Die Erbengemeinschaft

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Sonntag, 30. Oktober 1880

Seit ich Zeuge wurde, wie der Grimm die Kirchendiebe zerfleischte, bin ich mir sicher, das ist der Beginn einer heiligen Mission, auf die ich mich begeben muss. Diese Stimme, die mir immer wieder einflüstert, dass ich zu Höherem bestimmt sei, als eine Priesterin in zweiter Reihe in Stockholm zu sein, bestärkt und ängstigt mich zugleich.

Unser Bürgermeister Ulf Svensson wird mich vermissen, mit wem soll er seine neuesten Pläne beraten, wenn ich fort bin? Meine struppige Katze Freda werde ich mitnehmen, sie hat den Grimm auch gesehen, ihr und Gott vertraue ich meine Sorgen an.

Heute ist ein grauer Tag. Abgekämpft von der Arbeit als Seelsorgerin und gepeinigt von den immer wiederkehrenden Gedanken an den Anblick der zerfleischten Diebe und dem fressenden Grimm, der mich mit blutverschmiertem Maul anstarrt, kehre ich heim. Alles in mir schreit nach einem Aufbruch.

Aus Gewohnheit schaue ich in das meist leere Postfach. Doch dieses Mal, befindet sich ein versiegelter Brief darin. Der Absender ist eine mir unbekannte Kanzlei aus Upsala. Eine personifizierte Zugfahrkarte 1. Klasse für einen Nachtzug und eine Hotelreservierung anbei. Sehr seltsam. Das Anschreiben stammt von Rechtsanwalt & Notar Henrik Anders Lundquist und betrachtet mich als Nachlassberechtigte der „Gesellschaft für Studien der Unsichtbaren und Schutz der Menschheit“. Das klingt mysteriös und spannend. Ich lasse mich auf unbestimmte Zeit von meinen Verpflichtungen entbinden, um auf Wallfahrt zu gehen.

So stehe ich bald am Bahnsteig, Freda auf der Schulter und eine Reisetasche in der Hand. Ich betrete den Zug und suche das reservierte Abteil auf und nehme Platz am Fenster. Eine blond gelockte Dame in grüner Kleidung sitzt bereits dort und mustert uns über ihr Buch hinweg. Eine zweite Reisegefährtin mit gestricktem Mantel setzt sich zu uns und positioniert ihren riesigen Hund Kajus zu Ihren Füßen. Ein Hauch von Rauschkraut zieht in meine Nase. Ein Mann, vermutlich ein Gelehrter mit schütterem Haar und Nickelbrille, er trägt eine Weste mit Taschenuhr, scheint ebenfalls unser Abteil gebucht zu haben. Dann gesellt sich eine anmutige Dame im Kleid und einer Taube in einem Käfig zu uns, sie echauffiert sich über den Hund. Ein hochgewachsener Mann mit Dreispitz und Bart, ein adretter Seemann, schaut in unser Abteil und marschiert, uns zunickend, Richtung Schlafabteil.

Ich beschließe, meine Reisegesellschaft mit etwas Harfenmusik zu erfreuen. Meine Sitznachbarin Linda Larelund freut sich darüber und erzählt mir von ihren Gesangskünsten. Ich stelle mich ihr ebenfalls vor und wir plaudern ein wenig.

Langsam dunkelt es draußen. Der Seemann kehrt mit einer Pfeife im Mund zurück. Da kommt der Schaffner herein, um uns ein paar Informationen anzusagen und unsere Fahrkarten zu kontrollieren. Er bemerkt, dass wir die gleiche Art von Fahrkarte nutzen. Der Seemann folgt dem Schaffner.

Da beobachte ich, wie ein Kobold den beiden folgt. Ich habe das Gefühl, das ich nicht die Einzige bin, die das bemerkt, es spricht aber niemand direkt an und so schweige auch ich. Linda hat es auf jeden Fall gesehen, sie macht eine Bemerkung dazu, doch niemand reagiert darauf. Der Seemann stellt sich mit von Hengistfjord vor und Elsa Mikaela Kwinnsgard, Herr Runesson, Frau Skorgorsdottir, Linda und ich, nehmen seine ausgesprochene Einladung auf einen Drink an. Zu sechst begeben wir uns in den Speisewagen.

Der Zug schaukelt leicht. Ein Bediensteter empfängt uns höflich im Speisewagen und fragt nach unseren Wünschen. Als einzige Gäste hier setzen wir uns und bestellen. Ich spreche ein Tischgebet und wir essen. Frau Skorgorsdottir fragt, mit dem Hinweis auf die Worte des Schaffners, nach unseren Tickets. Wir stellen fest, alle wurden von der Kanzlei Lundquist & Rask bezahlt und wir wurden zum selben Termin bestellt

Lara spricht über Erscheinungen, da rappelt plötzlich der ganze Zug, als hätte er etwas überfahren. Wir bekommen eine zweite Runde Drinks. Auf die Frage von Frau Skorgorsdottir, ob das öfter passiert, weicht er aus. Der Zug wird langsamer, ich spreche ein Reisegebet und streichele Freda.

Da unsere Wege zusammenlaufen, schlägt der Seemann vor, dass wir uns beim Vornamen nennen, und stellt sich mit Bengt vor. Die Dame in Grün, die es gewohnt zu sein scheint, Fragen zu stellen, heißt Klara. Die vornehme Dame mit Taube nennt sich Elsa, der Gelehrte heißt Norvid. Linda und ich nennen ebenfalls unsere Vornamen. Eine Stimme im Hintergrund reiht sich ein mit: Kollo. Auf die Frage wer ist Kollo, erhalten wir keine Antwort. Alle haben das gehört. Dann hören wir ein Geräusch, als wenn eine Klappe geschlossen wird und den Klang einer Münze.

