23. Oktober 2953 DZ – Angmar, Eisiger Pfad
Wir haben etwa die Hälfte der von uns geschätzten Strecke geschafft, also etwa 20 Meilen. Hier oben in den Bergen hat der Winter schon begonnen. Es ist sehr kalt und es liegt auch schon viel Schnee. Wir sehen viele Ruinen von Gebäuden und Türmen, bei denen zum Teil noch die Grundmauern stehen, zum Teil erkennt man nicht einmal, was das für ein Gebäude gewesen sein mag.
Der Weg geht auf und ab über Kuppen und durch kleine Täler, in Summe aber stetig bergauf. Spuren finden wir praktisch keine, dafür finden wir immer wieder Leichen, die im Eis des Pfades eingeschlossen sind. Wir sehen auch eine Leiche eines wild aussehenden Krieger, fast vollständig erhalten, die neben dem Weg steht und von einer 15 cm dicken Eisschicht überzogen ist.
Nachts ist es bitterkalt, sodass wir immer ein Feuer brauchen und uns dick einpacken müssen. Die nächsten Tage gehen wir weiter bergan ohne dass etwas passiert.
27. Oktober 2953 DZ – Angmar, Eisiger Pfad
Abends errichten wir wieder ein Lager. Seit Tagen wird es nicht öde und trostlos, es wird deprimierend. Wir haben keinen Ork oder Troll, nicht mal irgendein Tier gesehen.
Diese Nacht habe ich einen Traum: ich gehe eine Treppe hinunter und vernehme ein Knurren hinter mir. Plötzlich tauch ein Wolf auf, riesig mit leuchtend roten Augen und verfilztem Fell. Der springt mich an, im letzten Moment reiße ich mein Schwert hoch und der Wolf stürzt hinein. Der Wolf verflüchtig sich und nach einem kurzen Moment der Stille sagt eine Stimme: Diene ihm oder stirb!
In diesem Moment erwache ich. Wie wir später feststellen, haben wir alle den gleichen Traum gehabt. Und noch etwas bereitet uns Unbehagen: wir haben das Gefühl, nachts von Geisterwölfen beobachtet zu werden, obwohl wir durch das Schneetreiben nicht viel sehen können.
28. Oktober 2953 DZ – Angmar, Eisiger Pfad
Heute tobt ein noch heftigerer Schneesturm, weshalb wir kaum vorankommen. Als wir über eine kleine Kuppe gehen, eröffnet sich uns ein beeindruckendes wie beängstigendes Bild. Vor uns liegt die Feste von Angmar. Eine lange Schlucht verläuft von Ost nach West und auf der nördlichen Seite der Schlucht liegt die Festung im Berg. Man erkennt die Ruinen einer gewaltigen, halbkreisförmigen Mauer, einem riesigen zerschmetterten Tor, etlichen Gebäuden dahinter und einem massiven Bergfried. Die gesamte Festung wirkt verlassen und strahlt eine unglaubliche Verderbtheit aus.
Wobei uns schnell auffällt, dass durch einige Löcher im Boden und den Ruinen weißer und rötlicher Rauch aufsteigt. Unbewohnt ist die Feste nicht.
Ein paar Meter unter unserer Position beginnt eine Brücke über die Schlucht bis zum Tor. Die Brücke hat eine Spannweite von 90 Metern, allerdings gibt es keine Stützen oder Pfeiler. Sie ist etwa 15 Meter breit und ebenfalls mit Eis überzogen. In der Schlucht fließt ein rötlich schimmernder Bach.
Beeindruckt, ja, fast etwas eingeschüchtert, stehen wir zögernd herum und beraten uns kurz. Der Tag ist fortgeschritten und deshalb entschließen wir uns, erst zu nächtigen und am nächsten Tag einen Weg zu suchen. Roderic sucht sich einen Ausguck, um die Festung zu beobachten. Der Rauch bleibt, Wachen sind keine zu sehen.
Kurz vor Sonnenuntergang hören wir plötzlich ein Krächzen und über dem Weg taucht ein gewaltiger Schwarm graublauer Krähen auf, der zu der Festung und dort in ein halbwegs intaktes Gebäude fliegt.
In dieser Nacht schlafen wir schlecht. Wir hören immer wieder nach Leid und Schmerz klingendes Flüstern.
29. Oktober 2953 DZ – Feste von Angmar
Heute hat sich der Sturm etwas abgeschwächt. Hwalda und Roderic gehen los, um die Gegend auszukundschaften. Ferdibrand und ich legen uns auf den Ausguck. Wir sehen wieder den Schwarm Krähen, der diesmal ostwärts fliegt.
Hwalda und Roderic kommen zurück und berichten von einer Treppe, mit der wir in die steile Schlucht unten gelangen können. Da der Weg über die Brücke sehr gefährlich scheint, weil man uns sofort sehen kann, entscheiden wir, uns diesem Weg anzusehen.
Die Treppe ist zwar eine, aber sie ist klein, schmal, eisbedeckt und ohne Geländer. Kurz: prädestiniert, sich die Beine zu brechen. Wir legen unsere Seile zusammen, ich klettere vorsichtig voran und haue alle paar Meter einen Haken ins Eis. Hier können wir das Seil befestigen und unversehrt die etwa 50 Meter überwinden. Unten in der Schlucht scheint ein Schlachtfeld gewesen zu sein; man erkennt viele Leichen unter dem dicken Eis. Der Bach hier leuchtet rot, weil er sehr eisenhaltig zu sein scheint.
Auf der anderen Seite der Schlucht führt wieder eine Treppe nach oben. Bevor wir sie erreichen, bemerke ich rechtzeitig die zurückkehrenden Krähen, sodass wir uns noch verstecken können.
