Briefe in die Heimat: Landratten

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15. Mai 2512, Übersreik, Reikland

Liebe Hildrun,

vorab: mir geht es gut. Viel hat sich an unserer Situation nicht geändert, aber wir haben jetzt einen Spezialauftrag einer hohen Dame, der uns vielleicht endlich von diesem Dienst befreit.

Dafür hatten wir der Glasbildnerin Heske Glazner einen Besuch abgestattet, die uns mit einigem Informationen versorgt hatte. Sie ist offensichtlich mehr als eine Glasbildnerin. Gerwin hatte es ja nicht unterlassen können, diese vermaledeite Statue einzupacken. Ich hatte ihm abgeraten. Was, wenn man uns damit erwischte? Das Ding wäre besser in der Lagerhalle verbrannt. Heske sah das Ding mit einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit an und riet uns, es sehr schnell loszuwerden.

Die Statue einfach in den Teufel zu werfen hielt sie für keine adäquate Entsorgungsmethode konnte der verderbte Einfluss sich doch negativ auf den Fluss auswirken. Wir brauchten eine bessere Idee. Gerwin brauchte eine bessere Idee.

Wir machten uns nach diesem Besuch wieder auf den Weg zurück zur Kaserne. Am nächsten Tag wollten wir frühzeitig bei der Baronin von Nacht vorsprechen um eine Erlaubnis zum Verlassen der Stadt zu bekommen.

Auf dem Weg zur Kaserne fiel mir eine Person auf den Dächern über uns auf, die uns verfolgte. Ich informierte leise die anderen und Gerwin stahl sich sogleich davon, um die Person zu verfolgen. Leider konnte Gerwin sie nicht stellen, aber zumindest war sie aufgeflogen und folgte uns nicht mehr.

Wir anderen verblieben in der Kaserne während Gerwin sich noch einmal auf den Weg machte. Wir hatten überlegt, dass wir die Statue am besten Profis überlassen: dem Sigmar-Tempel. Das sollte selbstverständlich möglichst unauffällig vonstattengehen, weshalb Gerwin in der Nacht alleine loszog. Er schaffte es, die Statue vor dem großen Sigmar-Tempel in einer Tasche abzulegen und unerkannt zu entkommen.

16. Mai 2512, Übersreik, Reikland

Wir hatten alle sehr schlecht geschlafen, machten uns aber doch frühzeitig auf den Weg zur Baronin von Nacht. Hier ließ man uns noch eine geraume Weile warten bis wir vorsprechen durften. Wir berichteten über unsere Fortschritte und erhielten die Erlaubnis, die Stadt zu verlassen um im Astrolabium des Himmelsordens nach Hinweise zu suchen.

Wir sollten uns im Hafen auf einem Flussboot melden, dass uns zum Grausee fahren sollte und von dort musste es zu Fuß weitergehen. Zehn Tage hatten wir dafür Zeit.

Auf dem Weg zum Hafen machten wir noch auf dem Markt halt. Die Baronin hatte uns einen kleinen Geldbetrag zur Verfügung gestellt, mit der Gerwin seine Ausrüstung verbesserte. Am Hafen fragten wir uns dann zum Boot mit Namen Trandafir durch. Es handelte sich um einen etwas heruntergekommenen Kahn dessen Besatzung aus Strigani bestand. Ich hatte von ihnen gehört, man erzählt nicht viel Gutes über sie. Ich kann aber nichts Schlechtes über sie sagen.

Der Kapitän hieß Reiko, war aber noch nicht anwesend. Empfangen wurden wir von einem jungen, schnöseligem und übereifrigen Mann namens Rutger Reuter. Er entstammt wohl einer sehr bekannten Übersreiker Händlerfamilie. Wir betraten das Boot, Alanus als letzter. In diesem Moment kreischte eine alte Dame, die Mutter des Kapitäns und Seherin ihren Clans mit Namen Valdoma, lauthals „UNHEIL!“ und brabbelte wirre Dinge von schlimmen Sachen, die passieren sollten. Reiko war inzwischen erschienen und versuchte sie zu beruhigen. Das gelang ihm, sie war zwar immer noch halb in Trance, saß aber wieder auf ihrem Stuhl und Strickte weiter.

Reiko hieß uns Willkommen und freute sich über Verstärkung auf der Reise. Wir machten uns alsbald auf den Weg. Rutger freute sich ebenfalls, vor allem, dass wir ihm helfen wollten. Oder sollten? Das kam mir zwar merkwürdig vor, war ich doch davon ausgegangen, dass die Reise von der Baronin bezahlt war. Aber nun gut, er versprach für einen Auftrag eine Entlohnung von sechs Goldkronen, daher sagten wir zu.

