Die Nacht der Tiermenschen

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10. September, Grünburg, Reikland

Heutzutage durch einen großen Wald zu reisen ist leider eine gefährliche Angelegenheit geworden. Und so finden sich meistens Reisegesellschaften, die eine Reise sicherer und vielleicht auch etwas bequemer machen.

Ich musste nach Altdorf reisen, Abt Theodor hatte es mir aufgetragen, und so fand ich in Grünburg in einer Gaststätte ein paar Gefährten für die Reise nach Altdorf.

Gunnar, ein Mensch und Jäger, dessen Fähigkeiten uns auf der Reise durch den Wald sicherlich von Nutzen sein werden, Caelhir, ein Hochelf der sich als Botschafter ausgibt und dann ist da noch Durek, einer der suizidgefährdeten zwergischen Slayer. Ganz geheuer ist er mir zwar nicht, aber da ich keine Herausforderung für ihn wäre, lässt er mich ganz sicher in Ruhe.

Unsere Reise wird einige Tage dauern und verläuft zunächst sehr ruhig, das Wetter ist angenehm. Wir kommen durch einige Dörfer und auch kleiner Städte, passieren einige Felder und Bauernhöfe. Das Land ist hier hügelig und die Straße belebt, uns begegnen Händler, andere Reisende und Wachen. Niemand berichtet beunruhigendes.

 

13.September, zwischen Grünburg und Altdorf, Reikland

Wir haben in einem Weiler übernachtet, wo man uns berichtet, dass es bis zum nächsten Weiler zwei Tagesreisen sind. Hier beginnen die Ausläufer des Waldes, in dem wir wohl oder übel unter freiem Himmel übernachten müssen.

Als die Dämmerung hereinbricht, sucht Gunnar einen passenden Lagerplatz. Er findet einen, der offensichtlich schon häufiger als solcher genutzt wurde. Es weht ein kühler Wind und es ist trocken. Caelhir und Gunnar richten das Lager her, während Durek und ich Holz für das Feuer sammeln.

Dabei sieht Durek in einiger Entfernung eine Person vorbeilaufen, genaues sieht er nicht. Kurz danach hört er aber ein Knacken im Unterholz und bemerkt weitere Gestalten, die offensichtlich die erste Gestalt verfolgen. Denn diese ruft nun „Hilfe“.

Durek ruft uns und wir nehmen die Verfolgung auf. Dann meinen wir, einen ersticken Schrei gehört zu haben und Gunnar schleicht voran, um die Lage zu sondieren. Es ist leise und wir bemerken einige Tiere, die in unsere Richtung laufen bzw. fliegen, als wenn sie vor etwas fliehen.

Gunnar vernimmt nun schmatzende Geräusche und schleicht vorsichtig weiter. Er erreicht eine kleine Lichtung, auf der eine Person auf dem Boden liegt und über diese Person etwas Absonderliches gebeugt: eine große Kreatur, humanoid, aber auf vier Beinen und mit Wolfsschnauze!

Gunnar kommt zu uns zurück und wir beraten uns kurz. Leider sind wir bemerkt worden, vielleicht war ich etwas zu laut. Auf jeden Fall hören wir ein Schnüffeln, das in unsere Richtung kommt und kurz danach ein leises Knurren. Wir machen uns kampfbereit.

Durek sieht als erstes, was nun auf uns zukommt. Eine humanoide, etwa zwei Meter große Gestalt mit einer riesigen Axt und einem Bullenkopf – ein Tiermensch! So etwas kannte ich bisher nur aus Geschichten und bin, ebenso wie Gunnar und Caelhir, geschockt. Nur Durek fletscht die Zähne und hebt seine Axt. Tiermenschen mitten im Reich? Wie kann das sein?

Die Hundekreatur ist ebenfalls mit dabei und beide Chaosgestalten greifen uns an. Am Ende streckt Gunnar den Hund mit seiner Schleuder nieder und nachdem Durek dem Tiermenschen beinah das Bein abtrennt, ist der Kampf vorbei. Erstaunlicherweise hat nur Caelhir eine kleine Wunde, die ich schnell verbinde. Wir lassen diese widerlichen Kreaturen liegen und suchen die Leiche.

