Bethana, uralte Stadt am Meer der Sieben Winde, erste Siedlung der Güldenländer, und alle vier Jahre Treffpunkt des größten Gauklerwettstreits Aventuriens. Gelegen ist der zweitausend Einwohner zählende Ort in den Dünen der sanft geschwungenen Küste. Alte Häuser wechseln sich ab mit Kontoren und Manufakturen der Buchdrucker und Linsengießer.
Hier wurde Naramis Spinosa als Sohn des Comtes Alberto Spinosa und seiner Frau Gunilla am 20. Boron 1002 BF geboren. Die Familie betrieb eine Druckerei und brachte den „Bethaner Boten“, eine wöchentlich erscheinende Lokalzeitung, heraus. In dem großen Haushalt lebten noch der Großvater Alfredo, seine Frau Amitura und Naramis drei Geschwister (der ältere Bruder Giovanni und zwei Schwestern, Carla und Luisa).
Die Kindheit war sorgenfrei. Naramis erhielt Hausunterricht und wuchs behütet auf. Die Familie war vermögend, und konnte sich so manchen Luxus leisten (Hauspersonal, fließendes Wasser in den Baderäumen, usw.). Mit elf Jahren ging sein Vater mit ihm und seinen beiden Schwestern zur Elevenschau in die hiesige Magierakademie. Bei Naramis wurde eine ausgesprochen starke Affinität zur Magie entdeckt, sodass eine Aufnahme in die Hallen des vollendeten Kampfes für das nächste Jahr beschlossen wurde. In der Familie waren alle glücklich darüber, Naramis selbst war eher etwas ängstlich, da er als kleiner Junge natürlich keine Vorstellung hatte, was auf ihn zukommen würde.
1014 BF zog Naramis in die Magierakademie ein. Etwa einen Monat später (Ende Rondra) durchsuchten herzögliche Truppen die Manufaktur der Familie. Dem Vater wurde vorgeworfen, Hetzschriften gegen Staat und Kirche verbreitet zu haben. Naramis hatte nie herausgefunden, worum es im Detail ging, es hatte aber etwas mit der Galahanistenbewegung zu tun, einem Unterstützerkreis für eine alte Kusliker Adelsfamilie, die seit langer Zeit entmachtet und im albernischen Exil lebte und deren Anhänger Naramis‘ Vater war. Als sich abzeichnete, dass es zu einem Eklat kam, hatte Alberto Spinosa seine Familie auf ein Schiff nach Havena in Sicherheit gebracht. Nur er und sein ältester Sohn Giovanni waren zurück geblieben. Nach der Durchsuchung wurde Alberto festgenommen, Giovanni gelang so eben die Flucht in den Hesindetempel. In den folgenden Wochen verlor Alberto Spinosa alle Titel und konnte sich nur mit knapper Not freikaufen und ins havenische Exil flüchten. Giovanni blieb in Bethana unter dem Schutz der Kirche, und Naramis wurde weiterhin in der Akademie ausgebildet.
Die Lehrzeit war von Ausschweifungen geprägt. Naramis verschuldete sich immer mehr und verbrachte seine Freizeit mit Wein, Weib und Würfelspiel. Die Ausbildung fiel ihm wegen seines Talentes nicht schwer, er hätte aber deutlich besser sein können, wenn er sich mehr angestrengt hätte. Ein Gebiet, dass ihn faszinierte und auf dem er sich als recht versiert erwies, war das wissen über dämonische Umtriebe, ihr Erkennen und Gegenmaßnahmen. Zwei Gründe mag es dafür gegeben haben. Zum einen waren es die immer gehäufter auftretenden Berichte aus dem Osten über die Borbaradkrise in Tobrien. Zum Anderen war der Magister Dom Luca di Vincello, vom ODL aus Neetha ausgesandt, ein sehr charismatischer Lehrer in der Kampfmagie und einer von Naramis Vorbildern und vielleicht zu einem gewissen Teil auch Vaterersatz.
1020 BF schloss Naramis seine Ausbildung ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon so viele Schuldverschreibungen bei verschiedenen Bankhäusern und Händlern, dass kaum ein Tag verging, an dem nicht ein Gläubiger an seine Tür klopfte. Naramis beschloss, Bethana zu verlassen und machte sich mit einem Empfehlungsschreiben Dom Lucas auf nach Neetha. Dort wurde er vom Großmeister Phedro ya Mezzani empfangen und nach eingehender Prüfung und einjährigem Noviziat 1021 BF in den Ordo Defensores Lecturia aufgenommen. Es dauerte nicht lange, da hatte Naramis auch in Neetha den ein oder anderen Schuldschein unterzeichnet und es kam, wie es kommen musste, man bekam von seiner Vergangenheit in Bethana Wind. Überstürzt in einer Nacht- und Nebelaktion verlies Naramis das Kloster des ODL und brach nach Punin auf. Er hatte sich fest vorgenommen, dort unter anderem Namen seine Studien fortzusetzen, und ein götterfürchtiges Leben zu führen und von seinen Lastern sich loszusagen. Eine Zeit lang gelang ihm das auch.
