Upsala, Schloss Gyllenkreuz, Samstag 15.01.1881, von Ida Anderson
Ich erwache in meinem Schlafgemach im Schloss. Noch nie habe ich in diesem Zimmer so gut geschlafen. Dennoch steckt mir die vergangene Reise noch in den Knochen. Als erstes will ich nach dem Aufstehen nach unserem Gast, der jungen Reporterin Ingrid Bäcklünd schauen. Ihr Zimmer sieht verlassen aus und ist bis auf die Möbel leer und aufgeräumt.
Im Speisezimmer warten Viola und Johanna bereits mit einem vorzüglichen Frühstück auf uns. Von den beiden erfahren wir, dass Ingrid nun ein Zimmer im Erdgeschoss bewohnt und gerade im Garten spazieren geht. Viola hat sich in unserer Abwesenheit um unsere Untermieter im Stall, die Vätten, gekümmert, geht aber nicht weiter darauf ein und erwähnt nur, dass es an der Zeit sei, einen Gärtner einzustellen. Dieser könnte sich auch um die Lebensmitteldiebe kümmern. Außerdem würde ein gepflegter Garten einladender auf Gäste wirken. Das wünscht sich auch Linda.
Plötzlich ertönt das Krächzen eines Rabenvogels aus dem Treppenhaus. Clara folgt dem Ruf und findet zwei Raben auf der Galerie sitzen. Oben auf dem Gang sieht sie eine augenlose Person mit einem Stab. Odin mit Hugin und Mugin? Die Gestalt murmelt etwas und Rauch erscheint. Als wir zu ihr kommen, ist nur noch Rauch zu sehen. Clara wiederholt die gehörten Worte von Odin vor Norvid. Er versteht daraus alte Königsgräber und etwas wie warten.
Obwohl ich lieber zunächst in der Bibliothek recherchieren möchte, drängen die anderen sofort zum Aufbruch nach Alt-Upsala. So lassen wir uns Picknick einpacken und besteigen die herbei gerufene Kutsche. Wir lassen uns direkt zu den Gräbern fahren. Die Museen sind geschlossen. Zwei Kirchen sind unser nächstes Ziel. Die größere ist evangelisch, doch die kleinere scheint etwas Besonderes zu sein. Ich lasse mich dort nieder, um zu beten.
Da tauchen plötzlich die beiden Raben wieder auf, sie sitzen auf der Statue von Odin. Clara tritt durch eine geöffnete Tür, wir folgen ihr und dann durch eine weitere. Im Flur findet Linda eine selbst entzündende Fackel. Wie selbstverständlich greift sie danach und übernimmt nun die Führung. Wir folgen ihr in ein Gewölbe, in dem sich die Fackeln an den Wänden wie von Geisterhand entzünden und uns den Weg weisen. Es riecht nach verbrannten Kräutern oder als hätten meine Ministranten wieder Unfug mit dem Weihrauch getrieben, diese Lausejungen.
Bei Linda schein dieser Geruch den Appetit anzuregen, denn sie möchte jetzt picknicken. Alle anderen spüren wie ich, keinen Hunger und wir ziehen weiter. Sunna macht mich darauf aufmerksam, dass unsere Gefährten vor unseren Nasen verschwinden. Wir folgen ihnen trotzdem. Der Kräutergeruch wird stärker und wir erreichen eine weitere Höhle. Wie weit wir wohl unter der Erde sind? Diese Höhle sieht natürlich aus. Am anderen Ende sehen wir ein spitz zulaufendes Zelt aus Fellen mit einem Rauchabzug. Ein Runenstein befindet sich auf dem Weg zum Zelt. Norvid kennt die Bedeutung der Zeichen darauf nicht.
Linda kündigt uns mit einem „Halloho wir sind daha und haben leckeres Essen dabei!“ an. Die Höhle hat über dem Zelt eine Öffnung, durch die der Rauch abziehen kann. Sunna hört, dass draußen Regen einsetzt. Der Eingang öffnet sich und uns steigt Rauch in die Nase. Der Augenlose erwartet uns. Sein Stab lehnt an der Seite. Wir treten in die Kräutersauna ein und nehmen an seinem Feuer Platz.
Er nimmt eine schwarze Paste und zeichnet uns damit eine Rune auf das Gesicht. Im Zelt hängt ein Windspiel. Odin, oder ist es sein Sohn Hödr, schürt das Feuer und kramt eine kleine Knochenflöte hervor, Wir fühlen uns taub. Was ist das für ein Zauber? Erneut werden wir gezeichnet, dieses Mal von der Stirnmitte bis zum Mund. Der Geschmack nach Blut breitet sich in meinem Mund aus und mir wird schummerig, ich verliere das Bewusstsein. Irgend etwas schlägt auf meinen Hinterkopf und ich bin wieder wach. Der blinde Seher ist weg. Unsere Kleidung wurde getauscht, gegen Felle und Leder, statt des Stockdegens, hängt ein Schwert an meinem Gürtel, nun sehen wir aus wie Nordmänner und -frauen.
