Der Herold der Leere 6 – Der Eine Gott

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04.09.889 n. G. – Uns bleibt keine Zeit, um den Verlust von Wylan zu betrauern. Es gilt, das Umland von Hüttenstadt hinter sich zu lassen und der Spur von Estren Carabandius hinauf in die Eisenfelsen zu folgen. Neben dem schwarzen Qualm, der aus den Schloten der Eisenschmelzen die Morgendämmerung verpestet, scheint noch etwas anderes in der Lauft zu liegen. Kleckser bemerkt, dass es zu ruhig ist. Viel zu ruhig…
Rasch verlassen wir unser Nachtversteck. Um den Pass in die Berge zu erreichen, müssen wir an den Mauern von Hüttenstadt vorbei. Stadtbüttel patrouillieren auf den Zinnen und haben die Umgebung wachsam im Auge. Auf Vater Garwins Geheiß verbirgt Kleckser sein Gesicht im Schatten der Kapuze. Der Ork hat erst vor zwei Tagen direkt vor den Augen der Stadtwache einen Mord begangen und sollte besser nicht bemerkt werden. Das Gift der Verderbnis hat Kleckser schwer gezeichnet: seine schorfige Haut ist gräulich, sein Fell ist zu harten Borsten verdorrt und die Augen zu schwarzen, glanzlosen Kugeln geworden. Besorgt stellt Vater Garwin fest, dass die vergangenen Erlebnisse und Taten auch bei den anderen Gefährten ihre Spuren hinterlassen haben.
Julius Hendrik Abels Kenntnisse und Fähigkeiten der Magie haben zwar zugenommen, dennoch scheint er nur noch ein Schatten seiner selbst zu sein. Die Haut ist blass, das Haar spröde und sein Körper wirkt ausgemergelt. Knirps Made, der einst hilfsbereite und freundliche Goblin, wirkt gehetzt und misstrauisch, während er verstohlen am Griff des schwarzen Elfenschwertes leckt. Dann ist da noch die Lücke, die der Tod von Wylan in die Gemeinschaft gerissen hat.

Doch dem Priester bleibt keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Auf der Mauer werden Rufe laut und einer der Stadtbüttel verlässt seinen Posten. Wir beschleunigen unsere Schritte, doch kurze Zeit später öffnet sich eines der Stadttore. Zehn bewaffnete Soldaten maskieren entschlossen heraus. Sie werden uns den Weg ins Gebirge abschneiden.
Julius Hendrik Abel öffnet ein magisches Portal, dessen Ausgang sich 500 Meter weiter vor uns befindet . Einen Schritt hindurch und schon stehen wir zwischen Loren auf Schienen vor den Mineneingängen. Ein paar Bergmänner starren uns überrascht an, greifen aber nicht ein. Die Soldaten ändern ihre Marschrichtung und setzten zur Verfolgung an. Ohne zaudern beschwört Julius fünf Kreaturen, die wie Pferde aussehen. Rasch besteigen wir die Wesen und reiten so schnell es geht an einem Flusslauf entlang, hinauf in die Eisenfelsen. Bald fallen Hüttenstadt und seine Soldaten weit hinter uns zurück. Irgendwann wird der Pfad so schmal, dass die „Pferde“ ihn nicht mehr nutzen können. Wir setzen unseren Weg zu Fuß weiter, bis wir gegen Mittag eines Rast einlegen.
Kleckser studiert zusammen mit Julius Hendrik Abel die Karte des Magiers. Er schätzt, dass wir noch einige Tage brauchen werden, um den Tafelberg zu erreichen. Als nächstes Zwischenziel bestimmt Kleckser einen See.
Wir folgen dem Flusslauf, während das Terrain immer steiler und steiniger wird. An einer flachen Stelle waten wir durch das Gewässer und stehen vor einer schroffen Steilwand. Gekonnt erklimmt der Ork diese und lässt dann für die anderen ein Seil herunter. Julius verliert beim Aufstieg den Halt, stürzt und schlägt sich schmerzhaft den Kopf an. Vater Garwin spricht ein Gebet um Schädel und Ego des Magiers zu heilen. Dann klettern er und Knirps Made am Seil nach oben. Julius schließlich wird von Klecksers Muskelkraft hinaufgezogen.
Vor uns bereitet sich ein klarer, kalter Gebirgssee aus, der von einem steinigen Ufer gesäumt wird, an dem nur ein paar einsame Tannen stehen. Der See wird von einem Wasserfall gespeist, der sich tosend einen Berghang hinunterstürzt. Wir beschließen, hier unser Nachtlager aufzuschlagen und morgen unsere Wanderschaft fortzusetzen.