Einige Jahre verstrichen, ohne das man ihn behelligte. So beschloss Naramis 1029 BF nach Bethana zu reisen und seinen Bruder zu besuchen. Seit Jahren hatte er keinen Kontakt mehr zu ihm und dem Rest der Familie. Er hatte gerade erst die Stadt betreten, als man ihn verhaftete und in den Schuldturm sperrte. Naramis sah sich schon an eine Ruderbank auf einer Galeere gekettet, als er voller Verzweiflung einen Brief an seinen Vater in Havena schrieb. Giovanni, mittlerweile Hesindegeweihter, schmuggelte das Schreiben aus dem Kerker und schickte es per Boten auf den Weg. Es verstrich einige Zeit, doch so plötzlich man ihn verhaftet hatte, so plötzlich wurde er eines Tages frei gelassen. Man übergab ihn in die Obhut eines gewissen Kasimir Salzer, einem Emissär des Prinzen Romin Galahan von Kuslik, einem Spross der Galahanfamilie, die zur Zeit im havenischen Exil lebte. Diese hatte seine Schulden, immerhin eintausend Dukaten, übernommen und wollte ihn nun sprechen. So reiste Naramis nach Havena. Dort traf er nach vielen Jahren wieder auf seine Familie, die in der Stadt ein bescheidenen Auskommen hatten. Sein Vater hatte Prinz Romin um die Gefälligkeit gebeten, Naramis frei zu kaufen. Naramis verpflichtete sich im Gegenzug bis zur vollständigen Begleichung seiner Schulden, dem Haus Galahan zu Diensten zu sein. Der Aufenthalt in Havena war nur kurz, denn Prinz Romin Galahan von Kuslik schickte ihn bald nach Andergast an den Hof von Efferdan I. Zornbold, König von Andergast, geborener von Hussbek-Galahan – ein entfernter Verwandter. Ihm sollte er dienen.
Zum Jahreswechsel brach Naramis auf. Die Reise verzögerte sich, da er jede Gelegenheit nutzte, in alte Gewohnheiten zu verfallen. Zum einen feierte er seine neu gewonnene Freiheit, zum anderen versuchte er den Frust darüber zu vergessen, dass er nun in die tiefste Provinz geschickt wurde, in eine Stadt, die für ihn schon fast zum Orkland gehörte. Doch das ist eine andere Geschichte.
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Zu Aussehen und Charakter
Mit seinen 27 Jahren ist Adeptus major Naramis ya Spinosa, ODL, Esq. (so der vollständige Titel) nicht mehr der Jüngste, zeichnet sich aber durch eine beeindruckende Schönheit und höfischer Eleganz aus. Sein schwarzes Haar trägt er halblang und modisch geschnitten. Er hat warme braune Augen und einen ebenmäßigen Teint, Haut und Gesichtszüge haben tulamidischen Einschlag. Er ist hochgewachsen und schlank. In der Regel ist er in eleganter aber zweckmäßiger Reisekleidung (Lederhose und -jacke, Rüschenhemd und Brokatweste) gehüllt. Dazu trägt er einen breitkrempigen Hut, der mit Federwerk geziert ist. Umgeschnallt hat er stets einen Rapier, für den er als Abgänger der Reichsakademie in Bethana einen Dispens hat. Sollte er zu offiziellen Anlässen seine Ordenstracht des Ordo Defensores Lecturia (ODL) tragen, besteht diese aus einer grauen Kapuzenrobe aus fein gewebter Wolle mit einem brokatenen Skapulier in Rot und einer roten, eng anliegenden Kappe. Auch hierbei trägt er sein Wehrgehänge. Für höfische Anlässe dürfte Naramis auch entsprechende modische Bekleidung aus Wolle und Brokat haben. Ständig bei sich führt er einen mannshohen Zauberstab aus dunklem Holz, der zunächst recht schlicht daher kommt. Am oberen Ende hat er eine kreisrunde Einfassung, in der sich eine apfelgroße Kristallkugel befindet.
Das Auftreten des Magiers ist freundlich, manchmal etwas überheblich. Er spricht gern und hört sich gerne reden. Dabei ist er sich seines Standes bewusst und neigt von Zeit zu Zeit zu impulsiven Durchbrüchen, bei denen er sich auch mal in Rage redet. Und wenn er auch äußerlich wie ein horasischer Geck wirken mag, so ist er in seinem Handwerk, der Zauberei, sehr versiert und fest verankert in den Traditionen des zwölfgöttlichen Glaubens und dem Reich. Seine Aufgabe im ODL nimmt er ernst und fühlt sich dem Schutz der Grauen Gilden und der rechtschaffenen Magie im Allgemeinen stets verpflichtet.
Zu Stand und Titel
Als Absolvent einer horasischen Magierakademie bekommt Naramis gleichzeitig den Titel „Esquirio“ und hat dadurch ein paar Privilegien (siehe „Reich des Horas“, S. 72 f.). Die Anrede ist „Signor“ oder „Ehrenwerter Herr“. Er darf dadurch seinem Nachnamen ein „ya“ voranstellen. In Dokumenten wird dem Namen ein „Esq.“ nachgestellt. Als Magier mit entsprechender Erfahrung hat Naramis Anrecht auf die Ansprache „Wohlgelehrter Herr“, der Titel ist „Adeptus major“. Die Ordenszugehörigkeit wird üblicherweise mit dem Zusatz „ODL“ dem Namen nachgestellt (für Ordo Defensores Lecturia).
Der vollständige Name (geschrieben) lautet also:
„Adeptus major Naramis ya Spinosa ODL, Esq.“
Und die vollständige Anrede / der vollständige Titel:
„Ehrenwerter und wohlgelehrter Herr Naramis ya Spinosa vom Ordo Defensores Lecturia, Adeptus major der Halle des vollendeten Kampfes zu Bethana“
Danke für den Hinweis, war ein Zahlendreher, muss “1002 BF” heißen. – Wohlgelehrt, aber nicht vollkommen – wir arbeiten daran ;).
Du musst Dich beim Geburtsdatum vertan haben, welches mit 20. Boron 1020 BF angegeben ist. Zeitgleich hat der “wohlgelehrte Herr” jedoch sieben Jahre nach seiner Aufnahme in die Akademie seine Abschlußprüfung bestanden!