Dabei handelt es sich um einen Mann mittleren Alters mit normaler, bürgerlicher Kleidung. Diese ist völlig zerfetzt, er hat dutzende Wunden und es sind Fleischstücke aus seiner Haut gerissen. Der Kopf ist abgetrennt. Die Zeit vorhin war zu kurz, um ihn so zuzurichten und es müssen auch mehrere Kreaturen als die beiden eben gewesen sein. Daher vermuten wir, dass er gefangen war und fliehen konnte. Caelhir bemerkt mehrere Spuren, auch von Hufen. Hier müssen noch mehr Tiermenschen sein, was uns nicht gerade beruhigt. Im Gebüsch findet er eine blutbesudelte Umhängetasche, die wahrscheinlich dem Mann gehörte. Darin sind typische Reiseutensilien, alle blutbesudelt, ein ebenso blutbesudeltes Pergament und ein verziertes Horn. Das Pergament ist leider nicht mehr zu entziffern, trägt aber ein Siegel, das wir aber nicht kennen. Wir nehmen alles mit.

Durek hackt noch den Kopf des Bullenmenschen ab und nimmt ihn mit den Worten „gibt bestimmt ein Kopfgeld“ mit. Unsere verstörten Blicke ignoriert er. Wir gehen zum Lager, wo ich auf dem Weg eine Wildkatze sehe, die wegläuft. Da es schon dunkel ist, beschließen wir, hier trotz der Umstände zu nächtigen.

Wer auch immer Wache hatte, wurde von der Müdigkeit übermannt. Wir alle werden mitten in der Nacht von einem infernalischem Lärm geweckt. In der Nähe ertönt lautes Gejohle von wahrscheinlich einem Dutzend Kreaturen, wir vermuten Tiermenschen. Das geht so mehrere Minuten, während wir unsere Habseligkeiten zusammenraffen. Dann hören wir etwas tiefer im Wald Kriegsgeschrei und weiteres Geheule, das gefühlt ewig dauert, wahrscheinlich aber nur fünf bis zehn Minuten.

Unschlüssig sitzen wir mit zwei Lampen im ansonsten stockdunklen Wald als Nebel aufzieht. Genau genommen kriecht er durch den Wald auf uns zu, etwa ein Meter hoch und ziemlich dicht. Vor diesem Nebel sehen wir Tiere flüchten und machen uns auch sofort auf den Weg. Wir folgen dem Waldweg Richtung Nordwesten, als wir hinter uns erkennen, dass der Nebel jetzt auch über den Weg kriecht. Nach der nächsten Kurve sehen wir ihn nicht mehr. Kurz danach hören wir noch das Geheule einer Kreatur, dann ist Ruhe.

Wir folgen dem Weg und hören nach einiger Zeit das Plätschern eines Gewässers und dann ein umfriedetes Haus, vermutlich ein Gasthaus. Als wir näherkommen, sehen wir, dass das Haus ziemlich heruntergekommen ist. Daneben sehen wir zwei Nebengebäude und unten am Fluss ein weiteres Haus und eine Fähre.

Das Tor des Gasthauses ist verschlossen und da niemand auf unsere Rufe reagiert, gehen wir zum Fluss, der etwa 50 Meter entfernt liegt. Die Fähre ist unbrauchbar gemacht worden, die Seile sind durchtrennt. Das Haus steht offen, vor der Tür sind Blutflecken auf dem Boden. Im Haus sehen wir eine Leiche, es handelt sich um einen älteren Mann, der hier wahrscheinlich der Fährmann war. Das Haus ist unordentlich, es gibt Kampfspuren und der Mann wurde mit einem Schnitt durch die Kehle ermordet. Was geht hier vor?

Dunkle Wolken ziehen auf und da der Wind schärfer wird, beschließen wir, bis zum Morgen im Haus zu bleiben. Als ich die Leiche nach draußen bringe, sehe ich im Hof des Gasthauses ein Licht. Schnell machen wir uns auf den Weg dorthin und bemerken, dass es einen Nebeneingang gibt, der nicht verschlossen ist.