Julius murmelt eine magische Formel und zaubert eine Blockhütte herbei, die uns für die Nacht Schutz und Komfort bieten soll. Vater Garwin zieht aus seiner Reisetasche die Kristallkugel hervor. Deren Inneres bleibt in Nebel gehüllt und die Pixies, die ihm schon oft den Weg gezeigt haben , schwärmen nicht aus. Während er Nachtwache hält, bemerkt Vater Garwin ein geheimnisvolles, bläuliches Glitzern am Flusslauf. Als er näher kommt, erkennt er, dass es kleine Steine sind, die im Licht es Mondes schimmern und glänzen. So was hat Vater Garwin schon einmal gesehen, am Ufer des Fossensees in Pfeilers Ruh. Den Legenden der Zwerge, die sein einstiger Weggefährte Gurni Grundison erzählt hat, handelt es sich um Gestein aus dem tiefsten Kern der Welt. Es gilt als magisch und von der Leere berührt.
Der Priester sammelt ein paar der Steine ein und verwahrt sie in seinem Beutel. Als er zu seinem Platz vor der Blockhütte zurückkehrt, bemerkt Vater Garwin, dass seine Kristallkugel leer ist. Dafür tanzen Funken drüben bei der Tannenschonung durch die dunkle Nacht.

Dort sitzt, umschwärmt von den Pixies, der mysteriöse Wildelf, der unlängst den Wächter der Gärten tötete, aber das Leben von Wylan und Knirps Made verschonte. Der Priester schleicht zur Blockhütte zurück und weckt den Goblin. Knirps Made gelingt es, mit dem Wildelf zu sprechen. Nach kurzer Unterredung wird ein fragiles Zweckbündnis geschlossen, um sich gemeinsam der Bedrohung durch den Inquisitor zu stellen.

05.09.889 n. G. – Im Morgengrauen berichten Vater Garwin und Knirps Made von der nächtlichen Begegnung mit dem Wildelfen. Als wir aufbrechen, taucht der fremde Krieger aus der Tannenschonung auf und hebt die Hand zum Gruß. Gemeinsam setzten wir unseren Weg zum Tafelberg, in dem sich der Drachenhort verbergen soll, fort. Durch ein Portal von Julius Hendrik Abel gelangen wir hinauf auf die Steilwand, von welcher sich der Wasserfall donnernd in die Tiefe stürzt. Wir folgen dem Fluss, der durch ein tief eingeschnittenes Tal in die Ferne führt. Als es dämmert, beschwört der Magier wieder eine Blockhütte, in deren Schutz wir uns zurückziehen.

06.09.889 n. G. – Während seiner Nachtwache beobachtet Knirps Made den Wildelfen argwöhnisch. Das schwarze Elfenschwert wispert in den Ohren des Goblins: Die verfluchte Klinge begehrt die Seele des Elfen. Doch Knirps Made weist diese Gier in ihre Schranken. Zuerst muss der Leerenstein zerstört werden. Nichts ist wichtiger!
Als Kleckser später in der Nacht Wache schiebt, bemerkt der Ork, wie die Pixies aus der Kristallkugel ausschwärmen und den Wildelf umkreisen. Die winzigen Feenwesen scheinen dem Elfen allerhand zuzuflüstern. Hin und wieder antwortet der Krieger ihnen, doch Kleckser kann ihre Sprache nicht verstehen. Als sich die Wache des Orks zu Ende neigt, kehren die Pixies wieder in ihre kristallene Behausung zurück.

Beim Frühstück konfrontiert Kleckser Vater Garwin und den Elfen mit seiner Beobachtung. Stecken die beiden irgendwie unter einer Decke? Der Priester wehrt ab. Doch es wird Zeit, dem neuen Weggefährten etwas mehr auf den Zahn zu fühlen. Knirps Made fungiert als Übersetzer und fragt zunächst nach dem Namen des Wildelfen. Dieser stellt sich als Roban vor. Bei der Beantwortung weiterer Fragen hält sich der Krieger jedoch sehr bedeckt. Insbesondere über den Bruderkrieg zwischen den städtischen Elfen von Alfheim und seinen wilden Artgenossen und der Rolle der Sommerkönigin will er nicht mit uns Sterblichen sprechen. Somit bleibt uns nur darauf zu vertrauen, dass er Carabandius ebenso aufhalten will wie wir.

