Der Schlangentempel

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17.07.4711 Absalom Kalender – 8. Tag auf der Insel. Ex diarium Morvii: Nach der bizarren Begegnung mit den im Leuchtturm gefangenen weiblichen Eingeborenen, machten wir uns daran den Leuchtturm zu sichern und nach weiteren Anhaltspunkten zu dem entflohenen Kapitän zu suchen. Das Durchsuchen der Räumlichkeiten erwies sich als eine der besten Ideen, die wir jemals hatten. Wir stießen auf einen Raum, in dem sich eine mit Eisen beschlagene Truhe befand, die mit einem stabilen Vorhängeschloss gesichert war. Wie erwartet entbrannten sofort Diskussionen darüber, wie das Schloss am besten zu öffnen sei und ehe der kräftige, aber geistig herausgeforderte Halbork, Ausk, mit seiner Waffe das Schloss samt Truhe zu zerstören drohte, trat ich beherzt dazwischen und machte mich daran es zu öffnen. Glücklicherweise handelte es sich um ein sehr altes Modell eines Fallriegelschlosses des Typs FR21, so dass ich kaum Mühe hatte, die rostigen Sperrbolzen einrasten zu lassen und besagte Truhe zu öffnen. Der Anblick, der sich mir bot, übertraf meine kühnsten Erwartungen: Darin lagen unzählige Silbermünzen, die nur darauf warteten mitgenommen zu werden. Ich konnte mein Glück erst gar nicht fassen und griff deshalb instinktiv nach den Münzen, um mir eine Handvoll unbemerkt in die Tasche zu stecken. Doch wie sich bald herausstellen sollte, war meine Vorsicht nicht vonnöten gewesen, denn niemand, wirklich niemand, erhob Anspruch auf den Schatz. Nur Magister Rubani wollte ein altes Buch haben, das er darin gefunden hatte. Ich überreichte ihm daraufhin seinen Anteil und stopfte mir nun die restlichen Taschen voller Münzen. Das erstaunliche war aber, dass der Silberberg in der Truhe nicht kleiner zu werden schien. Deshalb versuchte ich, sie mir auf den Rücken zu schnallen, um die schönen Münzen aus dieser Insel zu befreien. Allerdings stieß mein Verhalten auf wenig Verständnis und niemand erklärte sich bereit, mir beim Tragen der schweren Truhe zu helfen. Selbst Ausk, der es locker geschafft hätte zwei solcher Truhen zu schleppen, ließ sich trotz Gewinnbeteiligung in Höhe von 0.5% nicht dazu überreden, die Truhe für mich zu tragen. Also zog ich unter Hohn und Gelächter der anderen den schweren Schatz die Treppe hinunter, suchte mir einen sicheren Platz unter einem Baum und vergrub schließlich meine Beute. Denen wird das Lachen schon noch vergehen, wenn ich wieder hierher zurückkehre, um die Truhe zu bergen! Aber erst muss ich diese Insel verlassen und meine Motivation ist nun höher denn je.

Nach getaner Arbeit kehrte ich zu der Gruppe zurück und stellte fest, dass eine allgemeine Aufregung herrschte. Anscheinend hat Magister Rubani inzwischen das Buch entziffern können und erzählte uns etwas von einer Mutter, die die Wilden hier verehrten, doch so richtig hörte ich ihm nicht zu, da ich zu sehr damit beschäftigt war, meine zukünftigen Ausgaben zu planen. Jäh wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als wir ein donnerndes Grollen vernahmen. Dunkle Wolken hatten sich um den Berg gebildet und plötzlich schossen auch Blitze vom Boden in den Himmel. Seufzend verdrehte ich meine Augen, als mein Mitstreiter, der Verbreiter von guter Laune, Asgadir, dies zum Anlass nahm, nach besagter „Mutter“ zu suchen. Wiedereinmal musste ich feststellen, dass dieser Mensch keine Rücksicht auf andere und ihre Gebrechen nahm, schmerzten mir doch sämtliche Muskeln im Körper. Soll er doch mal so eine schwere Truhe eigenhändig herunter tragen und dann auch noch mit bloßen Händen vergraben!

