8. Tag in Übersreik
Mir tun die Füße weh. Was auch immer die letzten Tage passiert ist, auf jeden Fall bin ich noch nie so viel gelaufen in meinem Leben. Nicht einmal als damals Bauer Hauenbruck seinen Köter auf mich gehetzt hat. Und nur weil ich seine Frau gesehen habe, als sie im See baden war. Dabei konnte ich nicht mal was dafür…
Aber hier in Übersreik habe ich das Gefühl, ich laufe nur noch. Übersreik ist die erste und größte Stadt in der ich je war. Als die riesigen Mauern vor uns auftauchten, war ich überwältigt. Kein Tiermensch, Wolf, Bär oder Räuber würde diese Mauern überwinden, um die Leute dahinter zu überfallen. Wie ich aber feststellen musste, lauerten hinter den Mauern mehr Gefahren als in den Wäldern.
Ich verstehe nicht wieso die Menschen hier so… schlecht sind. In Stumpen gab es auch ein paar, die echte Stinkstiefel waren. Aber in Übersreik scheinen sie in der Überzahl zu sein. So wie meine Reisegefährten und ich in die Fänge der Stadtwache gekommen sind. Das hätte sich niemand ausdenken können. Sechs Tage sind wir mit Rudi durch die Stadt gelaufen und haben seinen Geschichten gelauscht und die ganze Arbeit gemacht. Für die er dann Ruhm und Gold eingestrichen hat. Ach ihr Götter. Und nun an unserem freien Tag wollten wir uns einmal etwas umhören. Darüber was eigentlich passiert ist und warum.
Mehr einem Gefühl folgend fangen wir im Roten Mond an. Während wir dort etwas essen befragen wir den Wirt, Franz Lohner, was er von der Stadtwache hält und ob er von der Schlägerei am Marktplatz gehört hat. Insbesondere dem Mord an dem Feuerspucker den ich beobachtete. Als ich Franz den Mörder beschreibe, wird er ruhiger und blasser. Er fragt ob ich mir sicher sei. Als ich das bestätige, warnt er uns. Der Mörder, Gregor Spaltmann, den man auch Einauge nenne, sei ein sehr gefährlicher Mann. Ein Auftragsmörder. Oh Sigmar, ich wusste bisher nicht einmal das es Menschen gibt die andere für Geld meucheln. Was ist das nur für eine Stadt?
Grade als ich den Rest des Essens genieße, kommen zwei Personen in den Schankraum. Eine rothaarige Frau und ein Mann. Die Frau scheint Gerwin zu gefallen, denn er steht auf und versucht ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Ehrlich gesagt sieht er aus wie ein liebeskranker Gockel, wie er da so durch den Schankraum stolziert. Und das auch noch mehrmals als sie ihn nicht gleich bemerkt. Aber er scheint keinen Erfolg zu haben. Ich bin ein wenig enttäuscht. Gerwin schien bisher immer so sicher im Umgang mit Frauen zu sein. Vielleicht sollte ich mir von ihm doch keine Tipps holen um mit den Übersreiker Mädchen ins Gespräch zu kommen.
Irgendwann im Verlauf des Essens beschließen wir unser weiteres Vorgehen. Wir wollen uns Dunkelfeucht noch einmal ansehen, den Ort an dem der Vater von Eugen verschwand. Außerdem wollten wir uns über die Gaukler informieren. Herausfinden wer der Feuerspucker war und warum ihm jemand einen Meuchler auf den Hals hetzen wollen würde. Da wir uns näher an Dunkelfeucht befinden, gehen wir zuerst dorthin.
Kaum das wir Dunkelfeucht betreten beobachten uns merkwürdige Gestalten. Sie scheinen nichts Gutes zu verheißen, doch folgen sie uns nur ohne etwas anderes zu tun. Vermutlich hält sie der wachsame Blick Kuzaks ab. Und seine Muskeln. Während wir von den Gestalten verfolgt werden gehen wir zur Familie des kleinen Eugen. Die Mutter des Jungen scheint Angst zu haben. Und Hunger, wie auch die anderen Kinder. Einige von uns stecken ihr ein paar Groschen zu, was sie so rührt, das ihr die Tränen kommen. Wie schlimm muss es in dieser Stadt sein, das etwas Güte so etwas auslöst? Eugen soll uns die Stelle zeigen an der sein Vater immer angelte und als wir der besorgten Mutter versichern, das wir ein Auge auf ihn haben werden, ist sie einverstanden.
Der Gestank des Teufels ist hier unter der Brücke noch schlimmer. Baufällige und modernde Anlegestellen säumen das Ufer. Obwohl es mir gar nicht aufgefallen ist, müssen diese auch glitschig sein, denn Gerwin fällt beinahe in den Teufel als er ausrutscht. Vielleicht ist er aber auch nur ungeschickt. Eugen berichtet uns das noch andere Leute verschwunden sind. Immer in der Nacht und immer wenn der Nebel aus dem Teufel steigt.