13.09.889 n. G. – Nach mehreren beschwerlichen Reisetagen durch die karge, einsame Gebirgslandschaft der Eisenfelsen erreichen wir das entlegene Tal, das uns laut Karte zum Tafelberg führen wird. Kleckser hält nach Spuren von Carabandius Ausschau und entdeckt drei längst erkaltete Feuerstellen.
Der Inquisitor muss mit einem ganzen Tross unterwegs sein.
Später am Vormittag kommt das Ende des Tals in Suchweite und mit ihm endlich der Tafelberg, zu dem wir unterwegs sind. Von einer Anhöhe aus erkennen wir, dass zwischen uns und dem Ziel unserer Suche noch ein dichter Wald liegt, in dessen Zentrum sich ein weiterer See befindet. Kleckser prägt sich die Richtung ein und führt uns sicher durch die dunkeln Kiefern bis zu dem Gewässer, das wir etwa zur Mittagsstunde erreichen. Den See zu umrunden würde uns wieder einige Stunden kosten. Julius Hendrik Abel, kürzt den Weg ab, in dem er ein Portal hinüber zum anderen Seeufer zaubert. Nachdem wir so das gegenüberliegende Ufer erreicht haben, beschwört der Magier einen Turm herauf, da wegen des dichten Baumbestandes hier kein Platz für die Blockhütte ist.

Wir haben uns noch nicht zur Nachtruhe gebettet, als plötzlich ein leichtes Beben den Boden unter uns zittern lässt. Vorsichtig verlässt Vater Garwin den Turm. Draußen steht der Vollmond bleich am dunklen Nachthimmel. Glücklicherweise hat der Turm durch das Beben keinen Schaden genommen.
Im Inneren befragt Julius Hendrik Abel seine magischen Spielkarten. Geschickt lässt er sie durch seine Finger gleiten und fragt dann: „Gibt es einen Drachen am Tafelberg?“ Er deckt die erste Karte auf und sie bejaht seine Frage mit dem Symbol eines grünen Drachens. „Ist Carabandius am Tafelberg?“ Auch die zweite Frage wird durch die Karten bejaht. „Arbeitet Carabandius mit dem Drachen zusammen?“ Dieses Mal antworteten die Karten mit „Nein“. „Kann der Drache korrumpiert werden, wenn er den Leerenstein frisst?“ Wieder ist die Antwort ein unheilvolles „Ja“. „Hat Carabandius den Drachen bereits gefunden?“ Als der Magier die Karte umdreht, zeigt verneint sie zu unserer Erleichterung diese Frage. Also bleibt noch Zeit, um den Inquisitor aufzuhalten. Knirps Made fragt Roban, ob der Elf etwas über Drachen weiß. Schließlich lebte sein Volk hier in der Nördlichen Weite, lange bevor die Menschen kamen und dem Landstrich diesen Namen gaben. Aber es ist viele Jahrhunderte her, dass sich Drachen und Elfen begegneten. Roban kann sich kaum noch an diese Kreaturen erinnern.
In der Ferne erklingt ein einsamer Glockenschlag und verhallt über dem Tal.
Roban erklimmt das Turmdach und sieht zwischen einigen Felsbrocken am Hang des Tafelberges einen Stofffetzen flattern. Selbst seine scharfen Elfenaugen können auf diese Entfernung nicht erkennen, um was es sich dabei genau handelt. Möglicherweise eine Fahne oder der Teil eines Zeltes.
Langsam verstreichen die Stunden der Nacht. Nachdem Kleckser seine Wache beendet hat, verlässt er den Turm und schlägt sein Lager draußen am Seeufer auf. Vater Garwin erklimmt das Turmdach, das sich hoch über die Kiefern erhebt. Dort, wo er das Lager von Carabandius vermutet, ist nur Finsternis zu sehen. Weiter oben jedoch, an der Kante des Tafelberges, sieht der Priester einen schwachen Lichtschein. Als Vater Garwin wieder in den Turm hinabsteigt, findet er Roban erneut von den Pixies umschwärmt vor. Die leuchtenden Feenwesen sind aufgeregt und tuscheln etwas von einer drohenden Gefahr. Vater Garwin berichtet Roban von dem Feuer auf dem Berg Dann weckt er Knirps Made und bittet den Goblin, die Lage auszukundschaften. In Eulengestalt schwingt sich Knirps Made in die Lüfte und fliegt lautlos in Richtung Tafelberg.
Seine Flügel tragen ihn über ein zerstörtes Feldlager. Zwischen etwa einem Dutzend zerfetzter Zelte und zerbrochenen Gegenständen liegen die Leichen mehrere Menschen, umgeben von dicken Felsbrocken. An einer Stange hängt eine einsame Glocke. Kräfte Flügelschläge tragen den Goblin höher und höher, bis der den Rand des Tafelberges erreicht. Unter Knirps Made erstreckt sich jedoch kein Felsplateau. Stattdessen klafft dort ein tiefer, weiter Abgrund, wie eine Wunde im Gebirge. Am Grund des Schlundes breitet sich eine schimmernde Schneefläche aus. Knirps Made sinkt etwas tiefer und erkennt, dass sich in der Mitte des Kraters unter dem Schnee noch eine Art Spalte verbirgt. Ein deutlicher Schwefelgestank hängt in der kalten Nachtluft. Oder sind es die Ausdünstungen eines schlafenden Drachen? Beunruhigt fliegt der Goblin wieder höher, vorbei an einigen Höhlen, die sich in der Felswand öffnen. Knirps Made steuert den Rand des Kraters an, wo er den rötlichen Schein eines kleinen Lagerfeuers deutlich erkennen kann.
Neben dem Feuer wurde eine Zeltplane als Schutz vor der Witterung aufgespannt. Unter der Plane ruht eine Gestalt in einem Schlafsack. Es ist viele Monate her, seit Knirps Made den Inquisitor Estren Carabandius das letzte Mal gesehen hat. Der Mann dort vor ihm wirkt ausgezehrt, die Augäpfel sind tief in den Schädel eingesunken, über den sich die wächserne Haut spannt. Und doch ist sich Knirps Made sicher, den Herold der Leere vor sich zu haben – schlafend und schutzlos. Kaum hat er seine wahre Gestalt wieder angenommen, hört der Goblin das gierige Flüstern seines verfluchten Schwertes. Die Elfenklinge begehrt die verdorbene Seele des Inquisitors mehr als alles andere auf der Welt. Und was wäre schon dabei?
Bloß ein Schlag mit dem Schwert, und die Bedrohung für die Welt wäre vorbei. Der Mord an einem korrumpierten Menschen, um alles Leben vor dem Dämonenfürsten zu retten …
Mit kalter Entschlossenheit zieht Knirps Made sein Schwert, hebt es hoch über den Kopf – dann stößt er die scharfe Klinge aus schwarzem Leerenstahl tief Carabandius´ Brustkorb hinein.