Wie dem auch sei, wir stiegen in die dunkle Höhle hinab, deren Zugang sich im Erdgeschoss des Turmes befand. Da wir befürchteten von zurückkehrenden Kannibalen überrascht zu werden, bot sich Magister Rubani an, auf die gefangenen Frauen aufzupassen (was für ein selbstloser Mensch! Ein Schelm, wer böses dabei denkt), und uns auch gleichzeitig den Rücken freizuhalten.

So stieg ich also hinab und erkundete das darunter liegende Höhlensystem. Mein heimliches Vorgehen wurde allerdings durch die Kunst des geräuschvollen Marschierens unserer Schwergerüsteten gestört, so dass ich es schließlich aufgab als Vorhut zu fungieren.

In dem weit verzweigtem Höhlensystem stießen wir auf abscheuliche Gestalten: Sogenannte Wasserghule. Das sind, so erklärte es später Magister Rubani, Untote, die sich von Leichen ernähren. Glücklicherweise bilden wir eine schlagkräftige Truppe, so dass wir sie schnell niederstrecken konnten. Unter den überall verstreuten Leichen fanden wir schließlich auch die Überreste des Kapitäns. Eine Notiz, die er mit Blut auf die Innenseite seines Harnisch hinterlassen hatte, warnte uns vor seiner vermeintlichen Komplizin und warf gleichzeitig die Frage auf, ob der Kapitän wirklich der Grund für unser Stranden darstellte. Auf jeden Fall wurde uns allen spätestens jetzt klar, dass der Kapitän wohl auch nur ein Opfer gewesen war.

Beim weiteren Erkunden, stießen wir auf weitere Ghule, die wir erfolgreich bekämpften. Als eine der gefährlichen Eigenschaften dieser Wesen sei hier bemerkt, dass sie eine Art lähmendes Gift absondern, das ihren Opfern deren gesamten motorischen Fähigkeiten beraubt. Schließlich trafen wir auf die Anführerin, oder besser, auf „Mutter Thrunezahn“. Eine überaus mächtige Vertreterin ihrer Art, die auch des Zaubern mächtig war. Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre, fanden wir schließlich in den Tiefen dieser Höhle einen alten Schlangentempel, der wohl als Verehrungsstätte für eine mir unbekannte Gottheit diente. Während wir diesen Ort begutachteten, wurden wir von weiteren Ghulen und auch von der wiederbelebten Leiche des Kapitäns Kovak angegriffen. Dieser trug ein Amulett mit dem Emblem eines Schlangenkopfes und einen Ring, den ich zu mir nahm, bei sich.

An einer Wand des Tempels befand sich ein riesiger, aus Stein gehauener Schlangenkopf, der ein Tor in dem weit aufgerissenem Maul verbarg und vor dem diverse leere Kristallflaschen lagen. Dahinter gelangten wir in einen geschlossenen Raum, der voll mit diversen Piktogrammen verziert war. Für mich sahen sie aus wie sinnlos aneinandergereihte Bilder von Schlangen und Reptilien, doch, der inzwischen zur Hilfe gerufene Magister Rubani und Kito, konnten gemeinsam eine Struktur in der Bilderfolge erkennen:

Die Bilder erzählen von einem uraltem Schlangenvolk und seiner Gottheit, Ydersius, das wohl unterhalb unserer Welt lebt. Diese Welt soll der Ursprung für alle Schrecken, die unsere Welt heimsuchen, sein. Die Herrscher und die Gottheit dieser Schlangenmenschen sollen vor langer Zeit ausgestorben sein.

Dies führte zu einer interessanten Diskussion über die Macht der Götter. Es gibt wohl zwei Haupttheorien, von denen eine besagt, dass die Götter nur durch die Macht der Verehrung durch sterbliche entstehen und vergehen können. Die andere aber behauptet, dass Götter in deren Existenz unendlich sind und durch die Verehrung nur an Macht gewinnen oder verlieren können, aber niemals vergehen. Ich persönlich habe noch keinen Entschluss gefasst, welcher Theorie ich anhänge, aber ich werde mir sicher noch einige Gedanken dazu machen.

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