Das Levthansband II – König Eisbarts Graue Trutzburg

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12. Efferd 1023 BF
Ganz ohne festliche Prozession und zwölfgöttliches Brimborium verließ die Bernsteinkarawane am frühen Morgen das Kloster Auridalur und die Stadt Glyndhaven. Es war beinahe als handelte es sich um die Karawane eines gewöhnlichen Händlers. Diejenigen, die diese Reise zum wiederholten Male mitmachten, bewiesen routinierte Effizienz. Aurew Praoislob Elsborn hatte alles fest im Griff, und der Treck aus sechs Wachhunden, zwölf Ponies und zwei dutzend Menschen kam gut voran.

Aurew machte es sich zur Gewohnheit, mittags eine Andacht zu halten. Gelegentlich wurde diese auch von der Geweihten Aldare Marnion durchgeführt. Er bot das auch Shéanna an, doch sie zog es vor, Rahja am Abend zu huldigen. Er ermahnte alle, sich an die Gemeinschaftsregeln zu halten, die vorsahen, dass Frauen und Männer in getrennten Zelten schliefen. Somit teilte sich Shéanna ein Zelt mit Selwine und ihrem Kind. Er betonte unnötigerweise, dass der Einsatz von Magie auf den äußersten Notfall beschränkt sei. Balthasar und Lyoscho gaben sich gegenseitig zu verstehen, dass sie niemals auch nur ein Quäntchen Astralenergie vergeudeten, und fühlten sich nicht angesprochen.

Am Abend beratschlagten die verbliebenen fünf Mysteriensammler, wer welches Artefakt tragen sollte. Shéanna steckte sich den Ring der Vergangenen mit dem Blutachat auf den Finger. Styrvake nahm den Ring der Ornaldinen mit dem Smaragd an sich, nachdem er sich selbst davon überzeugt hatte, dass ein Drache keine Schlange war. Lyoscho trug das Bernsteinamulett, verbarg dieses aber unter seiner Kleidung. Balthasar behielt die Ahornbrosche mit dem Saphir, und Tsaekal den Reif der Tiefe mit dem Aquamarin.

Daraufhin ging Styrvake zur Hauptfrau Gritten und ließ sich von ihr ihre fünf Söldnerkumpane vorstellen. Er selber ließ kein gutes Haar an den Praioten, rechtfertigte seine Teilnahme an der Reise aber aufgrund der guten Entlohnung. Währenddessen kam der mitreisende Halbelf Floriel zu den anderen ans Feuer. Er zeigte reges Interesse an Shéanna und sprach mit ihr über den Rahja-Tempel in Tiefhusen.

13. Efferd 1023 BF
Tsaekal unterstützte den nivesischen Kundschafter Akku, und beide schätzten die größtenteils wortlose Kommunikation und das einvernehmliche Schweigen, das zwischen ihnen herrschte. Auch an den Lagerplätzen sah man sie oft zusammen.

Am zweiten Abend gesellte sich der Händlerin Alvinia zu ihnen. Sie kam aus Riva und handelte mit Körperpflegemitteln und Heiltränken. Ihre Leibwächterin Yppolita war stets in ihrer Nähe. Als auch Alvinia das Gespräch auf Tiefhusens Rahja-Tempel lenkte, wunderte sich Lyoscho, ob einige der Mitreisenden mehr wussten als gut für sie war und mit Hintergedanken diese Reise angetreten hatten, oder ob dies das naheliegendste Gesprächsthema war, um Shéannas Aufmerksamkeit zu gewinnen.

14. Efferd 1023 BF
Shéanna und Lyoscho – angetan von der Güte der Waren, die Alvinia feilbot – frischten am nächsten Morgen ihre Vorräte auf, bevor die Karawane weiterzog.

Aldare wandte sich nach dem Abendessen an Shéanna und ihre Mitstreiter, und bat sie um ihre Unterstützung, sobald sie zum Kloster Urischalur kommen sollten. Doch die meisten hatten noch lebhaft in Erinnerung, wie sie sie bei ihrer ersten Begegnung hintergangen und für den Schattenrat gearbeitet hatte. Wenn auch klar war, dass sie damals beherrscht worden war, so fand die ehemalige Äbtissin nicht die rechten Worte, um diese Leute, die sie um Hilfe bat, davon zu überzeugen, dass sie geläutert war. Nicht einmal die Fürsprache Quenias konnten die Zweifel an ihr zerstreuen. Ihr Glück war, dass sie noch Wochen Zeit hatte, die Helden für sich zu gewinnen.

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Während des Vormittages verließen sie die Karawane und den ausgetretenen Pfad, den man hier Küstenstraße nannte, und zogen in das Hügelland der Halbinsel Nikku. Wulfen hatte angeboten, sie zu begleiten, doch Styrvake hatte ihm brüsk zu verstehen gegeben, dass er mit der Karawane weiterziehen sollte.