Bei dieser Unternehmung hier handelte es sich um einen Materialtransport. Wie sich später herausstellte, hatte Rutger Reuter zusammen mit einer anderen Händlerin namens Johanna Stiegler, wenig überraschend aus einer bekannten Übersreiker Händlerfamilie, eine Unternehmung gestartet. Am Grausee sollte eine Mühle gebaut werden und das Boot transportierte Material.

Die Reise verlief ereignislos. Hier und da packten wir auf dem Boot mit an, naja, Ruben weniger, er vertrug das Schaukeln nicht, und bekamen dafür dankbare Blicke der Besatzung. Wir kamen mit ihnen ins Gespräch, erfuhren aber nichts Spannendes. Etwas später bog der Kahn vom Teufel auf den Graufluss ein und ab da wurde es ungemütlich. Hier gab es nicht wenige Stromschnellen und Untiefen. Valdoma wurde vorne wieder lauter und rief häufiger: das Ende ist nah!

Plötzlich ging ein mächtiger Ruck durch das Boot- wir waren irgendwo aufgefahren. Durch den Ruck gingen sowohl Valdoma als auch ich über Bord, ebenso einiges an Baumaterial. Die folgenden Minuten waren ein einziges Durcheinander. Um es kurz zu machen: Gerwin warf ein Seil zu mir und er, Alanus und Ruben schafften es, mich vor dem Ertrinken zu bewahren. Mit einem beherzten Griff konnte ich auch Valdoma mit herausziehen. Ein riesiger Zackenbarsch, oder war es ein Stierhecht? hatte versucht, uns zu attackieren, verursachte aber nur kleine Verletzungen. Das Schiff war mit starker Schlagseite zwischen Ufer und einem Felsen verkeilt zum Stehen gekommen. Bis auf ein paar Verletzungen war es zum Glück glimpflich ausgegangen. Auch Vadoma hatte ordentlich Wasser geschluckt, aber überlebt.

Das Boot war definitiv nicht mehr flottzumachen. Parallel zum Fluss verlief in einer Entfernung ein Weg, den wir daher einschlagen wollten. Vorher rettete die Besatzung aber noch alles Baumaterial, das zu retten war.

Reiko blickte traurig auf sein Boot. Rutger hingegen motivierte die Leute, aber das klang mehr nach Zweckoptimismus; er machte einen sehr unsicheren Eindruck. Sowieso schien er die ganze Zeit mehr Selbstsicherheit vorzutäuschen als zu haben.

Wir machten uns auf in Richtung des Weges. In einem Waldstück passierten wir einen auffälligen Steinkreis. Manche Steine waren verwittert, manche nicht; diese waren schwarz mit Runen versehen. Woher sie kamen und wofür sie gut waren, weiß man nicht. Die Strigani machten einen großen Bogen darum- sie sind sehr abergläubisch.

Als die Dämmerung hereinbrach, erreichten wir endlich den Weg und kurze Zeit später den Grausee. Da es schon dunkel war, sahen wir nicht mehr viel, aber wir konnten einen Sumpf riechen. Und wir sahen in der Entfernung die Lichter des Ortes Grausee.

Vor uns an der Mündung des Sees in den Fluss lag die Baustelle. Ein halbfertiges Gebäude stand am See, viele Arbeiter, auch Strigani, saßen vor Zelten an Lagerfeuern und aßen. Eine Frau und ein Zwerg kamen auf uns zu. Die Frau stellte sich als Johanna Stiegler vor, der Zwerg als Thulgrim.

Uns fiel eine Geschichte wieder ein. Die der beiden Zwergenbrüder Sreluc und Srulem aus Speichelfeld, deren Ziehvater Thulgrim von zwei Händlerfamilien namens Reuter und Stiegler um das Familienvermögen gebracht wurde und der daraufhin verschwunden sein soll. Das war sicherlich kein Zufall.

Die Frau und der Zwerg machten einen äußerst genervten Eindruck, als Rutger sie begrüßte. Dass das Boot mit einigem Material gesunken war, hob ihre Stimmung mitnichten. Und als Rutger von seinem Angebot an uns berichtete, wurde die eisige Stimmung richtig frostig.

Thulgrim klärte uns über unsere Aufgabe auf. In der Nähe der Baustelle lag ein weiterer Steinkreis, der im Weg war. Doch die Strigani weigerte sich, ihn zu beseitigen. Das sollte unsere Aufgabe sein. Zunächst wies er uns aber ein Zelt zu, damit wir uns ausruhen konnten. Essen gab es bei den Lagerfeuern. Wir aßen noch etwas und legten uns dann zur Ruhe.

Ob alles gut gegangen ist oder ob Sigmar weitere Prüfungen für uns hat: ich werde es dir berichten.

Auf bald
Herzlichst
Dein Konrad.

Peter

Über Peter

Spielt mit Unterbrechungen seit 35 Jahren Pen & Paper. Angefangen mit DSA, mit AD&D weitergemacht, einiges ausprobiert und momentan bei DER, WHF und D&D5 gelandet.

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