Bei dem Boot angekommen fangen wir an nach Spuren zu suchen. Ich selbst finde leider nichts, doch Konrad entdeckt Spuren am Bug des Bootes. Kaum das er darauf zeigt, kann ich mir kaum erklären wie ich das übersehen konnte. Ein gutes Stück ist auf dem Holz herausgerissen und Spuren wie von tiefen Klauen ziehen sich hindurch. Es scheint eine Kreatur gewesen zu sein. Eine Große! Mit ungutem Blick auf die roten Wasser des Teufels weiten wir die Suche aus. Und tatsächlich. An der Säule der Brücke finden wir eine Stelle an der das Gestein und etwas Holz eines Anlegers wie verschmolzen scheinen. Noch nie habe ich so etwas gesehen. Wir sind alle etwas ratlos. Vielleicht können die Zwerge uns weiterhelfen? Sie kennen sich mit Steinen aus, vielleicht haben sie so etwas schon mal gesehen.
Kuzak wollte eh nach Dawihafen, also gehen wir als nächstes dorthin. Während wir dorthin laufen, versuchen wir immer wieder mit den Leuten auf der Straße ins Gespräch zu kommen, um wenigstens ein paar Informationen zu bekommen. Aber irgendwie wollen diese Städter nicht mit uns sprechen. Nur Gerwin scheint Glück zu haben und entlockt einer etwas ängstlichen Frau ein paar Worte. Auch andere Leute sind bei wortwörtlich Nacht und Nebel in der gesamten Hafengegend verschwunden. Selbst Wächter wie man sagt.
Auf dem Weg gehen wir über den Markplatz wo der ganze Schlamassel angefangen hat. Heute ist es wesentlich leerer als vor einer Woche. Nur wenige Leute kaufen und verkaufen etwas. Die Gaukler haben die Stadt bereits verlassen, wie wir erfahren können. Einer Eingebung folgend gehen wir zum Variete. Dort sollte doch jemand etwas über die Gaukler wissen, doch der Assistent des Direktors ist äußerst unfreundlich. Also wieder ein Fehlschlag. Ich bin allmählich etwas entmutigt, doch je näher wir Dawihafen kommen, desto besser wird Kuzaks Laune. Also das glaube ich zumindest, so wirklich sicher bin ich nicht.
Wir hören uns wieder bei den Leuten auf der Straße um, ob irgendjemand uns vielleicht etwas zu den verschmolzenen Steinen oder Kreaturen sagen kann, die dafür verantwortlich sind. Zum Glück ist Kuzak dabei, sonst würden uns die Zwerge wohl eher nichts sagen. Bei der Steinmetzgilde hört sich ein Zwerg unsere Beschreibung an und meint schließlich es sei Trollkotze. Trollkotze! Ein Troll in Übersreik, das kann doch nicht sein, oder? Wir sehen uns betreten an. So ganz glauben können wir es nicht. Oder wollen es nicht. Was kann man denn gegen einen Troll tun? Nachdem wir im Laden von „Nordwanderer und Sohn“ weiter nach den Möglichkeiten einen Troll zu bekämpfen gefragt haben, treibt es und weiter zur Gilde der Kanalwächter. Immerhin ist es eigentlich ihre Aufgabe die Sicherheit rund um den Teufel zu gewähren.
Als wir auf dem Weg an der „Explodierten Sau“ vorbeikommen winkt uns jemand zu. Kurlass Meingot will uns sprechen. Wir sind etwas verwirrt, das er uns kennt. Woher? Scheinbar hat der „Prozess“ gegen uns doch mehr die Runde gemacht als wir geglaubt haben. Kurlass lädt uns zu Essen und Bier ein, was wir nicht ablehnen. Alles was wir sonst kriegen, kommt aus der Küche der Wache. Ich bin überrascht wie oft wir eingeladen werden. Geht das allen Wächtern so? Er braucht Hilfe und will uns anheuern. Wir sollen einen seiner Geschäftspartner überprüfen, einen Zwerg bei dem er 100 Goldkronen investiert hat. Dafür will er uns 10 GK bezahlen. Das ist sehr viel Geld. Wir haben 3-4 Tage Zeit für den Auftrag, aber wir wollen erst etwas Bedenkzeit und verabschieden uns.
Immerhin wollen wir noch zur Kanalwächtergilde. Sie befindet sich in einer wirklich schäbigen Herberge und das will in Übersreik wirklich was heißen. Die Gestalten in der Herberge sehen auch entsprechend aus und benehmen sich auch so. Ein monströses Weib namens Melina ist wütend als wir den Troll ansprechen, doch der Gildenmeister Wahlund der kurz darauf dazukommt hört uns an. Dann sagt er, das er den Fall übernimmt und schickt uns dann weg. Was war das denn? Wir haben die ganze Vorarbeit geleistet und jetzt übernehmen die? Unglaublich.
Wir verlassen die Kaschemme ziemlich angepisst. Aber gegen die ganze Gilde können wir nichts tun. Schließlich kommt mir die Idee zum Zaubererweg zu gehen und bei Cordelia der Apothekerin zu fragen. Vielleicht kennt sie sich mit Trollen aus und weiß wie man ihnen beikommen kann? Insgeheim wünschte ich mir besser aufgepasst zu haben, wenn Brunold von den Gefahren der Wildnis erzählte. Dann könnte ich vielleicht mehr beitragen. Also, wieder laufen. Oh mein armen Füße…