14.09.889 n. G. – Im Morgengrauen kehrt Knirps Made erschöpft zum Turm zurück und berichtet seinen Gefährten, das Carabandius tot ist. Als Beweise präsentiert er die silberne Schädelmaske des Inquisitors und dessen Siegelring. Alle sind sprachlos vor Erleichterung. Der Herold der Leere konnte aufgehalten werden, bevor er den Drachen fand. Vorerst ist der Weltuntergang abgewendet worden. Doch was soll nun mit dem Leerenstein geschehen?
Soll das gefährliche Artefakt einfach der Wildnis und dem Vergessen überlassen werden? Zwar wissen Xerras und Rose noch von der Existenz des Leerensteins, doch nicht wo er sich befindet. Könnten die gefallenen Elfen noch auf der Spur des Steins sein? Was ist, wenn der Drache durch den Leerenstein angelockt und zum neuen Herold wird?

Schließlich spekuliert die Gruppe sogar darüber, ob Carabandius wiederbelebt und nach dem Verbleib des Artefaktes befragt werden könnte. Während sich Knirps Made ausgelaugt schlafen legt, zieht sich Vater Garwin auf der Suche nach Antworten zum Gebet zurück.

Plötzlich fährt ein Ruck durch die Erde. Als der Priester seine Augen öffnet, findet er sich in einer Einöde wieder, in der sich ein hoher, weißer Turm erhebt. Das imposante Gebäude erinnert an die Elfentürme in Kreutzing, jedoch ist dieses Bauwerk noch majestätischer. Ganz im Turm erkennt Vater Garwin leuchtende Fenster. Als er näher kommt, öffnet sich eine Tür in der schneeweißen Turmmauer. Im Inneren schraubt sich eine Treppe hinauf in die Spitze des Bauwerkes. Vater Garwin folgt den Stufen und steht schließlich in einem hellen, von hohen Fenstern gesäumten Raum.
Dort erwartet ihn eine schlanke, androgyne, weißhaarige Gestalt. „Mein Kind, es ist nicht lange her. Bist du mit deiner Entscheidung zufrieden?“, erkundigt sich Der Eine Gott mit freundlicher Stimme. Vater Garwin weiß, dass es um seine Wahl geht, Wylan nicht wieder ins Leben zurückzuholen. Doch nun hat er ein anderes Anliegen. „Wo befindet sich der Leerenstein?“
Der Eine Gott lächelt. „Das kann ich dir sagen. Aber du kannst es nicht erzwingen. Den toten Inquisitor kannst du wiederhaben. Kehre zurück, sprich deine Gebete und er wird leben. Du weißt doch, was zu tun ist.“ Ja, Vater Garwin weiß, wie dies bewerkstelligt werden kann. Und er weiß auch, welchen Preis er für diese Wiedererweckung zahlen müsste. „Wie kann der Leerenstein zerstört werden?“, bittet der Priester die Gottheit um Wissen.
Ein weiteres Lächeln. „Ist das nicht die Frage deiner Existenz?“ Eine Gegenfrage, um Vater Garwin in die gewünschte Richtung zu lenken. Der Eine Gott hält Vater Garwin seine geöffneten Hände hin. „Wer könnte wie Margarete sein? Reinen Herzens und fest im Glauben ihren Platz einnehmen und den Leerenstein in sich selbst verwahren? Wer könnte den Preis zahlen, um diese Welt vor der Vernichtung zu bewahren? Wer könnte in den See zurückkehren? Mit den Jahrhunderten würden sich Zweifel einschleichen und der Schmerz wachsen. Es müssten Opfer erbracht werden, um dich am Leben zu erhalten, wenn auch in anderer Gestalt. Mein Kind, vertraue mir. Ich bin die Liebe und das Licht. Du musst deine Zweifel überwinden. Du bist mein liebstes Kind, vergiss das nicht.“ Die Entität, die als Der Eine Gott verehrt wird, und hinter dessen freundlichem Gesicht sich noch etwas anderes verbirgt, wie Vater Garwin weiß, lächelt noch immer, als der Priester die Stufen wieder hinabsteigt. Beim Verlassen des Turms sieht er den dunkeln Schatten eines Drachen über den Nachthimmel gleiten
