Berlin 1977 – eine geteilte Stadt, während der Ostteil von den Sowjets besetzt war, stand der Westen unter dem Protektorat der Alliierten. In dieser angespannten Atmosphäre versuchte sich die Camarilla, gegen den aus dem Osten hereindrängenden Feind unter dem Banner des Sabbat zu behaupten.
Es war 22.00 Uhr am Samstag dem 8. Januar, als sich in einer konspirativen Wohnung in Charlottenburg eine der beiden operativen Einheiten der Gesellschaft Kains versammelte und auf ihren Kontakt aus den Reihen der Ahnen wartete. Nacheinander trafen Karl August Strasser, Paul Laubenstein, beide Ventrue, der Gangrel Gerd Siewert, die beiden Toreador Heinrich Lorenz und Jonas Forstberg, sowie der Brujah Siegfried Kramer ein. Seit fast dreißig Jahren arbeiteten sie zusammen und hatten in der Stadt schon die ein oder andere kniffelige Aufgabe im Auftrag des Prinzen erledigt. Normalerweise würde Isabella de Cataluna, Sekretärin der Stadt, einen Verbindungsmann, Wolfgang Hölzel, schicken, um der Einheit ihren nächsten Auftrag zu übermitteln. Doch an diesem Abend warteten die Männer auf Anton Großhaldern, dem Kapellmeister der Tremere Berlins. Großhaldern war ein etwas dicklicher, kleiner Mann mit freundlichem Auftreten. Man merkte ihm deutlich an, woher er stammte, denn nur all zu oft verfiel er in seine bayrische Mundart. An diesem Abend war der Kapellmeister wie so oft in einen etwas aufdringlichen Trachtenanzug gekleidet und strich sich bedächtig über seinen Bart, als er die versammelten Vampire eindringlich musterte, denn obwohl der Tremere nach außen hin gemütlich und väterlich nachsichtig wirkte, wusste doch jeder der Versammelten, dass man in Berlin niemals Kapellmeister und Ahn der Stadt werden konnte, ohne über die notwendige Kaltblütigkeit zu verfügen – Großhaldern war ein gefährlicher Mann.
Der Auftrag den die Vampire in dieser Nacht erhielt, war vage formuliert. In etwa zehn Tagen sollten Delegationen aus 17 europäischen Nationen in Berlin zu einem Kongress zur Terrorbekämpfung zusammentreffen. Der Angriff auf die innere Sicherheit der Länder Europas in den vergangenen Jahren durch Organisation wie die R.A.F. oder E.T.A. hatte bedrohliche Ausmaße angenommen, nun wollten die Staaten über eine bessere Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten sprechen und ein Abkommen darüber beschließen. Der Camarilla lagen, so Großhaldern, gesicherte Informationen vor, dass der Sabbat versuchen würde, einen einheitlichen Beschluss aller an der Konferenz beteiligten Regierungen zu verhindern. Man vermutete, dass die Delegationen aus Spanien und / oder Portugal vom Clan Lassombra unterwandert waren, um so Einfluss auf die anstehenden Entscheidungen zu nehmen. Der Ahnenrat der Stadt hatte deshalb beschlossen, beide Delegationen zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, dass der Staatsvertrag zur Terrorbekämpfung zustande kam. Während man die zweite operative Einheit Berlins auf die türkische Delegation ansetzte, weil befürchtet wurde, dass Assamiten aus dem nahen Osten die Gelegenheit nutzen würden, im Westen Fuß zu fassen, war die Observierung der Spanier und Portugiesen die Aufgabe der versammelten Vampire. Weitere Informationen, so schloss der Kapellmeister, würden morgen Abend durch den Ahn der Nosferatu der Gruppe zugeleitet werden.
Thomas Schmidt, welcher in den Diensten Karl Liebknechts stand, war am darauf folgenden Abend der Überbringer eines umfangreichen Dossiers über die Mitglieder der einzelnen Delegationen und einiger Blaupausen der Tagungs- und Versammlungsorte. Auch Schmidt war, wie der Sheriff und Ahn des Clans, ein Nosferatu. Liebknecht selbst tauchte selten in der Öffentlichkeit auf, noch pflegte er Kontakte zu den niederen Schichten der Gesellschaft Kains. Leider konnte Schmidt kaum dazu beitragen, die gestellte Aufgabe weiter zu präzisieren. Die notwendigen Maßnahmen zur erfolgreichen Durchführung blieben der operativen Einheit überlassen.
Es verstrichen einige Tage, in denen alle Vampire der Gruppe ihre Kontakte bemühten, Informationen verglichen und die in Frage kommenden Objekte, Tagungsräume, Hotels, etc. in Augenschein nahmen.