Rechts von uns ist ein Gebäude mit großem, verschlossenen Tor, wahrscheinlich ein Geräteschuppen. Vor uns liegt das Hauptgebäude, das zweigeschossig mit einem Anbau ist. Es gibt eine größere Tür im eigentlichen Gebäude und eine kleine im Anbau, aus dem Schornstein am Anbau kommt etwas Rauch. Am Haus ist ein Schild angebracht, auf dem „Herberge zum verhüllten Mann“ steht. Rechts daneben steht ein weiteres Gebäude, aus dem unruhiges Pferdewiehern zu hören ist, das lauter wird, Dorthin gehen wir zuerst.

Das Tor ist unverschlossen und als Durek es öffnet wird er beinahe von einem Pferd umgerannt, das sich losgerissen hat und aus dem Tor stürmt. Gunnar kann es beruhigen und bringt es wieder herein, wo noch drei weitere Pferde in Boxen stehen. Von oben, wo sich ein Heuboden befindet, hören wir ein Klappern. Ich steige eine Leiter herauf und sehe oben eine Leiche eines Jungen, wohl der Stallbursche, und sehr viel Blut im Heu. Dazu eine offene Ladeklappe, aus der jemand entkommen zu sein scheint. Ich sehe mir die Leiche genauer an. Der Junge ist vielleicht 14 und wurde wahrscheinlich von sehr vielen kleinen Schnittwunden getötet. Eine solche Waffe kenne ich nicht, waren es vielleicht Klauen? Zudem ist aus dem Oberarm ein Stück Fleisch herausgebissen worden, es sieht nach einem menschlichen Kiefer aus. Schnell verlasse ich den Heuboden.

Wir wollen gerade zum Haus, als sich die Tür des Anbaus öffnet. Dort steht eine sehr massige Gestalt mit einer Laterne, aber als wir „Hallo“ rufen, verschwindet die Gestalt sofort wieder und schließt die Tür. Wir klopfen an und eine kleine Luke öffnet sich, hinter dem ein Teil eines massigen, ja: fetten Kopfes zu sehen ist. Er ist der Wirt hier, sein Name ist Otto, wie sich später herausstellt, aber hereinlassen will er uns nicht. Ein Straßenwächter schickt ihn aber alsbald weg und den können wir überzeugen, keine Räuber oder gar Tiermenschen zu sein. Dieser lässt uns herein.

Der Wächter stellt sich als Hans Jinters vor. Wir reden mit ihm über die Situation und berichten vom toten Fährmann und Stallburschen. Die Personen im Haus, wir sehen im Gastraum noch einen Tisch mit zwei Männern, zudem sollen sich in den Zimmern weitere Reisende befinden, sind ziemlich nervös. Die Situation war schon vor unsere Ankunft gefährlich, auch hier sind Tiermenschen aufgetaucht und Morgen sollen weitere Wachen kommen. Für uns sind nur noch Betten im Schlafsaal frei, den wir aber für uns alleine haben. Der Diener Fagor bringt unsere Sachen dorthin, während wir noch Essen und mit der Wache sprechen. Alsbald verabschieden wir uns aber, da wir sehr müde sind und hoffen, noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

Der Flur im Obergeschoss macht uns etwas stutzig. Es gibt ein paar Zimmer, an denen wir vorbeikommen, da unser Raum am Ende des Flures liegt. An mehreren Stellen sind dunkle Flecken am Boden und es ist eindeutig vor kurzem gewischt worden.

Das Zimmer selber ist ordentlich, aber nicht ganz sauber. Wir verrammeln die Tür, während mein Blick beim Schließen der Fensterläden auf das Dach der gegenüberliegenden Scheune fällt. Dort sitzt eine große Kreatur mit vielen dünnen Beinen. Ich verrammle auch die Fensterläden.

Wir teilen Wachen ein und schlafen umgehend. Gunnar, der die erste Wache hat, wird plötzlich von einem fast unnatürlichen Schlaf übermannt und schläft ebenfalls ein.

Plötzlich wird Durek durch einen Blitz mit gewaltigem Donner geweckt. Er schreckt hoch und hört unten einen merkwürdigen Singsang…

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Peter

Über Peter

Spielt mit Unterbrechungen seit 35 Jahren Pen & Paper. Angefangen mit DSA, mit AD&D weitergemacht, einiges ausprobiert und momentan bei DER, WHF und D&D5 gelandet.

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