Alle treten vor das Zelt, Dunkelheit umringt uns. Es herrschen milde Temperaturen, die Luft riecht mild und rein. Wir schauen aus einer Höhle in einen Wald, der zuvor nicht dort war. Die zwei Raben sitzen auf einem Baum und scheinen uns auszulachen. Sunna zeigt auf einen großen Wolf, er verschwindet wieder. Er ähnelt dem, aus unserer letzten Reise. Gesang dringt an unsere Ohren und wir folgen dem Geräusch. Der Tempel aus meiner Vision taucht auf. Es sind die Hallen der Götter.
Mutig mischen wir uns unter die Gläubigen und betreten unauffällig das Gebetshaus. Tempeldiener legen Opfergaben vor die Abbildungen nordischer Götter. Wir hören einen Lobgesang auf Odin. Ein Priester spricht: „Es gab eine schlechte Ernte und schlechte Fangergebnisse. Die Götter sind erzürnt und fordern ein Opfer.“
Das Opfer ist eine junge Frau, sie lächelt glücklich. Ich schicke ein Stoßgebet zu meinem Gott, sie möge nicht leiden. Denn mich einzumischen wage ich nicht. Der Priester schneidet ihr mit einem Messer die Kehle durch und fängt mit einer Schale das Blut auf. Dann bekommen die Hohepriester und Jarls das Blut zu trinken. Alle Anwesenden rufen: Blot! Mir wird schlecht.
Eine der anwesenden Priesterinnen können wir Freja zuordnen, sie trägt eine auffällige Kette mit einem grünen Stein.
Nun beobachten wir, wie eine weitere Zeremonie vorbereitet wird und werden Zeuge der Krönung des ersten Königs des vereinigten Königreiches Norwegens: Harald Schönhaar! Er spricht: „Endlich bin ich König.“ Er verspricht bessere Zeiten und will diese mit einem Angriff auf England einläuten. Dazu fordert er die Anwesenden mit gebieterischer Stimme auf: „Kommt mit mir an Bord in meine Flotte und wir segeln nach Britannien. Wir werden sie ausbluten lassen, die Engländer! Großes Gejubel! Der König verlässt mit seiner Leibgarde die heiligen Hallen und steuert auf ein uraltes Langhaus zu. Hier fließt das Met in rauen Mengen. Wohl um den möglichen neuen Rekruten Mut zu machen. Harald der I. schreit: “Wir werden sie besiegen, die Briten!”
Der König geht in das Zelt, offenbar, um sich mit den Jarls zu besprechen. Was wird dort wohl besprochen? Ich gehe näher heran. Doch dann betritt ein Nachzügler das Zelt und ich muss mein Vorhaben aufgeben. Dann tritt König Harald aus dem Zelt vor das noch versammelte Volk: „Wir haben einen Spion in unseren Reihen, wollen wir ihn begrüßen?!“ Ein Gefangener, der kaum noch laufen kann, wird angeschleppt. Es handelt sich angeblich um einen Spion eines befeindeten, christlichen Stammes. Er wird dem barbarischen Ritual „Blutadler“ unterzogen. Ich sehe mich nicht in der Lage, diese Grausamkeit hier zu beschreiben und tröste mich damit, dass es sich hier um gezeigte Bilder aus der Vergangenheit handelt, die bereits so passiert sind und durch uns nicht verhindert werden können. So schicke ich ein stilles Gebet gen Himmel.
Clara und Linda beobachten, dass die Hohepriesterin sich aus der Menge löst und mit einer Schale in der Hand Richtung Hügelgrab bewegt. Sie deutet uns an, ihr zu folgen. Die Dienerin Freyas, trifft sich dort mit weiteren Frauen, alle tragen ein ähnliches Amulett. Sie nehmen eine Fackel und gehen ich das Grab hinein. Clara belauscht die Priesterinnen und hört sie murmeln: „Für die Vanadisir“ darauf hin leuchten die grünen Steine auf. Norvid spürt, dass eine Art Magie freigesetzt wird.
Wir beobachten, dass sich acht Personen durch den Wald nähern. Der Anführer fordert seine Gefolgsleute auf, alle in dem Hügelgrab zu töten. Ungesehen eilen wir in das Grab, um die Frauen zu warnen. Dort werden wir Zeuge, wie eine Tote zum Leben erweckt wird, doch ihr Gesicht ist nur zur Hälfte das, einer lebenden Frau, die andere Hälfte zeigt einen Totenschädel. Ich erkenne die Gestalt aus meinem Traum! Wir spüren, es handelt sich um ein Vaesen!
Die Männer dringen in das Grab ein und der Anführer schreit: „Tötet die Hexen!“. Wir halten uns verborgen. Das grüne Leuchten nimmt zu und die Priesterinnen scheinen allesamt größer und stärker zu werden. Beide Parteien kämpfen erbittert gegeneinander. Alle Krieger werden in einem blutigen Gemetzel besiegt, zwei Priesterinnen sterben. Wir alle spüren den Zorn der Götter auf dieses Massaker. Wir beobachten, wie das Vaesen aus der Toten in die Leiche einer der Kämpfer, eine Schildmaid, fährt und diese sich erhebt. Die Priesterinnen nehmen wieder ihre normale Gestalt an. Die Hohepriesterin öffnet ein Portal und alle schreiten hindurch. Das Schimmern bleibt.
