Der Mondturm 3 – Im Inneren des Turms

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Freitag, der 13. Tag des VIII. Monats im Jahre 888 nG. Damit der mutmaßliche Werwolf Kasimir Wert in der kommenden Vollmondnacht außer Gefecht gesetzt bleibt, besorgen wir ihm aus dem „Stumpen“ drei Flaschen voll hochprozentigem Schnaps. Auf diese Weise versorgt lassen wir den trunksüchtigen Mann, der sich wie ein Häuflein Elend zusammengekauert hat, in seinem Schuppen zurück.

Wilbur und Krätze suchen die alte Dame mit dem langen Ohr auf, um ihr noch ein paar Informationen über die tote Delina und Kasimir Wert zu entlocken. Unter dem Glanz von Wilbur Weinbergers Hilfswachtmeisterabzeichens lockert sich die Zunge der Alten noch ein bisschen mehr als es bei Krätze allein der Fall gewesen ist. Sie erklärt, dass sich sehr viele Dörfler um Delina gekümmert haben, nachdem diese erst ein Fehlgeburt erlitten und danach noch ihren Mann verloren hatte. Von einem möglichen Liebhaber weiß die Frau nichts. Sie verweist darauf, dass das Trauerjahr für Delina auch noch nicht abgelaufen war. Außerdem berichtet die interessierte Nachbarin, dass die Leute aus Karbunkel eine Wolfshatz planen, um das mörderische Biest zur Strecke zu bringen. Wilbur nickt und erklärt, dass sie ihm gern im „Stumpen“ eine Botschaft hinterlassen kann, falls ihr noch weitere Details einfallen.

Wir treffen uns im „Stumpen“ und nehmen an einem der Nebentische platz. Wilbur meint, dass es noch einen zweiten Werwolf gegen muss, wenn Wert Delina nicht getötet hat. Wahrscheinlich das selbe Wesen, das Kasimir Wert zum Werwolf machte. Dann wechseln wir das Thema und sprechen über den Elfenturm, der in der heutigen Vollmondnacht den Gipfelpunkt seiner „Hierundjetztigkeit“ erreichen wird. Wir beschließen, um 22:00 Uhr zur Bitterheide aufzubrechen und vorher noch etwas zu ruhen. Den Wirt bitten wir, uns um 21:00 Uhr zu wecken. Der Mann warnt uns davor, dem Turm zu nahe zu kommen.
Es seien schon genug Reisende in Vollmondnächten verschwunden, weshalb kein Karbunkeler sich heute vor die Tür wagen wird, murmelt der Wirt. Wir nicken und hauen uns aufs Ohr.