Vater Garwin schlägt die Augen auf und kehrt zu den anderen zurück. Julius Hendrik Abel ist gerade wieder dabei, seine magischen Spielkarten zu befragen. „Ist Carabandius tot?“ „Ja“, antworten die Karten. „Hatte er den Leerenstein bei sich?“ Wieder ist die Antwort „Ja“. „Ist der Leerenstein noch bei ihm?“ Dieses mal lautet die Antwort „Nein“. „Hat der Mörder den Leerenstein?“ Die Karten bejahen diese Frage. Der Magier stellt eine Frage, deren Antwort er im Grund schon kennt. „Ist Knirps Made der Mörder?“ Gefasst dreht er die Karte um: „Ja“. „Trägt er den Leerenstein bei sich?“
Wieder lautet die Antwort schonungslos „Ja“.
Sofort herrscht Anspannung im Raum, als sich die Gefährten zu Knirps Made umdrehen. Mit einer fließenden Bewegung zieht der kleine Goblin sein verfluchtes Schwert; die Augen tiefschwarz vor Verderbnis. „Geht und lasst mich allein! Ich hole mir die Seele des Drachen.“ Hinter Knirps Made manifestiert sich ein wabernder, schwarzer Dämon. „Ich will euch nicht töten, aber hier trennen sich unsere Wege!“ Ohne ein weiteres Wort der Aussprache stellen sich Roban, Vater Garwin und Julius dem alles entscheidenden Kampf. Kleckser jedoch, ebenfalls schwer von der Verderbnis gezeichnet und seit jeher enger Freund des Goblins, schlägt sich auf Knirps Mades Seite. Mit einen Kriegsschrei wirft sich der Ork auf Abel, doch dessen arkaner Schild hält seiner Axt stand. Roban schießt einen Pfeil auf Knirps Made, der mit Wucht in den Leib des Goblins einschlägt. Vater Garwin schmettert Liturgien und stärkt dem Elfen und dem Magier den Rücken.
Julius spricht eine Zauberformel, um Kleckser zu teleportieren. Das Magienetz beginnt den Ork einzuhüllen, wird jedoch plötzlich von Knirps Made gestohlen und auf Julius zurückgeworfen. Die Gestalt des Magiers verschwimmt und löst sich scheinbar in Luft auf. Der Dämon stürzt sich wie ein Schatten aus Tentakeln auf Roban und Vater Garwin. Knurrend sucht sich Kleckser ein neues Opfer und seine Wahl fällt auf den Priester. Vater Garwin beschwört einen Hammer aus göttlichem Licht, um sich gegen die Schergen des Dämonenfürsten zur Wehr zu setzen. Der Kampf wogt erbarmungslos und mit voller Härte hin und her. Mehrfach wird Knirps Made schwer verwundet, doch finstere Mächte lassen sein Fleisch immer wieder heilen. Vater Garwin bricht unter einem gewaltigen Schlag Klecksers zusammen, sein leuchtender Hammer erlischt.
Aus vielen Wunden blutend flieht Roban, in dem er sich in den Wald teleportiert. Auch Julius Hendrik Abel gelingt es, mittels Magie in den Kiefernwald zurückzerren. Aber er taucht er viele Wegstunden auf. Er lässt sich magische Flügel wachsen und versucht so, rechtzeitig zum Turm zurückzukehren.

