in die Gesichter von einem Kürbis und einem Art Häschen. War ich wieder in einem Traum? Sollte ich den Alkohol weglassen? Nein, es standen zwei Personen, die sich selbst “Kürbis” und “Honighäschen” nannten im Schankraum mit komischen, bunten Umhängen, großen Hüten, Masken und Schwertern und Pistolen. Also kein Traum, sondern ein Überfall…