Nachdem der Wirt uns geweckt und uns eine kleine Brotzeit dargereicht hat, verlassen wir das Gasthaus. Die Dämmerung sich über Karbunkel herabgesenkt, das Dorf liegt still und ruhig dar. Wilbur schlägt vor, dass wir möglichst viele Haustüren und -klinken mit Steinen oder Stöckchen markieren. So könnten wir feststellen, wer in der heutigen Nacht sonst noch unterwegs gewesen ist, falls es ein weiteres Werwolfsopfer gegeben sollte. Rasch machen wir uns ans Werk. Krätze und ich werden leider von den Hauseigentümern ertappt. Der Goblin löst dieses Missgeschick mit einem heftigen, aber nicht tödlichen magischen Blitz, der den Mann zurück in sein Haus schmettert. Ich hingegen werde durch ein offenes Fenster angesprochen und mime überzeugen den Betrunkenen, der den Rückweg zum „Stumpen“ sucht. Nachdem wir so viele Türen wie möglich markiert haben, brechen wir zur Bitterheide auf.
Krätze spürt, dass die ganze Nachtluft um uns herum vor Magie kribbelt. Irgendwann geht der vollem Mond auf. Wie von weiter Ferne hören wir das Rauschen von Wasser, Marktschreier, die Fisch anpreisen und das Schlagen einer Bronzeglocke. Dann beginnt der Turm sich zu materialisieren. Erst bleibt er durchscheinend und blass, doch nach und nach wird er immer stofflicher, bis er als sacht schimmerndes Bauwerk vor uns steht.
Als wir uns annähern überkommt Wilbur, Krätze und mich das Gefühl, dass wir beobachtet werden. Doch es ist niemand zu erkennen. Könnte sich jemand unter den Bäumen am Waldsaum verbergen? Angespannt gehen wir weiter auf den Turm zu.
Wie schon in der vorherigen Nacht öffnet sich auf der einen Seite des Elfenturms eine Art Torbogen auf, der mit einer wabernden Dunkelheit gefüllt ist. Krätze und Wilbur wirken arkane Rüstung und Eichenhaut, dann betreten wir das Innere des mysteriösen Bauwerkes. Wir gelangen in einen runden Raum von 10 Metern Durchmesser und drei Metern Höhe. Oben in der Decke befindet sich eine Öffnung, die ebenfalls mit sacht wogende Düsternis gefüllt ist. Doch das blaue Licht, welches das Erdgeschoss des Turms erfüllt, scheint aus dem Raum über uns zu stammen und durch die verdunkelte Öffnung zu uns hindurch zu leuchten. Die Wände sind glatt und weiß. Das einzige Objekt hier ist eine absonderlich gewundene Treppe, die vom granitenen Boden in wilden Böden hinauf zum Durchgang in der Decke führt. Sie besteht aus einer metallischen Legierung, die ich nicht zuordnen kann. Wir steigen die Treppe empor, ich gehe voran.
Der Raum über uns verfügt über die gleiche Größe, doch hier stoßen wir auf die Quelle des blauen Lichtes: Ein steinerner Obelisk, der von einer tiefblauen Feuersäule umschlossen ist. Dieses magische Feuer brennt mit kalten Flammen, durch die hindurch elfische Schriftzeichen auf dem Obelisken erkennbar sind. Zudem gibt es hier rautenförmige Fenster, die mit Kristall verschlossen sind. Neugierig wagt sich Krätze näher an die Säule, um die Schriftzeichen zu lesen. Als er den Obelisken berührt, ist der Goblin auf einmal verschwunden. Rasch entziffere ich die Elfenschrift mit einer Runenmagie und stelle fest, dass es sich um einen Reisezauber handelt, der durch Berührung aktiviert wird. Entschlossen folgen Wilbur, ich und dann Melina unserem Weggefährten.
Wir gelangen in eine weitere Kammer, die erneut die gleichen Ausmaße hat, in seiner sonstigen Erscheinung aber im starken Kontrast zu den anderen Räumen steht. Der Boden hier ist sumpfig und dicht an dicht mit Pilzen bedeckt. Selbst die Wände sind bis zur halben Höhe mit diesen Gewächsen überwuchert. In der Raummitte erhebt sich ein riesiger Pilz mit einer roten Kappe. Es riecht muffig und erdig und wir sind nicht allein hier.
Denn vor dem Riesenpilz hockt eine zwei Meter große, bizarre Gestalt. Ihr aufgeblähter, verwachsender Körper wirkt ebenfalls fungusartig: Arme und Beine sind plumpe Auswüchse eines feisten Pilzstammes, in dem unmenschliche Gesicht öffnet sich ein Maul wie ein langgezogener Schlitz unter einer knolligen Nase. Die Augen der Kreatur sind winzig, weshalb sie uns vielleicht noch nicht bemerkt hat. Über ihrer Visage breitet sich, mehr als Teil ihres Schädels als eine Kopfbedeckung, eine gewaltige Pilzkappe aus. Sie ist wurmstichig, zerfressen und glänzt feucht. Die Kreatur hockt auf einem Haufen dunkler Erde, durch den armdicke, weißliche Milben hindurch kriechen. Derartige Wesen sind mir schon bekannt. Mein Volk kennt sie als Schimmelkolosse, intelligente Parasiten, die sich von jedweder organischen Materie ernähren …
Krätze hat schon versucht, die Kreatur auf Goblinisch anzusprechen, doch sie ist zu sehr in der Anbetung des Riesenpilzes vor ihr versunken. Also schleichen wir an ihr vorbei und betreten durch eine mit Schatten ausgefüllte Seitentür den nächsten Raum.
