Mittwoch, der 11. Tag des VII. Monats im Jahre 888 nG — Tief unter dem Alten Wald beratschlagen wir, in welchen Teil des unterirdischen Elfenschreins wir als nächstes vorwagen sollen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wir stellen uns der Statue, die schon einen Freund meiner neuen Bekannten erschlagen hat oder wir erkunden die gewaltige Höhle, die sich jenseits eines Balkons erstreckt.
Diese Kaverne scheint natürlichen Ursprungs zu sein. Ihr Grund liegt 10 Meter unter uns und ist mit Felsbrocken bedeckt, aber auch Knochen kann ich von der Galerie aus erspähen. Zudem liegt ein muffiger Geruch nach Kot in der abgestandenen Luft. Anscheinend haust ein Tier dort unten, vielleicht auch Schimmers. Krätze kann noch immer eine Quelle magischer Macht in der Nähe spüren. Der Goblin ist sich aber sicher, dass sich diese nicht in der Höhle befindet.
Nach kurzer Diskussion beschließen wir den Kampf mit der Staute aufzunehmen. Ich reiche meine Pistole an Melina weiter. Sie soll versuchen, der Statue die Goldmünze mit dem Auge darauf aus der Hand zu schießen, damit keiner von uns unter den Bann der steinernen Wächterin gerät. Krätze beschwört seine Armbrust herbei, meine Aufgabe wird es sein, die steinerne Wächterin im Nahkampf an mich zu binden.
Tatsächlich gelingt es Melina der Statue mit dem zweiten Versuch die Münze aus der Hand zu schießen. Mit schwerem Schritt setzt sie sich in Bewegung und kommt auf uns zu. Auf Krätzes Geheiß materialisieren sich eiserne Krähenfüße auf dem Gang vor der Statue. Sie wird dadurch zwar nicht gestoppt, aber verlangsamt. Wilbur stellt sich hinter mich, um mich mit seinen Heilzaubern zu unterstützen. Die steinerne Elfe hat den ersten Hieb und was soll ich sagen? Sie trifft mich zwar ordentlich, doch nun bin ich am Zuge. Mit zwei Schlägen meines zaubergebundenen Kriegshammers zerbreche ich die Wächterin.
Melina eilt flink an uns vor bei und klaubt die Goldmünze auf, die sie der Statue aus der Hand geschossen hat. Dabei fällt ihr ein kränklicher, scharlachroter Schein auf, der aus dem Abgang hinter dem verlassenen Standort der Wächterin hervorschimmert. Sie ruft nach Krätze, während Wilbur meine Verletzungen heilt.
Der Abgang führt in einen Raum von dessen Boden, Decke und Wänden uns zahlreiche Augäpfel anstarren, die dort in steinernen Vertiefungen hocken. Sie rollen in ihren Halterungen hin und her, wodurch die Kammer sich in ständiger Bewegung zu befinden scheint. Melina erschrickt sich vor diesem bizarren Anblick und ihr entfährt ein spitzer Schrei. Wilbur und Krätze können aus den Tiefen des Schreins ein keckerndes, böses Lachen hören. Dazu gesellt sich der langgezogene Klang eines Signalhorns, der aus der Richtung der Kaverne zu kommen scheint. Verdammt, wir sind hier noch nicht allein …
Melina verliert kurz die Nerven und versucht abzuhauen. Doch Wilbur bringt sie zur Vernunft; wir müssen jetzt zusammenbleiben. Krätze schleicht sich in den Raum mit den Augen hinein. Er versucht eine Treppe zu erreichen, die aus der Kammer der Augen zu der Quelle des rötlichen Lichtes zu führen scheint.
Plötzlich erheben sich ein paar Augäpfel aus ihren Vertiefungen und staksen auf dünnen, roten Tentakeln auf ihn zu. Es gelingt dem Goblin noch, seine Armbrust herbei zu zaubern, doch dann attackieren ihn die Augen. Sie starren ihn an und scheinen ihm irgendwie Schmerzen zuzufügen. Krätze wankt zwischen den Augäpfeln hin und her, bis er zusammenbricht. Wilbur eilt ihm zur Hilfe. Während der Halbling den reglosen Gefährten aus dem Raum zurück in den Gang trägt, greifen Melina und ich die Augen an. Doch die kleinen Biester sind agil und schwer zu treffen. Reißender Kopfschmerz durchzuckt Melina und mich, doch es gelingt uns nach und nach, die flitzenden Augen zu erschlagen.
Danach müssen wir uns erst wieder sammeln. Im sicheren Gang verteilt Wilbur Heiltränke an uns. Auch Krätze hat er wieder auf die Beine gebracht. Erneut wagen wir und in die Kammer der Augen vor. Dieses Mal erreichen wir die Treppe ohne von den gruseligen Dingern angegriffen zu werden. Beunruhigt frage ich mich, wo all diese Augen herstammen und was mit den Leuten passiert ist, in deren Schädeln sie einst saßen…
Die Treppe führt ein kleines Stück abwärts. Sie mündet in einem Raum mit rechteckiger Grundfläche. In ihm befindet sich eine Sammlung von 16 Statuen, die aber keine Elfen darstellen sondern abscheulich verdrehte, mutierte Menschen. Sie stehen an den Wänden verteilt und halten alle goldene Schalen vor sich ausgestreckt. Aus dreien dieser Schalen leuchtet das kränkliche, scharlachrote Licht.
Wilbur bemerkt, dass sich die Schatten hinter den Statuen zu bewegen scheinen, obwohl das Licht aus den Schalen – anders als Feuerschein – nicht flackert. Wir betreten wachsam die Kammer, doch nichts geschieht. Krätze klettert auf eine der Statuen und findet in ihrer Goldschale einen Juwelensplitter, welcher das Scharlachlicht verströmt.
Dieser Splitter – und zwei weitere – sind der Ursprung der potenten Magie, die meine neuen Bekannten hier herunter geführt hat, die legendären Scherben des Chaos.
Bevor noch irgendjemand einen Einwand äußern kann, verschluckt Krätze den Juwelensplitter, als wäre er eine süße Beere. Die Magie der Scherbe fließt durch seinen grünen Körper und verbindet sich mit seiner eigenen Zauberkraft.
Plötzlich wallen die Schatten jenseits der Statuen auf und kleine Dämonen mit Hörnern und glühenden Augen durchbrechen den Schleier.
„Gebt euch Rückendeckung!“, ruft Wilbur noch schnell, schon ist der Kampf gegen die Dämonen im vollen Gange. Die finsteren Kreaturen fallen aus dem Schatten heraus über uns her, ihre Attacken schmerzen wie brennendes Eis. Immer wieder verschmelzen die Dämonen mit der Dunkelheit, um uns erneut anzugreifen. Doch wir setzen uns tapfer zur Wehr und versuchen, immer den gleichen Dämon zu attackieren. Zwar sind sie beängstigende Gegner, doch nicht unverwundbar. Es gelingt uns, die Dämonen zu erschlagen, deren Körper dann sofort zerfallen und verrotten. Schließlich zerplatz der letzte Dämon durch einen magischen Pfeil von Krätze. Die Schatten hören auf sich zu bewegen. Der Kampf ist vorbei. Während Wilbur und Krätze je eine der verbleibenden Chaosscherben einsammeln, lausche ich in die Dunkelheit hinein. Ich habe den Klang des Horns nicht vergessen. Wer oder was mag hier unten sonst noch auf der Lauer liegen?