14. Mai 2512, Nachts
Nach den ersten zwei Wochen in denen ich fast geglaubt hatte, das mein Leben nicht schlimmer hätte werden können, wurde es, Taal sei Dank, wieder etwas ruhiger. Wir konnten mehrere Wochen verschnaufen und sogar so etwas wie normalen Dienst der Stadtwache erledigen. Was natürlich immer noch hieß, das wir uns aus Ärger heraushielten und Geld für Rudi besorgen mussten. Die letzten Wochen haben mein Bild über die Welt und das Leben in der Stadt insbesondere sehr verändert. Verglichen mit Übersreik ist das Leben in Stumpen eine ruhige Floßfahrt auf dem Dorfteich. Ich verstehe immer noch nicht wie Menschen sich gegenseitig solche Dinge antun können. Vor allem wenn man weiß was für furchtbare Monster es überall gibt. Sollten wir nicht zusammen halten wo wir können? Das wäre schön, aber ich musste lernen, das die Welt so nicht funktioniert.
Gerwin hatte lange die Medicusgilde ausgespäht, um das Tagebuch der Vampirin zu stehlen. In den letzten Tagen hatte er immer wieder die Gilde beobachtet und heute war es so weit. Ich hätte es Gerwin gar nicht zugetraut, aber er war sehr geschickt beim Einbrechen. Er drang in die Medicusgilde ein und fand sehr schnell das Tagebuch der Vampirin. Leider war das Handbuch der Doctore Alexandra Guiliani nicht mehr da. Aber das wichtigste war geschafft. So lautlos wie er kam, verschwand er auch wieder.
15. Mai 2512, Morgens
Alanus und ich hatten beschlossen Gino mal wieder etwas zu Essen zu bringen. Aus irgend einem Grund mochte der Oger die widerliche Grütze die in der Kaserne serviert wurde. Wir brachten ihm einen ganzen Kessel, was Gino freute. Auf dem Rückweg wollte Alanus den Postmeister Gustav Schtupp im Brückenhaus besuchen. Stimmt ja, er ist ja eigentlich ein Botenläufer. Da macht es schon Sinn sich über die Zeit nach der Wache Gedanken zu machen. Der Postmeister ist jedoch eine Enttäuschung. Er hat kaum etwas Sinnvolles zu berichten. Und noch mehr: Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen das er die Siegel der Briefe umgeht. Er liest also die Nachrichten. Eigentlich sollte mich das kaum wundern. Es ist eben Übersreik…
Danach gingen wir noch beim Brückenhaus vorbei. Dort tuschelten die Leute im Gastraum. Wir hörten uns um und scheinbar war jemand getötet worden. Der Wirt wollte uns jedoch nichts sagen. „Befehl von ganz oben“. Na, das hörte sich aber nicht gut an.
Während wir beim Postmeister waren, machte sich Konrad auf den Weg zu Hauptfrau Andrea von Pfeffer, um ihr einen Bericht über Trudi Schreiber abzuliefern. Wir konnten beim besten Willen nichts finden, was Trudi mit üblen Machenschaften in Verbindung bringt. Das interessierte sie aber kaum. Statt dessen hatte sie einen neuen Auftrag für uns. Wir sollten alles andere stehen und liegen lassen und uns statt dessen sofort zu Burg Schwarzfels aufmachen und uns direkt bei Baronin von Nacht vorstellen.
Konrad überbrachte uns die Neuigkeit und wir brachen sofort auf. Am genannten Tor der Burg wartete ein Feldwebel auf uns und führte uns hinein, wo wir einem Diener übergeben wurden. Die Pracht und verschwenderische Zurschaustellung von Luxus in der Burg hinterließ bei mir einen bitteren Geschmack. Nur zu gut erinnerte ich mich an die hungernden in Speichelfeld und der Hafengegend um Dunkelfeucht.
In einem Vorraum postierte uns der Diener auf ein paar Stühlen und wir warteten. Mit einem Mal kam ein Feldwebel aus dem Zimmer der Baronin. Wir kannten ihn sogar, es war Orban Geldrecht. Und er weinte. Ganz offen. Irgendetwas Schlimmes musste passiert sein. Er verließ schnell den Raum und der Diener rief uns hinein. Uns war etwas mulmig zumute als wir das Zimmer betraten. Drinnen wartete die Baronin Emmanuelle von Nacht. Und bei Taal. Sie war riesig, über zwei Meter groß. In kostbare Kleider mit Edelsteinen gehüllt, die mehr kosteten als wir in zehn Jahren verdienen konnten.
Sie tat sehr nett, aber ich hatte gelernt, wie falsch dieser Eindruck sein konnte. Nachdem sie uns mit Tee und Gebäck versorgt hatte, kam sie auch schnell zur Sache. Es hatte einen Mord gegeben. Ein Korporal war im Magnusturm getötet worden. Jemand hatte ihn angeblich durch sein Fenster erschossen. Es handelte sich um Tilo Bärmarder, den wir bereits in der Kaserne kennengelernt hatten.