Ein weiteres Treffen mit Großhadern am 13. verlief ereignislos. Da man keine weiteren Erkenntnisse hatte, konnte keine konkrete Vorgehensweise geplant werden. Erst zwei Tage später begannen die Ereignisse ins rollen zu kommen. Der Prinz der Stadt, der Ventrue Angus Thorndale hatte zur Versammlung im Elysium, dem Schloss Charlottenburg, geladen. Ein seltenes Ereignis, das für einige Aufregung sorgte. Als um Mitternacht der Prinz den Raum betrat, konnte man die Anspannung der Versammelten deutlich spüren. In seiner gewohnt ausdruckslosen Art wandte sich der Prinz der Gesellschaft zu, um mitzuteilen, dass in der vergangenen Nacht zum ersten mal seit 1965 ein Tzimisce aus Ostberlin durch einen der stillgelegten U-Bahntunnel versucht hatte, in den Westen einzudringen. Er konnte bei dem Versuch gestellt und vernichtet werden. Allgemein wurde angenommen, dass es sich dabei möglicherweise um ein Ablenkungsmanöver gehandelt haben könnte, um an andere Stelle unbemerkt die Grenze zu überschreiten. Sollte das der Fall gewesen sein, so war der Versuch vermutlich erfolgreich, denn bis jetzt gab es keinen Hinweis über einen anderen Vorfall in der Nacht. Allen versammelten wurde noch einmal mitgeteilt, in den nächsten Tagen ihre Augen offen zu halten, jeder Vampir, der nicht der Gesellschaft angehörte, sollte wenn möglich gestellt und notfalls auch vernichtet werden.
Am 17. Januar trafen die Abordnungen der europäischen Länder in Berlin ein. Am Abend gab es einen Empfang für alle Diplomaten der Delegationen und Würdenträger der Stadt. Es war dem Sheriff möglich gewesen, einige Einladungen für die Vampire der Überwachungseinheit zu besorgen, die er durch seinen Mitarbeiter Schmidt am Vorabend bei der Vorplanung überbringen ließ. Karl August Strasser, Paul Laubenstein und Heinrich Lorenz mischten sich unauffällig unter die Gäste und nahmen die Anwesenden in Augenschein, während der Brujah und der Gangrel die Hotels observierten. Bei der Überwachung wurden sie Zeuge, wie einige Personen aus der portugiesischen Delegation erst in der Nacht an ihrem Hotel eintrafen und unter sichtlichen Anstrengungen eine große Kiste in das Hotel brachten. Die Untersuchung der Gäste auf dem Empfang brachte hingegen keinerlei Hinweise.
Am nächsten Abend wurde das Hotel der Portugiesen in Augenschein genommen. Schon kurz nach ihrem Eintreffen wurden die Vampire Zeuge von betriebsamer Hektik am Empfang. Ein Hotelgast hatte mit dem Portier einige aufgeregte Worte gewechselt, worauf dieser schnell zum Telefon griff und einen Anruf tätigte. Irgendetwas war vorgefallen. Paul Laubenstein machte sich auf den Weg in das fünfte Obergeschoss, in dem die Räume der Portugiesen lagen, während sich Karl August Strasser unverfänglich bei dem Portier erkundigte, was den passiert sei, allerdings keine genaue Auskunft bekam. Recht bald trafen Krankenwagen und Notarzt in dem Hotel ein, kurz darauf wurde eine junge Frau abtransportiert.
Während das Hotel weiter unter Bewachung stand, versuchten Strasser, Laubenstein und Lorenz in dem Krankenhaus in das man die Frau gebracht hatte, näheres in Erfahrung zu bringen. Es stellte sich heraus, dass es sich bei der Person um ein Zimmermädchen des Hotels namens Linda Wagner handelte, die bei ihrer Arbeit in den Räumen der portugiesischen Delegation ohnmächtig geworden war. Als sie wieder zu Bewusstsein kam, kümmerten sich einige Sicherheitsleute um sie, anhand der Fotos konnte das Zimmermädchen alle von ihnen eindeutig identifizieren. Laubenstein und Strasser ließen sich noch die Zimmer der Delegation beschreiben, vor allem das in dem Linda Wagner ohnmächtig geworden war. In diesem Raum befand sich eine große Kiste.
Auch wenn es sich nur um Indizien handelte, waren diese ausreichend für den Kapellmeister, der umgehend über die Vorfälle in Kenntnis gesetzt wurde, die Geißel der Stadt, Pavel Yschta vom Clan Malkavianer, darauf anzusetzen. Dieser fand jedoch nichts bei der Durchsuchung der Hotelzimmer, außer einer leeren großen Kiste in Zimmer 56, dem Raum in der Linda Wagner ohnmächtig geworden war. Die Untersuchung der Zimmer hingegen, war nicht besonders unauffällig. Zu seiner Tarnung musste Pavel kurzzeitig die Stromversorgung des Gebäudes lahm legen. Ein möglicher Feind war nun gewarnt. Später in der Nacht ergab sich außerdem, dass der Zusammenbruch des Zimmermädchens durchaus eine natürliche Ursache gehabt haben konnte – sie war schwanger. Außerdem fanden sich keinerlei Anzeichen von Blutarmut bei ihr.
