„Eins bist du dem Leben schuldig: kämpf‘ und duld‘ in Ruh.
Bist du Amboss, sei geduldig, bist du Hammer, schlage zu!“
Deng. Deng. Deng. Das gleichmäßige Schmettern des Hammers auf das erhitzte Metall hallte in dem runden Raum wider, der eine alte und viel genutzte Schmiede beinhaltete. Jeder Schlag schleuderte Funken in die rauchgeschwängerte Luft und ließ sie, winzigen Kometen gleich, aufsteigen, bis sie ihren Zenit erreichten und ausglühend wieder gen Boden fielen, erloschen.
Sie glichen Leben. Auch ein Leben strahlte in voller Pracht, die Seele in ganzer Entfaltung, bis irgendwann der Punkt kam, an dem das Licht schlagartig erlosch und alle Herrlichkeit zurück in den Nebel des Nichts stürzte. Zurück blieb nur die Hoffnung, dass die nächsten Funken aufstieben würden und das Werk von Leben und Generationen somit weiter Form annahm.
Rorins Atem ging ruhig und gleichmäßig, ein monotoner Gegentakt zu der Schlagfolge, die sein Arm wie ein Metronom aufrecht erhielt. Das Schmieden hatte ihm schon immer geholfen, in sich selbst einzutauchen und die Dinge mit neuer Klarheit zu sehen. Und oft erinnerte es ihn an vergangene Tage. An glorreiche Tage, Reichtümer, glückliche Kindheit, an schreckliche Tage, Vertreibung und Verzweiflung. An ein Leben, das ihn geformt hatte wie sein Hammer das Metall.
Es war eine glückliche Kindheit unter schlimmen Schatten. Der Schatten des Drachen. Der Schatten Smaugs, der uns alles genommen hatte. Oh bittere Verzweiflung, oh Jubel, als der Tag Thorin Eichenschilds kam, der Tag der Befreiung, der Tag der Schlacht der 5 Heere. Wie hatte er gefleht, Kettenhemd und Axt in die Schlacht zu führen, aber sein Großvater und sein Vater hatten es ihm versagt. Zu jung. Zu unerfahren. Zu schwach. Einzig in einem Nachschublager hatte er arbeiten dürfen, und er hatte verbissen geschmiedet, tage- und nächtelang, um den Stahl zu formen, der Tod und Verderben über alle Feinde der Zwerge bringen sollte. Ein Teil von ihm hatte sich danach gesehnt dass das Heer überrannt wurde und der Kampf zu ihnen schwappte, wie Wasser, das durch einen Damm brach, damit er sich selbst voller Inbrunst hineinwerfen könne.
Was hatte er diesen Gedanken bereut als sein Großvater auf einem Schild heimkehrte. Eine seiner Schuppenplatten, die er in seinem Harnisch trug, hatte sich gelockert. Ein einfacher Dolch hatte dem großen Krieger den Tod gebracht, durch den Schlitz geführt wie durch einen Kanal, unmöglich, das Ziel zu verfehlen. Mangelnde Schmiedekunst irgendeines Zwerges hatte seinen Großvater getötet. Oh ja sie hatten gesiegt. Sie konnten endlich zurück nach Hause, in die großen Hallen, zu den Reichtümern und in ihre Heimat.
Der Hammer klang misstönend, als der Schlag vom Eisen abglitt und der Kopf auf den Amboss prallte. Ein Vibrieren ging durch Rorins Arm, und er biss die Zähne zusammen. Die Form war ruiniert. Es war nicht mehr perfekt, und was nicht perfekt war, war wertlos. Mit einem Knurren drehte er sich um und rammte den Eisenstab zurück in die Glut, setzte einen Fuß auf den Blasebalg und legte sein Gewicht darauf. Heiße Funken tanzten ihm entgegen und brannten winzige Löcher in seinen Bart.
Der Preis für die Rückkehr war so hoch gewesen, dass genauso viele Tränen wie Jubelrufe den Stein durchdrungen hatten wie einen Schwamm. Doch der Tod hatte ihn auch gelehrt, dass, egal wie gut die Axt war, sie niemals besser war als der Zwerg, der sie führte, und die Rüstung, die ihn schützte. Alles war eins und musste verstanden werden. So wandelte Rorin auf dem Pfad der Schmiede und der Steinkunst, lernte, was er lernen konnte. Er wollte mehr wissen. Selbst dafür sorgen können, sicher zu sein. Erschaffen können um zu wissen, dass es perfekt war und bedingungslose Treue ihm gegenüber zeigen würde.