Sie folgten einer ehemals befestigten Straße, die kaum noch zu erkennen war und sehr, sehr alt gewesen sein muss. Gegen Mittag trafen sie auf die Spur eines Riesenwolfes, die ihren Weg kreuzte. Zum ersten Mal nahm Lyoscho Kontakt mit Quenia auf und erstattete Bericht. Trotz der Nähe zum Meer ließ der Wind nach, und die Luft wurde immer stickiger. Allen fiel auf, dass hier kein Baum und kein Strauch wuchs, und Tiere schienen sich hier auch nicht aufzuhalten. Bei Dämmerung hörten sie den Ruf der Blutwölfe, die scheinbar auf ihrer Spur waren. Tsaekal ließ sie mit wölfischem Geheule wissen, dass er sie nicht fürchtete.

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Gegen Mitternacht wirkte Lyoscho eine seiner Hexereien, um besser sehen zu können, und wurde gewahr, dass ein dutzend Karmanthi ihr Lager umzingelt hatten. Gemeinsam schlugen sie sie in die Flucht, doch war auch ein Grakvaloth gekommen, und dieser griff Lyoscho an. Es war ein viergehörnter Dämon in der Gestalt eines geflügelten schwarzen Löwens, und er hatte glühende Klauen und Augen. Wie der Magier im Todesgriff des Dämons war, erinnerte er sich, dass dies der Sendbote des Namenlosen war, und niemand anderes ihn zu sehen vermochte.

Doch die anderen konnten ihn spüren und ahnten, wohin sie mit Ihren Waffen zu schlagen und zu stechen hatten. Tsaekals Winterspeer schlug die ersten Wunde, und der Dämon erhob sich fort in die dunkle Nacht. Sie gaben ihr Lager auf und gingen in den Nebel, der vor ihnen lag, um dem Dämon keine zweite Chance zu geben.

Sie fanden eine Höhle, in der sie auf einen einzelnen, aber sehr wehrhaften Firnelfen trafen. Endlich traf Lyoscho auf Diundavar, doch dieser machte einen abweisenden Eindruck, und Lyoscho unterließ es, ihm die Kardinalfrage zu stellen. Nichtsdestotrotz verrieten sie dem Elfen in aller Kürze, was sie in den Norden geführt hatte, und dass Teliriyon festgestellt hatte, dass Lyoscho von den Himmelslichtern abstammte. Er selber war hier, um eine Wolfsbestie zu jagen. Als sie am Morgen aufwachten, war er schon wieder weitergezogen.

Vor der Höhle trafen sie stattdessen auf ein Frau mit dunklem Teint und langem, glattem schwarzem Haar. Sie stellte sich als Schneemond, eine der Töchter König Eisbarts, vor. Sie sagte ihr Vater fände Gefallen an interessanten und wahren Geschichten. Wenn es ihm nach Neuigkeiten dürstete, dann zeigte er Suchenden den Weg zu seiner Grauen Trutzburg. Sie gingen mit ihr, und zur Mittagsstund lichtete sich der Nebel und gab den Blick auf eine monumentale Burg frei. Hatte so einst die Riesenburg im Bornland ausgesehen? Gewaltige Torflügel wurden von riesigen Elementaren geöffnet. Schneemond ermutigte sie, ihr in die Burg zu folgen, und brachte sie zu dem Eiszwerg Nidalf, der dort scheinbar der Haushofmeister war.

Dieser fragte sie nach ihrem Begehr. Bedachtsame Zurückhaltung schien fehl am Platz, doch als Nidalf hörte, dass Ifirn sie geschickt hatte, war er erbost darüber, dass die Göttin immer wieder Menschen vorschickte aber nie selber kam. Nichtsdestotrutz mussten sie nicht lange auf eine Audienz beim Herrscher warten. König Eisbart war ein Riese, aber anders als Milzenis waren seine Züge nicht ungeschlacht sondern sehr erhaben. Es schien, als lebte er schon seit vielen Zeitaltern, und dass er älter als die Zwölf Götter war.

Tsaekal bat Lyoscho das Wort zu ergreifen, doch fiel Styrvake ihm ins Wort, als der gelehrte Herr anfing, um den heißen Brei herumzureden, und König Eisbart ungeduldig wurde. Er war erstaunt zu erfahren, dass seine Besucher einst Lystramon in die Niederhöllen hatten entkommen lassen, was in dessen dämonischer Transformation geendet hatte. Doch hielt er ihn dennoch für einen kleinen Emporkömmling und sagte, er wüsste wie man Lystramon in seine Schranken verweisen könnte.

Er hatte kein Verständnis dafür, dass die Menschen zwei Jahre zuvor gegen den Karmoth angetreten waren, als dieser bei der Schlacht auf den Vallusanischen Weiden erschienen war. Dennoch wollte er helfen, die Schwanenflügel, die damals beschädigt worden waren, zu reparieren. Auch wollte er jedem bei dessen persönlichen Angelegenheiten helfen, doch alles zu seinem Preis. Soweit verlangte er den Pelz der Wolfsbestie, eine Jaguarlilie und von jedem etwas von persönlichem Wert.

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