Die nächsten Nächte verstrichen mit ergebnislosen Observierungen der Spanier und Portugiesen. Allerdings fand man in einem Park eine blutleere Leiche, die unter einigem Aufwand beseitigt werden musste, denn der tote Körper wurde von einer älteren Frau und ihrer Promenadenmischung gefunden. Zur Wahrung der Maskerade war eine Umstellung der Erinnerungen der Frau erforderlich. Hierzu wurde Christine Bobelsbach, eine Ventrue, hinzugezogen. Der Leichenfund war der erste Beweis für die Anwesenheit mindestens eines Vampirs, der nicht zur Berliner Gesellschaft gehörte.
So langsam erhöhte sich der Druck auf die Vampire der operativen Einheit. Der Tag der abschließenden Konferenz rückte näher, und es gab bisher keinerlei konkrete Anhaltspunkte denen man nachgehen konnte. In seiner Ratlosigkeit versuchte Heinrich Lorenz mit Maria Santez, der Sekretärin des spanischen Gesandten, in Kontakt zu treten, um so vielleicht an weitere Informationen zu gelangen. Seine Annäherungsversuche waren allerdings so ungeschickt, dass er brüsk zurückgewiesen wurde. Dabei wurde er von der Sekretären mit einer beachtlichen Stärke nach hinten gestoßen und durchaus verletzt. Da Maria Santez eher zierlich gebaut war, konnte diese Kraft kaum natürlichen Ursprungs sein. Diese Erkenntnis wurde umgehend Anton Großhadern mitgeteilt, der daraufhin die Gruppe beauftragte, ihm zur Überprüfung des Verdachts eine Blutprobe von der Sekretärin zu besorgen.
Nachdem noch in der vergangenen Nacht ein Plan ersonnen wurde, schritten die Vampire an diesem Abend zur Tat. Man wusste, das Maria Santez fast jeden Abend einen Moment in der Hotelbar verweilte, um dort etwas zu trinken. Siegfried Kramer, der Brujah der Einheit, näherte sich der Sekretärin beim betreten der Bar von hinten und gab ihr einen Klaps auf den Allerwertesten. Dabei stach er sie mit einer kleinen Nadel, um so an eine winzige Probe ihres Bluts zu gelangen. Natürlich war Maria Santez sehr aufgebracht, in diesem Moment begann Karl August Strasser mit seinem Auftritt. Als Retter der Dame warf er sich in das Getümmel und stand ihr bei. Die Aktion hatte nur den Zweck, falls es Siegfried nicht gelang, durch den Klaps an eine Blutprobe zu kommen, die Sekretärin in ein Gespräch zu verwickeln, um später noch Gelegenheit zu haben, einen weiteren Versuch zu unternehmen. Siegfried signalisierte sofort, dass die Aktion erfolgreich war, dass hielt Strasser jedoch nicht ab, seinen Mummenschanz weiter aufzuführen. Der Ventrue war dabei sehr erfolgreich und verbrachte eine entspannte Nacht in den Armen der spanischen Sekretärin.
Die Blutprobe brachte die vermutete Erkenntnis. Maria Santez war der Ghul eines Lassombra. Des weiteren war sie dies erst seit einigen Tagen, denn auch sie war auf dem ersten Empfang der Diplomaten von der Gruppe in Augenschein genommen worden und war zu diesem Zeitpunkt noch absolut sterblich.
In der nächsten Nacht war es wieder Zeit für einen Auftritt der Geißel. Diesmal stattete Pavel den Hotelräumen der spanischen Delegation einen Besuch ab.
Eine Woche seit Beginn der Konferenz war nun vergangen. Die Untersuchung der Spanier durch die Geißel in der letzten Nacht waren ohne Ergebnis geblieben. An diesem Abend sollte eine Matinee auf der “MS Berlin” stattfinden. Bei Hummer und Kaviar schipperten die Diplomaten des Kongresses auf dem Wannsee. Eine weitere Gelegenheit, um noch einmal alle Personen zu untersuchen und Ausschau nach dem Feind zu halten. Einer nach dem Anderen wurden die Gäste im Empfangssaal mittschiffs gemustert. Die Band spielte Dixieland. Die Gäste redeten angeregt miteinander. Einer von ihnen war augenscheinlich tot.
Noch während von allen Seiten die Vampire der Camarilla sich dem Verdächtigen näherten, verließ dieser den Saal zusammen mit dem portugiesischen Botschafter. Die Vampire folgten so schnell es möglich war, ohne alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Hinter dem Durchgang folgte ein weiterer Raum mit zwei Fluchtmöglichkeiten, einer Treppe nach unten und einer weiteren Tür. Während Siegfried und Paul nach unten stürmten, lief der Rest auf der anderen Seite durch die Tür. Hier gelangte man an Deck der “MS Berlin”. Niemand war zu sehen. Noch während die Vampire sich oben umsahen, klappte unter ihnen ein Bullauge auf und ein Schatten huschte hinaus auf den See.