Die Treppe auf der anderen Seite ist genau so steil und schmal und der Anstieg ist sehr anstrengend. Nach etwa 20 Metern ist eine Höhlenöffnung, die wir betreten. Diese Höhle ist natürlichen Ursprungs und führt direkt in den Berg. Narvi findet sich gut zurecht, allerdings müssen wir unsere Lampen entzünden, da es dunkel ist.
Wir passieren ein paar Abzweigungen, bleiben aber auf dem Hauptweg. Plötzlich schlägt Roderics Hund an. Wir hören Knurren und sehen dann fünf rotleuchtende Augenpaare. Essylt ist entsetzt: es sind Geisterwarge. Sie befürchtet, dass einige Hügelmenschen wieder Diener Angmars geworden sind. Allerdings habe ich genau aus dieser Richtung Geräusche vernommen. Zurückgehen und einen anderen Weg suchen schließen wir aus, so dass wir weiter vorangehen. Die Warge ziehen sich zunächst zurück, greifen uns aber an, nachdem wir weitergehen. Wir besiegen sie schnell und problemlos.
Nach kurzer Zeit stehen wir an einer Kreuzung. Vor uns liegt ein Labyrinth, ein Weg führt nördlich daran vorbei und ein weiterer führt südlich abwärts in einen gemauerten Gang. Zuerst wollen wir das Labyrinth erkunden, um später einen sicheren Rückweg zu haben. Wir riechen und hören Schmieden und auch Schmerzensschreie.
Wir laufen etwa zwei Stunden, dann hat Narvi einen Ausgang gefunden. Die Schmieden schien jetzt weiter weg zu liegen, dafür hören wir die Schmerzensschreie deutlich. Der Gang endet an einer gemauerten Treppe, von wo die Schreie von offensichtlich Gefolterten kommen. Das klingt wirklich schauerlich. Am Ende der Treppe sieht man Licht. Ferdibrand und ich schleichen uns an. Hinter der Treppe kommt ein acht Meter breiter und etwa 50 Meter langer Gang, an dessen Ende eine gewaltige Kaverne zu sehen ist. Wir hören die Rufe von Orks.
Als wir uns nähern können wir die Decke der Kaverne sehen und über einen Rand in die gesamte Halle spähen. Die Halle ist etwa 100 Meter lang und bald 60 Meter breit. Unten sind etliche Foltergeräte, wo Orks Menschen und Bilwisse foltern. Licht kommt aus mehreren Feuerschalen die auch die Wände beleuchten. Hier sieht man Gerüste mit Leitern und in den Wänden kleine Höhlen, die mit Gittern versperrt sind. In vieler dieser Höhlen sehen wir Menschen, Männer, Frauen und Kinder. Wir schätzen, dass es sicherlich 100 Gefangene sind. Desweiteren sehen wir 15 Folterknechte und 20 Orkwachen sowie weitere Orks und zwei Trolle im Hintergrund.
Da wir hier nicht weiterkommen, gehen wir zu den anderen zurück. Wir gehen zurück ins Labyrinth und suchen einen anderen Ausgang, den wir auch finden. Wir kommen in eine Höhle, in der wir uns anschleichen und einen Blick hineinwerfen können. Die Höhle ist etwa 2/3 so groß wie die andere und eindeutig die Schmiede.
Man sieht etliche Schmelzöfen und etwa 30 Sklaven, Orks und Menschen, die hier arbeiten. Wir sehen auch Berge von fertigen Rüstungen und Waffen. Bewacht und angetrieben werden die Sklaven von zwei Dutzend Orks und Menschen, die aus Rhudaur stammen können. Ein weiterer Gang in der Nähe führt nach Norden. Ferdibrand und ich erkunden hier weiter.
Nach etlichen Metern kommen wir an eine Höhle, aus der wir Stimmengewirr vernehmen. Wir können in eine lange, große Höhle sehen, von der Nischen und anderen Höhlen abgehen. Es handelt sich offensichtlich um eine Schlafhöhle mit vielen Schlafstätten und vor allem hunderten Orks und Menschen. Die Höhle öffnet sich links von uns, rechts sehen wir eine Treppe. Da es in diesem Teil dunkel ist, entscheiden wir, dort hochzugehen.
Die Treppe führt in einer Runde nach oben, wo wir nach ein paar Metern an der Oberfläche ankommen. Die frische Luft tut zwar gut, wohl fühlen wir uns trotzdem nicht. Wir stehen in einer größeren Ruine, die einmal ein Turm gewesen ist. Ich nehme etwas wahr, bin mir aber nicht sicher; es könnte ein Teil der Krähen sein, die wir gesehen haben. Vielleicht nisten die ja hier.
Also gehen Ferdibrand und ich wieder hinunter und schleichen vorsichtig zu den anderen. Zusammen gehen wir zurück ins Labyrinth und finden nach einiger Suche einen weiteren Ausgang, der direkt in die Schlafhöhlen mündet. Wir ziehen uns schnell wieder zurück.
Der Tag ist schon weit fortgeschritten, sodass wir entscheiden, ein Nachtlager zu erreichten. Das erscheint uns in den Tunneln sehr gefährlich, wir haben schon die eine oder andere Orkpatrouille gehört, daher wollen wir das lieber draußen aufschlagen. Kaum haben wir die Höhle verlassen, da bemerke ich im letzten Moment eine Patrouille von drei Trollen, einem unangenehm Großen und zwei Hügeltrollen, und können uns noch rechtzeitig ducken, sodass sie uns nicht bemerken. Wir finden einen Lagerplatz und nächtigen mehr schlecht als recht.