Thurim Sohn des Thulmar – Lektion in Rache

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Die junge Frau kam lachend und mit vor Freude gerötetem Gesicht in die Ecke getaumelt. Ihr Tanzpartner hatte sie herumgewirbelt und der Schwung trug sie herüber. Fröhliche Musik erfüllte den Schankraum und ausgelassene Menschen feierten. Stolpernd stützte sie die Arme auf den Tisch in der Ecke des Raums um sich abzufangen. Der einsame Gast der dort saß fixierte sie finster und ihre heitere Miene bekam einen erschrockenen Ausdruck.

„Verschwinde“, knurrte Thurim. Ihm war nicht nach feiern, schon seit vielen Jahren nicht mehr. Die junge Frau entfernte sich schnell und sprang ihrem Partner wieder in die Arme der sie hochhob und zur Musik herumwirbelte.

Thurim nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug und sah ihnen mit zusammengekniffenen Augen nach. Er war ein Narr gewesen nach Thal zu gehen. Natürlich wurde auch hier gefeiert. Sogar noch mehr als im Erebor. Es gab viel mehr Menschen als Zwerge und sie vermehrten sich auch noch wie die Karnickel.

Er hob den leeren Krug in die Luft und gab dem Wirt ein Zeichen. „Bier“, brüllte er. „Bring mehr!“ Dann knallte er den Krug mit einem Krachen auf dem Tisch. Ja, ein Narr war er gewesen hierher zu kommen. Die Menschen zu laut, das Bier zu dünn.

Und doch hatte er die feiernden Zwerge im Erebor nicht ertragen können. Natürlich hatten sie allen Grund dazu. Vor fünf Jahren wurde der Erebor befreit. Der Drache Smaug getötet und die Zwerge hatten ihr angestammtes Königreich wieder in Besitz nehmen können. Selbst die Menschen kamen zurück in die aufgegebene Stadt Thal.

Aber zu welchem Preis? Bei der Schlacht der fünf Heere, wie einige es mittlerweile nannten, starben so viele. Und es gab schon vorher so wenige Erebor Zwerge.

Als Smaug damals den Einsamen Berg eroberte und die Zwerge vertrieb kamen bereits unzählige ums Leben. Bei der darauf folgenden Wanderung wurden sie immer wieder von marodierenden Orkbanden überfallen. Niemand wollte sie aufnehmen. Keine Stadt der Menschen wollte oder konnte so viele in ihre Mauern lassen. Und die anderen Zwergenreiche? Auch sie taten nichts! Keine Hilfe um den Erebor zurückzuerobern.

Also teilte sich das Volk auf. Wurde zerrissen und fand hier und dort vielleicht sogar Heimat. Aber ihre Heimat war verloren gewesen.

Der Wirt tauchte auf und stellte einen weiteren Krug mit Bier auf den Tisch. Er blickte Thurim finster an, der wortlos nach dem Krug griff und dem Wirt eine Münze zuwarf, bevor er dem Wirt mit einer Handbewegung zu verstehen gab, das er verschwinden sollte.

Auch Thurims Familie war gezwungen gewesen sich anzupassen. Nicht alle hatten Smaug überlebt und die nachfolgenden Angriffe der Orks während der Reise ebenfalls nicht. Sie waren in die Eisenberge geflohen. Die Zwerge dort hatten sie aufgenommen. Aber sie waren immer die Zwerge gewesen, die ihre Heimat nicht verteidigen konnten und verloren hatten. Mitleidige Blicke oder gar Häme.

Als dann der Ruf kam, das der Drache tot sei und der jungen Prinz das Königsjuwel wieder sein Eigen nannte, sowie eine Orkarmee sich daran machte den Erebor zu erobern, da griffen auf einmal die alten Schwüre wieder. Thurim schnaubte und nahm einen weiteren Schluck des dünnen Bieres.

Aber immerhin, die Eisenzwerge schickten eine Armee. Und alle aus Thurims Familie schlossen sich ihr an. Und starben. Die Orks brachten sie alle um. Bis auf ihn. Und so blieb Thurim nichts. Alleine in einem Königreich dessen Mitglieder er nicht kannte. Jahrzehntelang waren die Ereborzwerge Versprengte gewesen, nun sollten sie wieder ein Volk sein. Es war nicht einfach, doch die meisten gewöhnten sich wieder ein.

Nicht Thurim. Er hatte alles und jeden verloren. Wenn er durch die Hallen und Gänge Erebors ging fühlte er nur Leere. Fast sein ganzes Leben hatte er sich danach gesehnt wieder hier zu sein und jetzt war er hier fremd. Er sah in Gesichter, freundliche Gesichter sogar, doch sie waren wie durch eine Mauer von ihm getrennt.

Er fing an durch die Umgebung des Berges zu streifen. Traf auf Orks die leichte Beute witterten. Jeder einzeln fiel unter seiner Axt und es fühlte sich gut an.  Thurim schrie die Namen seiner toten Brüder, seiner Eltern und seiner Frau als er sie tötete und für diesen winzigen Augenblick war es als wären sie an seiner Seite. Dann wich das Gefühl und Thurim war wieder allein. Nur die Gewissheit blieb, dass sie fort waren. Ihm genommen worden waren von Orks. Er ballte die Faust um den Krug bis seine Knöchel weiß hervortraten.

Dann verklang die fröhliche Musik und er hörte erschöpfte Stimmen und Schnaufen. Eine neue Melodie erklang. Wo die vorherige schnell, fröhlich und beinahe wild war, klang die neue langsam und fast melancholisch. Der Barde sang dazu. Thurim erkannte die Melodie, auch wenn der Text neu war, von Menschen dazu gedichtet. Es war ein altes Zwergenlied und er kannte es aus seiner Kindheit. Unbewusst begann er leise die alten Worte mitzusingen und fühlte wie sich in seiner Brust etwas verkrampfte.

Als das Lied beendet war verließ Thurim das Gasthaus. Er musste hier weg. Zu viele Erinnerungen, zu viele verlorene Gesichter. Er würde dorthin gehen wo es Orks gab.

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