Die Zusammenkunft

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„Großmutter? Erzählst du uns noch einmal die Geschichte mit dem Äffchen und dem Panther?“ fragte das kleine, blonde Mädchen mit großen Augen. Ihr jüngerer Bruder stimmte in die Forderung mit ein und sagte „Bitte, du hast versprochen dass du die Geschichte nochmal erzählst.“

„Diese Geschichte ist zu unheimlich für die namenlosen Tage.“ widersprach die alte Frau mürrisch und sah ihre Enkel mit einem düsteren Blick an. Keines von den beiden Kindern schien davon beeindruckt zu sein. Ein etwas älteres Mädchen mit einem roten Zopf, welches grade Wolle spann, warf ein „Sie kennen die Geschichte doch schon. Und sie ist lang, also ist doch jetzt die beste Zeit davon zu erzählen.“

„Fällst du mir grade in den Rücken junge Dame?“ fragte die alte Frau mit gerunzelter Stirn. Das Mädchen lächelte, spann ihr Garn weiter und meinte „Wir würden uns alle freuen wenn du uns die Zeit mit der Geschichte verkürzt.“

Die mit Großmutter angesprochene Frau grummelte leise und streichelte die Katze, die auf ihren Schoß gesprungen war und sich dort zusammen rollte. „Ich werde keinen von euch trösten, wenn einer deswegen heute Nacht Alpträume bekommt.“ verkündete sie, was zu einem kurzen Jubel ihrer Enkelkinder führte. Die beiden Jüngsten setzten sich zu ihren Füßen, während auch die anderen Personen in dem großen Wohnraum ihre Aufmerksamkeit ein wenig mehr der alten Frau zuwandten.

„Es war eine merkwürdige Reisegruppe. Von der man nicht gleich verstand, wieso sie miteinander reisten. Es war eine lange Reise, sie waren nicht nur Weggefährten für ein paar Tage auf der Reichsstraße entlang. Ohnein. Kennen gelernt haben sie sich alle auf dem Schiff nach Festum. Aber vielleicht wollt ihr wissen wie sie alle auf das Schiff gekommen sind?

Nun, da war als erstes dieser Magier. Er kam aus Donnerbach und war ein Heiler der nach Norburg wollte. Dort gibt es eine Magierschule, die Hallen des Lebens zu Norburg, und die wollte er aufsuchen. Neue Dinge lernen, seinen Horizont erweitern.. was man als Magier eben so tut. Außerdem wollte er die Welt sehen, Menschen auf seiner Reise helfen die der Hilfe bedurften. Manche mögen dies naiv nennen, manche nennen es ein reines Herz zu haben. Seine Kleidung war rein, denn sie war strahlend weiß. Der Magier trug einen spitzen Hut unter dem seine dunklen Haare dennoch zu sehen waren. Ich glaube seine Augen waren grün. Auf jeden Fall waren sie sehr ruhig. Er ist von Donnerbach aus die meiste Zeit zu Fuß gereist, bis er dann in Perricum ankam.

Aber er kam dort nicht alleine an. Sondern in der Begleitung zweier Frauen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Die eine war schön wie der Tag und so wundervoll wie die Nacht. Sie sagte stets jedem der es hören wollte, und auch denen die es nicht hören wollten, dass sie eine Hexe sei. Dabei deutete sie immer auf ihr Haar, welches so strahlend Grün war wie das Blätterdach eines Waldes im Sommer und schimmernd wie das Gras der Savanne wenn der Wind hindurch weht. Ihr Augen leuchteten in jenem tiefen Grün von Smaragden. Ihre Kleidung war bunt, der des fahrenden Volkes ähnlich. Bei jedem Schritt den sie machte, erklangen kleine Glöckchen an ihrem Wanderstab. Vor ihr musste man sich in acht nehmen, denn wenn man nicht aufpasste, hatte sie einem im Nu einen Liebestrank, ein Mittel gegen Haarausfall oder einen Stärkungsmittelchen verkauft. Alle so Effektiv wie Brunnenwasser in das ein Lurch gekackt hat.“

Die beiden Jüngeren kicherten bei der Beschreibung, während die Mutter der Beiden seufzend den Kopf schüttelte, aber nichts sagte. „Diese ‚Hexe‘ reiste nie alleine. Auf ihrer Schulter saß ein kleines Äffchen und wehe dem, wenn es dort nicht war. Dann konnte man sich sicher sein, dass es irgend einen Unsinn anstellte. Ruhiger, aber ebenfalls stets an ihrer Seite war eine Langmähne, geduldig und ruhig. Und das war auch nötig.

Denn die andere Frau hatte einen Panther als Begleiter an ihrer Seite und das machte Tiere schnell scheu und nervös. Die Frau hatte die Raubkatze als junges Tier im Dschungel gefunden und aufgezogen. Was nicht hieß, dass das Tier auf sie hörte. Es war jeden Tag eine Herausforderung und manches Mal hatte die Frau diese Herausforderung bereits verloren. Das sah man deutlich an den breiten Krallennarben, die ihre rechte Gesichtshälfte entstellten. Aber sie verbarg die Narben nicht, denn die Frau war nicht eitel. Sie war eine Geweihte des schwarzen Mantikors. Ihr Kopf war zur Hälfte geschoren, was die Narben und ihr blindes Auge hervorhoben anstatt es zu verbergen. Ihre Haare waren dunkel, doch nicht so dunkel wie die schwarze Schuppenrüstung die sie trug. Immer in einer Hand trug sie den Korspieß, eine furchtbare Waffe die sie einzusetzen wusste.

