Mein schlimmster Alptraum

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Es war wieder so ein verfluchter Tag gewesen, der schlecht anfing, nur um dann noch schlechter zu werden. Das Wetter war mies, das zweite Austauschpferd fing an zu lahmen, an der Wechselstation gab es wieder nur Bohnen und Speck und dann hatte auch noch so ein verdammter Strauchdieb versucht mich auszurauben. Wie verzweifelt musste man sein, einen Ponyexpress-Reiter zu überfallen in der vagen Hoffnung von ihm etwas Wertvolles zu erbeuten?! Aber er hatte langsamer gezogen als ich und jetzt zierte ein kleines Loch seine Stirn und nicht meine.

Ich schlug mein Lager auf und schaute zum Firmament hoch… Vollmond, dieser bei allen Geistern verfluchte Vollmond. Wie ich ihn hasse! Und fürchte. Ich würde wahrscheinlich wieder schlecht schlafen. Aber wenn ich morgen die letzten 50 Meilen schaffen wollte, musste ich dringend schlafen. Kaum hatte ich meinen Kopf auf den Sattel gelegt, hatte der kleine Bruder des Todes schon seine Schwingen über mich gelegt. Tief und fest schlief ich, bis mich plötzlich ein Geräusch weckte.

Ich griff sofort zu meinen Waffen und schaute mich um, doch der Vollmond hielt sich hinter einer dichten Wolke versteckt. Mühsam passten sich meine Augen an die Finsternis an. Hinter dem nächsten Hügel hörte ich ein matschendes Geräusch und schlich mich langsam an. Plötzlich gab der Boden unter meine Stiefeln nach und ich rutschte einen Abhang hinab. Unten landete ich in einer Art Schlamm und ein übel riechender Geruch stach mir in die Nase. In der Dunkelheit versuchte ich, meine mir beim Sturz entglittene Waffe wiederzufinden, fand sie aber nicht. Meine tastenden Finger fanden etwas längliches Weiches. Ich hob es hoch und in diesem Moment kam der Mond hinter der Wolke hervor und beschien das Ding in meiner Hand.

Ein ARM, am Ellenbogen abgerissen. Mit einem Schrei ließ ich ihn fallen. Das matschende Geräusch, mit dem er auf dem Boden aufschlug, ließ mich nach unten schauen. Schiere Panik ergriff mich. Ich stand bis zum Knöchel in Blut. Und überall um mich herum lagen verstümmelte Körper und Körperteile. Wer konnte das hier getan haben? Ich stammelte halblaut zu mir selbst: „Was ist hier passiert? Wer war das?“ Kalter Schweiß brach mir aus, würgend übergab ich mich. Und noch während ich alles erbrach, was ich den letzten Tag gegessen hatte, hörte ich ein Geräusch hinter mir.

Gehetzt schaute ich mich um, doch da war niemand, niemand bis auf die zerfetzten Leichen. Aus toten Augen starrten mich Köpfe ohne Leiber an. Aus den Augenwinkeln meinte ich eine Bewegung wahrzunehmen. Ich schnellte herum. Doch auch dort war niemand. Ich musste hier weg, rannte los. Doch der Morast zog an meinen Füßen, also ob er mich festhalten wollte. Einige hastige Schritte schaffte ich, bis ich stolperte und der Länge nach in diesen widerwärtigen Leichenschlamm fiel.

Blutiger Schleim drang mir in Augen, Mund und Nase. Wieder würgte ich, bekam den Mund und die Nase frei, doch ein rötlicher Schimmer bedeckte meine Augen. Wie magisch angezogen starrte ich vom Boden auf zum rötlichen Mond, den Blutmond. Und dann hörte ich ein Wispern, kaum mehr als ein Hauch. Es schien von dem torsolosen Schädel vor mir zu kommen, auf dessen Hinterkopf ich blickte. Langsam, ganz langsam drehte er sich im Blut treibend und wandte mir seinen Blick zu. Bei allen Geistern, ja, er sah mich an, stierte mit gebrochenem Blick direkt in mein Gesicht, keinen Schritt von mir entfernt. Keinen Muskel konnte ich bewegen, lag wie gelähmt am Boden und starrte in das tote Gesicht eines Sioux.

Langsam bewegten sich seine Lippen und je näher er auf mich zu trieb, desto besser konnte ich verstehen, was er sagte: „Du fragst, was hier passierte? Wer das war? Wessen Schuld dies alles ist? Du kennst die Antwort, DU KENNST DIE ANTWORT! DUUUU!“ Die letzten Worte schrie er mir in mein Gesicht. Bluttropfen und Speichel spritzen in mein Gesicht und endlich schaffte ich es wieder auf die Beine. Ich rannte mit schmatzenden, saugenden Schritten und kam doch nicht von der Stelle. Untote Hände griffen aus der Blutsuppe nach mir und zerrten mich wieder zu Boden. Überall um mich herum wandten sich mir verzerrte Gesichter zu, und alle riefen: „Wer trägt die Schuld? WER TRÄGT DIE SCHULD???“ Und während ich zu Tode erschöpft zu Boden sank und meinen Widerstand aufgab, schrie ich: „ICH!!!“

Ob es mein Schrei gewesen war, oder etwas anderes, weiß ich nicht mehr, aber als ich aus dem Alptraum aufwachte, hatte noch mein laut geschrienes ICH!!! von den Bergen wieder. Mein Feuer war niedergebrannt, und ich hatte meine Decke so fest um mich gezogen, dass ich zuerst dachte, gefesselt zu sein. Mühsam wickelte ich mich aus der Decke und setzte mich auf. „Nur ein verfluchter Alptraum!“, sagte ich laut zu mir selbst. Ich atmete tief durch und beruhigte mich.

Da griff auf einmal eine klauenbewehrte Pranke nach meinem Hals und riss mich in die Höhe. Mir die Kehle zudrückend hielt mich eine Kreatur, mehr Wolf als Mensch, zappelnd vor sich in die Höhe. Scharfe Klauen drückten sich in meinen Hals, als sie mein Gesicht ganz nah an ihr furchtbares Maul hielt. Ich rieche den fauligen, blutschwangeren Atem des Monsters, spüre ihn sogar auf meiner Haut. Ich sehe den mit Blut vermischten Geifer von ihren langen Fängen tropfen. Mich mit gelblichen Augen anstarrend und mit kehliger Stimme raunt meine Makona, mein geliebte Frau, mir zu: „Wer hätte mich retten können? Wer?“

Und noch während ich entsetzt aufwache, antworte ich: „Ich!“. Und noch lange bin ich mir nicht sicher, wirklich aus dem Alptraum erwacht zu sein und in meinem Kopf hallt das Wort: ICH!

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