31.Oktober 1880
Nach der Begutachtung des Schlosses ließen sich die erschöpft wirkenden Mitglieder der Erbengemeinschaft in die Pension Paracelsus bringen, um dort eine hoffentlich geruhsame Nacht mit tiefem Schlaf, zur Verarbeitung der verwirrenden neuen Eindrücke zu verbringen.
Dort angekommen ersuchte Norvid die Dienste von Madame Laukonen als Medium und bekam einen baldigen Termin in Aussicht gestellt. Als die, nun neu gebildete Gemeinschaft der Sehenden ein wohlschmeckendes Abendessen im Salon einnahmen, bekamen sie Gesellschaft von einem anwesenden Gast.
Dr. Giacomo Matteo Falcone stellte sich den Gefährten als Arzt vor, der seit 10 Jahren in Upsala weilte, nichts von den Methoden der praktizierenden Mediziner in der Nervenheilanstalt hielt und durchaus schon des Öfteren im Schloss Gyllenkreutz, durch Vaesen erzeugte, Wunden behandelt hatte.
Diese Eröffnung brachte ihm viele skeptische, eigenartige und indiskrete Fragen seiner Tischnachbarn ein, die er beantwortete oder umging, ohne dabei an Charme und Verbindlichkeit zu verlieren. Bevor er die Pension verließ, lud er noch freundlich zu Besuchen und Gesprächen in seiner Praxis ein.
Kaum dass Mme Laukonen erschien, um nach ihren Gästen zu sehen, geriet sie ins Kreuzverhör, um sich Fragen über Dr. Falcone zu stellen. Sie gab Preis, dass Dr. Falcone kein Sehender und seine Frau kein Mitglied der Gesellschaft von Schloss Gyllenkreutz gewesen war – sie aber tragischerweise den Tod durch ein Vaesen gefunden hatte.
Nachdem sie sich zur Nachtruhe zurückgezogen hatte, nutzten die künftigen Wächter der Vaesenwelt die Gelegenheit, um sich von den Begegnungen zu erzählen, die sie zu Sehenden gemacht hatten. Alles sämtlich schauerliche Begebenheiten.
Angefangen von Linda, die eine Woche die gefangene eines Trolls gewesen war, über Ida, die mit hatte ansehen müssen, wie ein Grimm einen Menschen zerfleischt hatte. Über Norvid, der Dank einer Vätte ein paar Tage aus der Perspektive einer Ratte hatte erleben dürfen und Klara, die die Erinnerung an die Begegnung mit einem Myling immer noch erschauern ließ. Unter Elsas Händen war eine Leiche plötzlich erwacht um sich selbständig zu machen und Bengt überlebte als Einziger seiner Besatzung einen, alles in die Tiefe ziehenden nautischen Strudel, den eine Seeschlange erzeugt hatte.
Auf die Frage, wie man sich neuerlicher schauriger Erlebnisse erwehren könne, erfolgte eine vierstimmige Antwort: mit List oder Wissen oder Güte oder Feuerkraft.
Von den Erzählungen endgültig erschöpft, begaben sie sich zur Ruhe, um unruhige Träume zu träumen. Als einzige Gäste der Pension. Ida hatte gesehen, dass die Pension einzig für die Erbengemeinschaft gebucht worden war – und doch stellten des morgens Bengt und Klara fest, dass sich Jemand auf dem Flur, und somit in der Pension aufgehalten haben musste.
Klara, Bengt, Ida und Norvid untersuchten den Gang mit den durchnummerierten Zimmern (bei denen die Nummer 7 fehlte) und auch die düsteren Gemälde, die dort hingen. Elsa und Linda hingegen begaben sich schon zum Frühstück. In undekorierten Nischen erschien immer irgendwann lautlos Rasgujev, um Hilfe beim Tragen von Gepäckstücken anzubieten, was die Gruppe veranlasste, Spekulationen über ihn und die, heute morgen abwesende, Mme Laukonen anzustellen. Waren sie Vaesen und konnten nur von ihnen gesehen werden?
Einen Großteil des Weges zum Schloss, zu dem sie nun aufbrachen, reisten sie per Kutsche. Allerdings wollte der Kutscher nicht in die Nähe des Schlosses geraten und so erreichten sie ihre neue Heimstätte Schloss Gyllenkreutz schließlich zu Fuß.
Verwalter Frisk, seine Enkelin Johanna und seine Urenkelin Viola, welche Elsa erschreckend an die viel zu wache Leiche aus ihrer Vergangenheit erinnerte, erwarteten sie bereits.