Wir nehmen einen letzten Drink und gehen zu Bett. Ein Blick aus dem Fenster zum Weg ins Schlafabteil zeigt uns dicke Schneeflocken. Linda schläft bei Ihrem Hund im Abteil. Ich schlafe nicht gut, immer wieder schlagen Äste an den Zug und ich träume von dem Grimm. Das Zugsignal weckt mich vollends. Es dämmert, wir sind bald da. Ein Blick nach draußen zeigt eine geschlossene Schneedecke. Ich kleide mich an und gehe ins Abteil.

Linda zeigt uns eine Spur am Fenster und erzählt von einem Knall. Elsa sieht Federn an der Blutspur. Bengt erkennt, dass die Federn von einer Krähe stammen und einen grünen Schimmer aufweisen. Wir wundern uns sehr darüber, da Krähen keine Nachtvögel sind. Die restliche Fahrt bestaunen wir die bizarre Winterlandschaft und schließlich die ersten Eindrücke von Upsala.

Endlich sind wir da. Linda fragt den Schaffner nach einem Schloss, dass sie auf der Fahrt gesehen hat, als wir im Schlafabteil waren. Doch dieser kann das Gesehene nicht einsortieren. Klaras Frage zu Vogelkrankheiten, überfordert ihn ebenfalls. Er verweist auf einen Tiergarten. Bengt fragt nach dem starken Rumpeln, das den Zug verlangsamen lies, hier vermutet der Mann ein Tier auf den Gleisen. Ich schaue mir nun die Lok von vorne an. Finde aber keine auffälligen Spuren.

Da uns niemand in Empfang zu nehmen scheint, machen wir uns auf den Weg in die nahe gelegene Pension Paracelsus. Seltsamer Name für eine Pension. Norvid lässt sich den Weg erklären und wir gehen los. Bengt besorgt einen Stadtplan und organisiert einen Gepäckträger. Man merkt, dass er viel gereist ist.

Der aufgeweckte Straßenjunge mit Namen Nils empfiehlt sich als Stadtführer, auf Schloss Gyllenkreutz angesprochen, wird er unruhig und behauptet, dass es unbewohnt ist und dass es dort unheimlich ist und er nicht dorthin geht.

Das Hotel hat zwei Eingänge, eine Tür führt in die Hotellobby, über der anderen Tür finden wir die Inschrift Salon Laukonen, Wahrsagerin, Medium. Ich bin Wahrsagerin platzt es da aus Linda heraus. Verwundert schaue ich sie an. Es ist für sie das selbstverständlichste von der Welt.

Wir gehen durch die Hoteltür zur Rezeption. Die Beleuchtung ist spärlich. Sehr christlich ist dieses Etablissement nicht. Kein Kreuz im Eingang. Eine extravagant gekleidete Dame mit hellblauen Augen, empfängt uns mit leiser aber bestimmter Stimme. Wir überreichen ihr unsere Reservierungen. Ich schaue dabei in ihr Buch für die Buchungen und erkenne keine weiteren Reservierungen.

Bengt fragt nach ihrem Namen. sie heißt Madame Klara Valentina Laukonen und weist auf ihren Salon nebenan hin. Er ist sehr interessiert an all ihren Angeboten. Ein düsterer Diener Namens Rastoguyev (slawischer Namen) mit tiefer Stimme, trägt unsere Koffer nach oben. Bengt hat Zimmer 13. Norvid die 12, Linda die 8, ich die 9, Klara die 10 und Elsa die 11. Die Reservierung ist nur für eine Nacht.

Als wir erfrischt wieder vor der Tür stehen, erwartet Nils uns fröhlich mit 2 organisierten Kutschen. Nach zehn Minuten Fahrt, halten wir vor der Kanzlei. Ein pompöses Gebäude. Unsicher schaut Linda auf ihre Einladung. Wir stehen vor dem Eingang und Bengt betätigt den Türklopfer. Ein Schreiber mit Nickelbrille, Schnäuzer und aufgeschobenen Hemdsärmeln öffnet die Tür und bringt uns zu unserem Gesprächspartner nach oben.

Henrik Anders Lundquist empfängt uns pünktlich um 8 Uhr. Wir betreten sein edel ausgestattetes Büro und nehmen Platz. Zuerst werden wir alle gebeten, unsere vollen Namen zu nennen. Wir bekommen einen Brief von Linnea Elfeklint, mit der Einladung, sie am Mittag in einem örtlichen Café Bürger & Bürger zu treffen. Sehr seltsam. In dem Anschreiben nennt sie sich Hüterin – das hört sich nach einem Titel einer mir fremden Religion an. Jetzt wird es unheimlich, sie hat geträumt, dass wir den „Blick“ besitzen und wir deshalb Verbündete seien.

Der Notar überreicht uns Urkunden, die uns als Besitzer des Schlosses und als Mitglieder der Gesellschaft ausweisen. Auch ein großer Schlüssel wird uns überreicht. Es gibt einen Schlossverwalter Algot Frisk. Weiteren Fragen über das Erbe weicht er aus und verweist auf Frau Elfeklint. Danach ist er bereit, uns wieder zu empfangen. Schlüssel und Urkunden lassen wir in der Kanzlei, bis wir mit Frau Elfeklint gesprochen haben.

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