Er würde nur von sich selbst abhängig sein. Auf eigenen Beinen stehen. Ein starker Zwerg werden. Und irgendwann würde er ausziehen und der Welt beweisen, wie er die Lehren vom Krieg, die sein Großvater und Vater ihn lehrten, mit dem Wissen um das Instrumentarium darum potenziert werden könnte. Er würde erschaffen und zerstören können. Er würde formen können, sich und seinen Feind. Und vielleicht würde ihm irgendwann nicht mehr alles so bedeutungslos vorkommen, so sinnlos, wie die Heimat ohne die Bewohner, die sie nun nicht mehr hatten, da sie alle gestorben waren.
Er sah nicht auf als seine Schwester in Kettenhemd und mit Axt in den Raum trat. „Es ist Zeit.“ sagte sie nur, und zog den Lederriemen straff, der den Schild auf ihrem Rücken hielt. „Ich komme“ erwiderte er ruhig und nahm den Fuß vom Blasebalg. Er drehte sich um und schritt zum Rüstungsständer. Das filigran gearbeitete Kettenhemd schien das Licht des Feuers aufzusaugen und in funkelnden Sternen wiederzugeben, als er mit der Hand darüber strich. Er hatte es selbst gefertigt. Er hatte alles selbst gefertigt, was er mitnahm, um seinen Dienst bei den Streitkräften anzutreten.
Das Kettenhemd, jeder Ring einzeln angeschmiedet, sodass die Ringe sich nicht auseinanderbiegen konnten. Es würde ihn schützen, genau wie der schlicht, aber glatt und hart geschmiedete Helm, der oben auflag. Der schwere Schild, das beste Eichelholz mit einem so harten Stahlband umschlossen und mit Stahlkreisen versehen, dass es jede Klinge abgleiten lassen konnte und ihn selbst im Drachenfeuer noch wertvolle Sekunden erkaufen würde. Der Dolch und das kurze Schwert, genau auf seine Hand und Länge abgestimmt, spitz zulaufend. Sie würden sich durch Fleisch fressen wie ein Feuer durch Stroh, selbst durch das eines Drachen.
Und dann – sein ganzer Stolz. Sein Werkzeug im Frieden und seine Waffe im Krieg. Der schwere Hammer, für den er für Kampfschläge zwei Hände brauchte. Der Griff war mit Ziselierungen verziert, die sich dem Funkenregen des Schmiedens gleich hinauf zum Kopf zogen. Der Kopf war auf der einen Seite ein klassischer Hammer, mit Runen, die an der einen Seite eingeätzt waren, zeuge seiner Verbindung mit einem der Raben des Gebirges. Er hoffte, noch weitere Ehrenrunen hinzufügen zu können. Auf der anderen Seite fehlte der zweite Hammerkopf, stattdessen lief ein spitzer, leicht gekrümmter Dorn aus. Im Frieden ein nützliches Werkzeug, und im Krieg … damit würde er sogar die verfluchten Schuppen eines Drachen sprengen können, um an das weiche Fleisch zu gelangen.
Es war Zeit. Er hatte gelernt, sein ganzes Leben lang. Er hatte die Lektionen gelernt, die sein Vater ihm weiter gab, nachdem sein Großvater starb, und hatte alles in sich aufgesogen. Er hatte gelernt, das Metall zu formen und mit Stein zu bauen, Holz zu verkeilen und zu schaffen, worum auch immer er gebeten wurde. Er hatte all das gelernt. Nun war es an der Zeit, einzureißen statt aufzubauen.
Das Kettenhemd klirrte leise, als er sich umwandte und zu der durch den Rauch nur schwer erkennbaren Gestalt in der Tür zuging, nun voll gerüstet. „Du sprichst wahr: Es ist Zeit.“ raunte er leise und schritt durch die Tür.
„Die Jahre lehren vieles, was die Tage niemals wussten.“
„Orks“. Ein missbilligendes Zungenschnalzen folgte auf die Worte des alt gewordenen Zwergs. Dwalin schüttelte knurrend den Kopf „So viele und so nah beim Erebor. Ihre Spuren werden immer zahlreicher.“ Er schwieg, und der Zwerg rechts von Rorin hämmerte sich auf den Brustpanzer. „Greifen wir bald an, Herr?“ Die Blutgier in seiner Stimme war nicht zu überhören.