Und diese Drei trafen eines Abends aufeinander. Es war windig, der Himmel sah nach Regen aus, doch das nächste Dorf oder auch nur ein Hof waren nicht mehr zu erreichen. Aber es gab eine Stelle am Wegesrand, die schon oft von Reisenden genutzt worden war um zu übernachten. Die Büsche standen dicht und hoch und boten guten Schutz vor dem Wind, während einige alte Bäume mit ihren Ästen einen gewissen Schutz vor Regen versprachen. In der oft benutzten Feuerstelle war bereits ein kleines Feuer entzündet worden und ein kleiner Haufen Holz lag daneben. Es war ein vager Geruch von etwas zu lange geröstetem Brot zu riechen, genauso wie der von Blut. Trotzdem ließ sich die junge, grünhaarige Frau davon nicht abhalten sich dem Feuer zu nähern, denn es versprach Wärme und ein vages Bauchgefühl ließ sie glauben, dass sie an diesem Feuer Schutz vor der Nacht und dem Wind finden würde.“

„Das Blut war von dem Huhn das der Panther gefressen hat!“ rief der kleine Junge aufgeregt, was ihm einen leicht genervten Blick der alten Frau einbrachte „Sei ruhig, ich will die Geschichte hören.“ wies ihn seine jüngere Schwester zurecht und knuffte ihn.

„Ja, das Blut war in der Tat von einem Huhn das der Panther gefressen hat.“ sagte die alte Frau und nahm einen Schluck von ihrem Tee. „Der leicht angebrannte Geruch kam von dem Brot, das die Korgeweihte aß. Sie sah auf, wenn auch etwas spät, wenn man bedenkt das sich jemand mit Glöckchen, Pferd und Äffchen näherte. Oder es lag daran, dass sie keine Angst vor den Dingen zu haben schien, die sich ihr aus der Dunkelheit hätten nähern können. Die beiden Frauen sahen sich eine kurze Zeit lang stumm an, die Korgeweihte mit hochgezogenen Augenbrauen, die grünhaarige Schönheit mit ehrlicher Neugierde. Kurze Zeit später saßen sie am Feuer und die Korgeweihte hatte keine Wahl als dem nicht enden wollenden Strom von Worten zu lauschen die aus dem Mund der ‚Hexe‘ kamen, die sich die Hände am Feuer wärmte.

Doch sie blieben nicht lange allein, denn kurze Zeit später näherte sich der weißgekleidete Magier dem Feuer. Er stellte sich höflich vor und wollte hier ebenfalls die Nacht verbringen. Er war sicherlich verwundert von all den Tieren, schien sich jedoch nicht daran zu stören. Auch schien er keine Angst vor der düsteren Gestalt der Korgeweihten zu haben, die ihm später nicht glauben wollte, dass er jede Form von Gewalt ablehnte. Der Magier schätze das Leben und die Gesundheit, denn er hatte bereits so viel Leid in der Welt gesehen, dass er geschworen hatte niemals willentlich jemanden zu verletzen.

Im Laufe des Abends stellte sich heraus, dass sie alle mehr oder weniger das selbe Ziel zu haben schienen. Die Korgeweihte hatte in Perricum einen Brief im Namen ihrer Kirche zu überbringen und der Heiler wollte dort auf ein Schiff gehen um nach Norburg weiter zu reisen. Ob es der Wahrheit entsprach dass sie ebenfalls nach Perricum wollte, oder ob die grünäugige Frau spontan entschied, dass sie ebenfalls diesen Ort aufsuchen wollte, kann man selbst heute nicht mit Sicherheit sagen.

So reisten die drei gemeinsam nach der Hafenstadt. Auf dem Weg lernten sie einander besser kennen. So zeigte sich das Hane Weidelfarn, denn das war der Name des Magiers, zwar zaubern konnte, aber Verletzungen lieber auf natürliche Weise heilen ließ. Die Korgeweihte Names Liya ‚Euer Ungnaden‘ Werdebrant konnte keine Kinder leiden, hatte aber ein erstaunliches Händchen für Tiere. Die junge Frau, die mehrfach betonte, dass sie eine Hexe sei, trug den klingenden Namen Zahra ‚Tausendwasser‘ el‘Zitaqi und war unglaublich neugierig, auch wenn es ihr ausgesprochen schwer fiel sich die Namen ihrer Reisekameraden zu merken.

Zu Liyas entsetzen, taufte sie den bis dahin namenlosen Panther ‚Koriander‘, nachdem die Korgeweihte einmal etwas über ihren Gott erzählt hatte. So sehr sich Liya auch dagegen wehrte, der Name blieb an dem Tier haften wie eine Klette. Und als sie in Perricum ankamen, hatte auch sie begonnen von ‚Koriander‘ zu sprechen, wenn sie über die Raubkatze redete. Nun hätte man glauben können, dass sich in Perricum die Wege der Drei trennten. Doch dies war nur der Auftakt, denn dies war der Ort, an dem sie auf zwei weitere Personen treffen sollten, mit denen sie ein Schicksal teilten.“

„Sie haben die anderen Leute auf einem Schiff getroffen, richtig Großmutter?“ fragte das blonde Mädchen aufgeregt. „Ja, das haben sie. Aber ich habe jetzt keine Lust die Geschichte weiter zu erzählen. Lasst mich in Ruhe meinen Tee trinken.“ erwiderte die alte Frau und streichelte der Katze gedankenverloren übers Fell.

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