Sie bot uns eine großzügige Belohnung von 10 Goldkronen pro Kopf an, wenn wir herausfinden würden wer Tilo ermordet hatte und seinen Mörder auch überführten. Doch egal wie viel Geld es auch war – mehr als ich jemals im Leben gesehen hatte – viel wichtiger waren die Papiere auf ihrem Tisch. Sie brauchte sie nur zu unterschreiben uns unser Dienst in der Stadtwache wäre vorbei. Das war die eigentliche Belohnung!
Ich konnte es kaum glauben. Sollte es endlich einen Weg geben, aus dem Dienst der Wache zu kommen? Mit Fürsprache der Baronin standen die Chancen gut. Vorausgesetzt es gelänge uns den Mord aufzuklären. Und falls die Baronin zu ihrem Wort stand. Ich hatte es auf die harte Tour lernen müssen wie die Dinge in Übersreik standen und so blieb eine Spur Misstrauen.
So machen wir uns auf den Weg zum Morrsfeld, wo der Leichnam Bärmarders aufgebahrt sein sollte. Wir passierten die Stelle wo wir vor Wochen dem Dämon in Gestalt des Henkers begegnet waren und uns überlief ein schrecklcher Schauer. Er war noch dort draußen.
In der Kapelle Morrs fragten wir nach Bärmarder und Shadrach Bürke, ein Hohepriester des Moor, führte uns in die Katakomben. Ich untersuchte den Körper. Tilo hatte ein großes Loch in der Brust, das durch seinen ganzen Körper führte. Etwas hatte ihn komplett durchschlagen. Laut den Aussagen, war aber kein Blut zu sehen gewesen. Die Wunde war kauterisiert, also musste es etwas sehr, sehr heißes gewesen sein. Oder Magie?
Im Anschluss wollten wir mit Orban sprechen. Er war ein guter Freund von Tilo und wusste vielleicht mehr über die Umstände seines Todes. Also mischten wir uns unter die Trauernden. Viele Menschen waren dort, selbst Heske Glazner. Sie berichtete das Tilo sich mit Christoph Engel, dem Zauberer, angelegt haben soll. Das war interessant. Also hörten wir uns weiter um. Tilo war recht beliebt, aber er hatte auch seine Schattenseiten. Er trank viel und hat auch schon mal jemanden zusammen schlagen lassen. Außerdem hatte er ein Zimmer im 2 Stock des Brückenhauses. Deswegen war der Wirt wohl so merkwürdig gewesen.
Als wir am Brückenhaus ankommen sehen wir grade noch wie eine Kutsche mit der Frau Hagedorn wegfährt.
Wie erwartet will uns Gunther Abend, der Gastwirt, immer noch nicht ins das Zimmer lassen und scheucht uns raus. Draußen sieht Alanus eine Frau die uns halb verborgen beobachtet und blitzschnell verschwindet. Was hat das alles zu bedeutet. Als wir noch rätseln, sehen wir Orban mit einigen Soldaten herankommen. Er spricht uns an und wir erklären, das wir den Mord aufklären wollen. Daraufhin bietet er seine Hilfe an und so kommen wir doch noch in Tilos Zimmer.
Überraschend ist es sehr gut ausgestattet, fast verschwenderisch. Viel zu teuer für einen einfachen Korporal. In einer Truhe finden wir Geld und Pergamente. Darauf sind Listen und Zahlen zu sehen. Im Schreibtisch sind mehrere versiegelte und staubige Briefe, die wir einstecken. Leider kann niemand von uns lesen. Cordelia könnte uns helfen zu verstehen was da drin steht.
Wir fragten Orban ob er uns Zugang zum Magnusturm verschaffen kann und er wollte es versuchen.
Bei Cordelia angekommen, erzählt sie mir das sie mit Christoph Engels über mich gesprochen hat. Außerdem hat er eine Nachricht für Frau Hagedorn, auch eine Zauberin, die ich ihr überbringen soll. Sie soll die Stadt nicht verlassen. Zu spät, wir haben eben erst ihre Kutsche wegfahren sehen.
Christoph Engels befand sich laut Cordelia auf einem Konvent in Altdorf, an dem alle magischen Orden teilnahmen. Bei dieser Versammlung ging es anscheinend um einen Mann mit Namen Constant Drachenfels, die Geißel des Imperiums. Wer war das denn nun wieder?
Sie erzählt uns das er vor 300 Jahren einen Sphärenriss in das Chaosreich öffnete, aus dem Dämonen und Chaoskreaturen herauskamen und Tod und Asche über das Reikland brachten. Viele Menschen starben damals und dieser Constant Drachenfels soll das angerichtet haben.
Aber zumindest liest sie uns noch die Briefe und die Listen vor. Die Listen sind ein Kassenbuch mit Einnahmen. Die Briefe sind von hochrangigen Frauen aus dem ganzen Imperium. Und es sind Liebesbriefe. Tilo Bärmarder hat sich von diesen Frauen aushalten lassen? Zwei Initialen kommen immer wieder vor. AU und UF. Außerdem hat Tilo wöchentlich einen Brief aus Altdorf erhalten, der immer mit M signiert war.