Als Vater Garwin noch einmal die Lider hebt, sieht er, wie Knirps Made und Kleckser den Turm verlassen, um zum Tafelberg zu eilen. Dann hüllt ihn die eisige Finsternis des Dämons ein. Der Priester haucht sein Leben aus.

Roban schleppt sich zum Turm zurück und findet ihn tot vor. Er sieht die Spuren des Orks und Goblins und versucht, sie einzuholen. Als Julius Hendrik Abel wenig später am Turm eintrifft, ist er von dem Anblick des toten Vater Garwin so erschüttert, dass ihn aller Mut verlässt. Er nimmt den Leichnam an sich und teleportiert sich mit ihm zusammen nach Hexton.

„Nimm es nicht so schwer, mein Kind.“
Vater Garwin findet sich in der Kammer des Elfenturms wieder. Der Eine Gott steht ihm gegenüber.
„Was soll das heißen? Wir müssen doch versuchen…“
Der Eine Gott hebt die Hand.
„Es ist zu spät. Dein Versuch ist bereits gescheitert. Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten. Erstens: Knirps Made und Kleckser töten den Drachen. Mit dessen Seele hat der Leerenstein genug Macht, um den Schleier zu zerreißen und den Dämonenfürsten einzulassen. Zweitens: Knirps Made und Kleckser werden vom Drachen getötet. Der Leerenstein fällt an das Monstrum, das dadurch wiederum zum Herold der Leere wird. Er zerreißt den Schleier, um den Dämonenfürsten einzulassen.“
Der Eine Gott legt seine beiden Handflächen aufeinander.
„Welche Wendung des Schicksals auch immer eintritt: Der Dämonenfürst bricht durch und verschlingt die Welt.“
Als sich die Hände wieder öffnen, schwebt darin ein rundes, helles Licht. Langsam breitet sich Finsternis über der leuchtenden Sphäre aus, verschlingt sie und verblasst dann.
Mit versteinertem Gesicht starrt Vater Garwin auf die Stelle, in der sich eben noch die kleine, leuchtende Sphäre drehte.
„All diese Leben … all diese Seelen … wie soll ich das nicht schwernehmen?“
Der Eine Gott wendet sich den hohen Fenstern zu.
„Es gibt noch andere Welten als diese. Sieh nur.“
Vater Garwin hebt den Blick und schaut zu den Fenstern, vor denen dichter, schillernder Nebel treibt. Langsam weichen die Schwaden ein Stück zurück. In der Ferne meint Vater Garwin ein fremdes Tal zu sehen, das sich nach und nach aus den Nebeln erhebt.
„Eine … andere Welt?“, hört er sich selbst fragen.
„Eine andere Welt“, antwortet die Stimme des Einen Gottes.
„Während die Geschichte einer Welt endet, wird in einer anderen gerade ein neues Kapitel aufgeschlagen. Mit anderen Leben. Anderen Seelen. Mit einem Tal, das lange in den Nebeln verborgen war. Ein unentdecktes Land…“

Ende

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