Hier empfängt uns nachtschwarze Dunkelheit. Als Krätze eine Laterne entzündet, stellen wir fest, dass die Mitte des Raumes von langen Stoffbahnen, die von der Decke herabhängen, verhüllt wird. Der Boden ist wieder aus Stein, auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine weitere Tür. In den Wänden sind außerdem vier Fenster in Rautenform eingelassen. Krätze geht zu einem der Fenster und blickt hindurch. Der milchige Kristall wird durchscheinend und er sieht eine belebte Straßenkreuzung in der Stadt Kreuzing vor sich, die sich in der Nähe des Hauptquartiers der Braunröcke befindet. Zahlreiche Passanten strömen die Kreuzung entlang, doch in deren Mitte steht still eine einzelne Person. Es handelt sich um einen Wechselbalg in seiner wahren, pflanzenähnlichen Gestalt. Er dreht den Kopf in Krätzes Richtung, wirft dem Goblin einen flehenden Blick zu. Langsam hebt der Wechselbalg den Finger und legt ihn zitternd an seine Lippen. Krätze befällt das Gefühl, beobachtet zu werden und in großer Gefahr zu schweben. Erschrocken prallt er vom Fenster zurück und erzählt uns, was er gesehen hat. Wilbur blickt durch ein anderes Kristallfenster und sieht vom Ufer des Düsterwassers auf Kreuzing. Doch es handelt sich nicht um die moderne Stadt, aus der wir vor drei Tagen aufgebrochen sind. Die Bauwerke erinnern an die antiken Ruinen, auf denen „unser“ Kreuzing errichtet worden ist und die Menschen tragen Tuniken aus vergangenen Epochen. Wilbur erspäht eine kleine, elfenartige Gestalt, die aus einer Mauer einen Stein hervorzieht. Sie verbirgt etwas in dem Loch und verschließt es wieder mit dem Stein. Dann verschwindet sie mit einem schalkhaften Lachen um die nächste Ecke.
Wir nehmen auch die dünnen Stoffbahnen in Augenschein. Dahinter befindet sich eine Gestalt. Sie reckt einen Arm zur Decke empor und irgendwie scheint sie sich sacht zu bewegen. Es handelt sich um die Statue eines nackten Elfen, um deren steinernen Leib sich zwei eigenartige Schlagen winden. Die Tiere haben an ihren beiden Enden Köpfe und gleiten züngelt über das Standbild. Von solchen Schlangen hat Wilbur bereits Kenntnis erworben. Ihr Name fällt ihm gerade nicht ein, doch er weiß, dass sie in der Wüste jenseits der Kreuzfahrerburgen leben und von magischen Orten angezogen werden. Krätze wirkt den Zauber „Arkane Sicht“ auf die Statue und stellt fest, dass auch sie mit einem Zauber belegt worden ist, der durch Berührung ausgelöst wird. Außerdem nimmt der Goblin wahr, dass sich die Teleportationsmagie des Turms im Widerstreit mit einer anderen Kraft befindet, die sich von der Magie ernährt und sie dadurch schwächt.
Krätze vermutet, dass der Turm einst in unserer Welt erbaut worden ist. Dann wurde etwas in ihm eingeschlossen und der Turm magisch entrückt, damit dieses etwas von der Welt ferngehalten werden kann. Doch weil die Magie nach und nach aufgefressen wird, erscheint und verschwindet der Elfenturm bei Vollmond immer wieder. Wenn die Magie eines Tages endgültig aufgezehrt ist, wird sich der Turm dauerhaft wieder in der Bitterheide materialisieren. Wir lassen die Statue Statue sein und erkunden den nächsten Raum. Dieser misst 10 Meter im Durchmesser und 10 Meter in der Höhe. Drei spiralförmige Treppen führen vom Boden zu drei schwebenden Türen. Auf einer der Türen ist das Symbol eines Auges eingraviert, eine weitere Tür schmückt ein androgyner Elf. Die dritte Tür ist hingegen vollständig glatt. Außerdem befindet sich hier noch ein kleines Podest, auf dem eine Steintafel ruht. Melina betrachtet die Tafel und sieht, dass sie mit menschlichen Schriftzeichen beschrieben ist, die sich gerade in die bizarren Symbole der Dunklen Sprache verwandeln. Als ich mir die Tafel ansehe, erkenne ich zwergische Runen. Sie verkünden das baldige Ende der Welt, das in Kürze mit furchtbarem Schrecken über uns alle hereinbrechen wird. Voller Grauen weiche ich von der Tafel zurück. Doch als Wilbur sich die Tafel ansieht, steht dort für ihn eine Zauberformel. Als er sie ausspricht, beschwört er damit ein Portal herauf, das eine helle und eine dunkle Seite hat. Vorsichtig wirft Melina ein Stöckchen durch die helle Seite des Portal, es verschwindet. Auch ihr Seil kann sie durch das Portal hindurch lassen und wieder zurückziehen. Das selbe gelingt ihr auch durch die dunkle Seite des Portals. Wilbur entscheidet per Münzwurf, dass er einen Blick durch die dunkle Seite werfen will. Zur Absicherung halten wir uns gegenseitig an den Händen fest, dann tritt Wilbur durch das Portal. Melina spürt einen heftigen Ruck und wird nach vorne gerissen. Es gelingt mir, sie festzuhalten, doch der Halbling entgleitet ihrem Griff. Wilbur ist durch das Portal an der Außenwand des Turmes getreten und sieben Meter in die Tiefe gestürzt. Gut, dass ihn seine Eichenhaut vor schlimmeren Schaden bewahrt hat! Besorgt steckt Melina den Kopf durch das Portal, während ich sie gut festhalte. Sie erkundigt sich nach Wilbur, der die Erkundung des Turms auf jeden Fall fortsetzen möchte. Wer weiß, welches Wissen und welche Schätze es hier noch einzuheimsen gibt?! Das Portal beginnt sich zu schließen, doch Krätze kann ein neues beschwören, durch das wir Wilbur das Seil zuwerfen können.
Rasch klettert der Halbling wieder zu uns hinauf, bereit, sich den weiteren Geheimnissen des Elfenturms zu stellen.

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