Herr Frisk stellt uns die zwei neuen Hausdamen vor. Johanna und Viola. Johanna ist seine Enkelin und etwa 40 Jahre alt. Viola, die jüngere ist Johannas Tochter. Elsa wird angesichts der jungen blonden Frau ganz bleich um die Nase, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Klara bietet ihr ein Glas Wasser an, ohne zu wissen, wo sie eines findet.
Der Verwalter nimmt unsere Koffer und trägt sie mühelos zu unseren Quartieren. Es sind sehr große Zimmer mit riesigen Betten, Garderobe, Kleiderschrank, alles, was man braucht. Sogar zwei große Bäder, einmal für die Damen und die Herren separat stehen uns zur Verfügung. Sogar an frische Blumen wurde gedacht.
Elsa, Norvid und ich gehen in die Bibliothek, um uns einzulesen. Kurz darauf kommt Johanna und bittet uns in den Salon. Elsa bleibt beharrlich in der Bibliothek. Novit und ich folgen ihr. Herr Frisk möchte uns auf die Gesellschaft einschwören und Bengt möchte für die körperliche Ertüchtigung der Mitglieder sorgen. Der Verwalter sagt dazu, dass diese Aufgabe dem Hüter zusteht. Diese Rolle hatte Frau Elfeklint inne. Weitere Posten waren der Kaplan für die Seelsorge, das ist wohl meine Rolle. Einen Rüstmeister, einen Wächter, einen Schatzmeister, einen Schlosswart, einen Bibliothekar und einen Schattenweber.
Algot Frisk bittet uns in den Keller, ich hole Elsa, damit sie mit uns kommen kann. Er führt uns in einen großen Saal, in dem sich eine Statue der Artemis befindet. Kerzen erhellen den Raum und erklärt uns die Funktion dieses Raumes. Feierlich spricht er das Bekenntnis zu dieser Gesellschaft. Ich soll Artemis einen Schwur leisten? Ich weiß noch nicht, ob ich dazu bereit bin. Hinter der über 2m hohen weißen Artemis Statue, hängt auch ein Kreuz. Eine seltsame Kombination zweier Religionen.
Wir gehen wieder hinauf. Da klingelt es an der Tür. Bengt öffnet die Tür. Eine junge Frau mit Schlägermütze auf dem Kopf und mit Kippe in der Hand, stellt sich als Ingrid Bäcklund vor. Sie ist Journalistin der Upsala Gazette und bittet um ein Interview. Bengt gibt ihr einen Termin zu 15 Uhr. Sie klingelt erneut, doch wir ignorieren sie. Algot schlägt für das Interview den Konferenzraum vor.
Dann berichtet er uns, dass Post bei der Kanzlei für uns hinterlegt wurde und wir diese abholen müssen. Es ist wohl üblich, dass die Mitglieder der Gesellschaft Ihre Post immer über die Kanzlei erhalten. Bengt erkundigt sich, seit wann die Boten der Kanzlei keine Post mehr bringen und wir erfahren, dass nachdem die Anführer Baronin Kokola, Professor Wredenhielm und Gräfin Thulenstierna die Gesellschaft verlassen hatten, alles niederging. Und somit auch die Post ausblieb.
Die Journalistin lässt es sich nicht nehmen, uns noch ihre Visitenkarte in die Hände zu drücken, bevor wir in die Kutsche zur Kanzlei steigen. Ein Mitarbeiter dort, übereicht uns einen versiegelten Umschlag. Es ist ein Flugblatt für eine Veranstaltung der Tanz der Träume. „Trefft mich heute Nacht im Gasthaus Hexenkatze, Olaus“ wurde handschriftlich hinzugefügt. Woher weiß dieser Olaus Klint von uns?
Im Café Bürgers & Bäcker empfängt uns die Eigentümerin Helena Skytte besorgt mit den Worten: „Das ist ganz schrecklich, Linnea hat sich wieder in die Nervenheilanstalt eingewiesen, ich mache mir große Sorgen.“ Sie fragt, ob wir wissen, was sie so aufgewühlt haben könnte. Frau Elfeklints behandelnder Arzt dort ist Dr. Oscar Borelius. Wir erfahren, dass sich Mitglieder der Gesellschaft regelmäßig einweisen lassen haben, um Erlebtes zu verarbeiten. Auf das Gasthaus Hexenkatze angesprochen, sagt Helena, dass das es nur 2 Stunden mit der Kutsche entfernt Richtung Sigtuna liegt und dort wohl früher des öfteren Versammlungen mit der Gesellschaft abgehalten wurden. Norvid lässt Linneas Lieblingsgebäck einpacken und wir machen uns per Kutsche auf den Weg zur Nervenklinik.