War er auch so gewesen? Hatte er so gewirkt, obwohl er nur seinem Ideal folgen wollte? Er wusste es nicht, aber wusste, dass er viel dazu gelernt hatte. Sein Ideal mit der Realität in Einklang brachte. Und dass er es nicht aufgeben würde, niemals. Er stieß seinem Nachbarn den Ellbogen zwischen die Rippen, doch Dwalin winkte nur müde ab. Er war viele junge Zwerge gewohnt. „Nein, lasst uns sie erst einmal finden und sehen, was uns erwartet. Die schnelle Axt stumpft auch am ehesten ab, Junge.“
Doch es sollte anders kommen. Sie trafen Männer aus Esgaroth und Thal, gute Männer, die wohl ebenfalls die Spur der Orks aufgenommen hatten. Gemeinsam rückten sie vor und begaben uns zum alten Außenposten Amon Naugrim, wo sie aufgrund der Spuren die Orks vermuteten. Doch bei Thorins Bart, waren es viele. Und kein Haufen Späher, nein, sie waren gerüstet und auf Blut aus.
Dwalin zögerte nur so lange, wie es dauerte, sich mit dem Führer der Menschen zu besprechen, dann winkte er Rorin heran. „Rorin, Sohn von Dorin. Geh mit diesen beiden“ er deutet kurz auf einen Mann mit den Wappen Esgaroths „Folkmarr und“ er deutete auf einen zweiten Mann in den Farben Thals „Ludger zurück und warne die Unseren. Sie sollen uns Verstärkung schicken, wenn möglich. Geht, und verliert keine Zeit!“
Sie verloren keine Zeit. Das erste, was sie verloren, war der Mann aus Thal, als ein Pfeil in den Rücken ihn in den Staub schickte. Die Orks waren nicht dumm gewesen und ihre Späher hatten scharfe Augen. Sie hatten sie gefunden. Der Hammer sang ein dunkles und volltönendes Lied von Metall, als er vom Rücken gezogen wurde, und verband sich mit dem hellen Sirren des Schwertes Folkmarrs zu einer ganz eigenen Dissonanz der Gewalt. Nur wenige Späher, aber doch viele für nur einen Mann und einen Zwerg. Im Feuer der Schlacht stellten sie sich Rücken an Rücken, und zu ihrem Glück kreisten die Orks sie ein und gingen auf sie los, statt sie mit ihren Bögen zusammen zu schießen. Die Welt wurde rot, und alles versank in einem Schleier aus Staub und Blut, Schreien und Kampfgebrüll.
Als der Nebel sich legte, standen die beiden verbleibenden Boten noch – beide verletzt, aber beide konnten noch laufen. Für Ludger jedoch kam jeden Hilfe zu spät. Keine Zeit, keine Zeit ihn zu bestatten. Die restliche Strecke zum Erebor im Laufschritt. Sie erstatteten Bericht. Rorin bekam noch einen Auftrag mit auf den Weg, dann mussten sie schon weiter, Thal das nächste Ziel. Rorins Muskeln brannten. Die Monotonie aus Kampf und Gewaltmarsch, die die beiden zu absolvieren hatten, nur mit einer einzigen Nacht rast, zehrte an beiden und der Zwerg entwickelte Respekt für den jungen, aber zielstrebigen Menschen an seiner Seite, der so gar nicht das verweichlichte von vielen seines Volkes teilte. Thal binnen kürzester Zeit zu erreichen, war kein Problem, doch der Weg danach sollte nochmal steinige Hindernisse enthalten.
Orks. Zwischen den Städten, auf einer gesicherten Straße. Das Problem reichte tiefer, als angenommen wurde. Der Angriff der Bestien richtete sich jedoch nicht gegen die beiden ungleichen Reisegefährten, sondern eine Dritte, die versuchte, sich der Orks zu erwehren. Der Ruf der Waffen nach Blut wurde laut, als sie aus der Umklammerung ihrer Halterungen befreit wurden, und Folkmarr und Rorin erneut binnen weniger Tage gegen die Orks prallten wie Wasser, das gegen die Felsen anrennt, bis sie nachgeben müssen. Wuchtige Schläge und gekonnte Parade-Riposte Arbeit von Zwerg und Mensch verschafften der Elfe, denn eine solche war es, die wenigen Atemzüge, die sie mit der ihrem Volk eigenen Gewandtheit nur brauchte, den Bogen schussbereit zu machen und noch bevor ein Atemzug vergangen war, den ersten Ork auch schon mit einem Pfeil niederzustrecken. Rorin und Folkmarr deckten die Elfe, die sie ihrerseits mit ihrem Bogen schützte. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Orks war wie Schnee, der in der Sonne der Koordination schmolz. Als der letzte Gegner fiel, stellte sich die Elfe als Arien vor, und schloss sich den beiden auf dem Weg Richtung Süden an.
Gemeinsam erreichten sie am Abend erschöpft, aber nun in vorläufiger – vielleicht trügerischer? – Sicherheit den Drachenkopf, eine Schänke am Ufer des Langen Sees, geführt von Aldis, der Wirtin. Ein kleines Stück Frieden – zumindest für den Moment …