Erschreckt betrachten wir das Schlachtfeld und das Vaesen, welches uns den Rückweg versperrt. Wir laufen Richtung des Flirrens. Eine Eiseskälte geht von der Wächterin aus und sie holt noch einmal aus, um nach Clara zu schlagen. Doch wie durch ein Wunder verfehlt sie ihr Ziel um Haaresbreite.
Geschafft, das Portal verschluckt uns, wir fallen und landen im Zelt in der Höhle unter dem Tempel. In unserer eigenen Kleidung. Eine Stimme in unserem Kopf sagt: „Jetzt versteht ihr, sehet!“ Doch uns erschließt sich noch nicht, was wir nun mit unserem Wissen anfangen können, doch wir bekommen keine Erläuterung. Die Stimme sagt noch: Der Wächter ist, war und wird sein. Uns kommt der Gedanke: Wollten die Vanadisir nicht verhindern, dass der Winterkönig gewinnt? Doch untermauern können wir diese Idee nicht.
Wir verlassen die Höhle, es dämmert bereits. Wie lange waren wir fort? Mit Schrecken sehen wir am Hügel linker Hand ein Mädchen mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden liegen. Als wir sie umdrehen und vorsichtig wecken, erkennen wir in dem Mädchen die neue Mitarbeiterin von Frau Skytte, aus dem Café Bürger und Bäcker, Lisa Johansson. Das kann doch kein Zufall sein, oder?
Sie weiß nicht, was passiert ist. Sunna gibt ihr zu essen und zu trinken. Sie hat Angst, nun in eine Klinik eingewiesen zu werden. Da wäre man hier wohl nicht zimperlich. Sie käme oft hierher, um sich zu entspannen. Ob sie wohl das gleiche geraucht hat, wie wir eben? Clara bietet ihr an, mit uns zurück zu fahren. Auf der Rückfahrt erklärt sie uns, sie habe einen besonderen Zugang zu den Göttern. Ob sie wohl eine Auserwählte Freyas ist?
Im Schloss empfängt Algot uns vorwurfsvoll. Er gießt sich einen Schluck ein, ohne uns zu fragen, ob wir durstig sind und konfrontiert uns mit einer Holztafel: „Die Esel sollen begraben und als Dünger auf der Erde verteilt werden.“ Steht darauf. Wir fragen uns, was er uns damit sagen will und dann poltert er heraus: “Ihr habt die Krypta nicht gereinigt und Ihr müsst die Vätten beruhigen, wegen der vielen Unfälle, die passiert sind.“ Morgen will er uns alles zeigen. Dann erwähnt er noch ein Preisgeld, dass für Ingrid ausgesetzt wurde und murmelt sich noch in den Bart: “Mal wieder Zeit für eine Lehrstunde!“ Wir nehmen uns einen Schlummertrunk und gehen schlafen.
Gegen 4-5 Uhr morgens weckt mich das Geräusch von Schritten auf dem Gang. Es ist die schwarze Frau. Ich wecke die anderen und wir folgen ihr. Der freche Kollo spaziert herbei und reiht sich, wie selbstverständlich, bei uns ein. Er meint, die Vätten seien unzufrieden, die Hälfte der Leckereien gehörten ihm und dann bliebe ja zu wenig für die Vätten. Dieser dreiste kleine Kerl. Der traut sich was.
Die schwarze Dame führt uns in ein Zimmer. Uns wird mulmig zu mute, denn statt des Bodens, sehen wir in einen Schlund. Der Geist schwebt darüber hinweg zu einer zweiten Tür. Sunna wirft ein Kissen in den Raum, es wird sofort aufgesogen. Dann verändert es sein Aussehen. Ich spreche mir mit einem Gebet Mut zu und gehe an der Wand entlang. Da hören wir eine bekannte Stimme: „Seid ihr hier, um uns zu dienen? Dann stehen wir vor der zweiten Tür, der Tür zur Spiegelkammer.
Im Raum steht ein riesiger Spiegel, ein Tuch verhüllt ihn. Als alle im Raum sind, enthüllt die schwarze Dame den Spiegel. Oscar taucht im Spiegel auf, er scheint uns etwas wichtiges sagen zu wollen, doch irgend jemand zieht ihn fort. Dann bildet sich ein mit Lippenstift geschriebenes rotes HILFE darauf. Vorsichtig ertaste ich den Spiegel, er ist flüssig. Ich zögere, berate mich mit meinen Freunden und gehe hindurch.
Alles ist düster und schreckliche Geräusche, dringen an mein Ohr. Sunna folgt mir als erstes, dann Linda und Bengt. Nachdem auch Clara durch den Spiegel gegangen ist, manifestiert sich die Oberfläche und der Spiegel sieht wieder gewöhnlich aus.