Wilbur Weinberger

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Ja Krätze, heute haben wir wirklich was geschafft. Wenn Du weiter so ein Tempo vorlegst, musst du mir bald Unterricht im Schreiben und Sprache geben. Aber genug für heute, lass uns auf die Veranda setzen und den Sonnenuntergang ansehen und bei einem leckeren Becher Glückslebener Roten genießen. Was ich in meinem Leben getrieben habe? Das meiste ist schon so lange her. Aber ich kann dir gerne einen kurzen Abriss geben.

Mein Name ist Wil – Wilbur Weinberger. Seit sechs Jahren wohne ich hier in Pfeilersruh. Ein nettes ruhiges Dörfchen an der Einmündung des Silberflusses in das Düsterwasser und dem Alten Wald gelegen. Genau das Richtige für meinen Ruhestand. Die Bewohner sind einfach und friedlich. Dafür kommen genug Reisende durch den Ort und sorgen für Abwechslung.

Hier habe ich mir dieses altes Jagdhaus gekauft. Etwas nördlich von Pfeilersruh, schön am Alten Wald gelegen. Hier habe ich meine Ruhe und wenn mir doch mal nach Gesellschaft ist, gehe ich ins Gasthaus und musiziere mit meiner Laute für die Gäste. Eine Leidenschaft von mir! Ja, meistens gehe ich Donnerstags. Da gibt es immer Kohlroulade.

Wie ich hier hingekommen bin. Nun. Aufgewachsen bin ich in Hexton. Ich hatte Glück das mir meine Eltern eine Schulbildung finanzieren konnten. Und mit etwas Fleiß habe ich es sogar auf die Akademie von Hexton geschafft. “Taktik und Heeresführung” habe ich studiert. Sehr interessantes Gebiet. Ja, erst sah ich mich, hoch zu Ross, eine imperiale Arme anführen – aber ganz ehrlich: Ich wollte doch eine ruhigere und überschaubare Aufgabe. Mein Vetter Wimbald erzählte mir, das die Versorgung bei der Armee nicht das Gelbe vom Ei ist. Also habe ich eine Anstellung im Kreuzfahrer Orden auf Burg Martereck angenommen. Das ist schon bald 35 Jahre her. Dort habe ich die jungen Offiziere in Taktik und Truppenführung ausgebildet. Und das Beste, ich war teilweise in der Versorgung involviert. Ich weiß wo man um Festung Martereck das beste Gemüse, Obst, Wein und Bier besorgen kann. Hatte auch kurz überlegt dort einen kulinarischen Gasthof zu eröffnen, aber dann wäre ich vermutlich mein bester und einziger Kunde, dort draußen am Rande der Wüstnis. Da gibt es wirklich schönere Ecken in der Nördlichen Weite.

Zu erwähnen ist eine alte Bekanntschaft aus der Zeit an der Akademie von Hexton. Mit meinem alten Professor für Magietheorie dem Imperialen Zauberer Caribdus. Selten habe ich einen so guten Lehrer kennen gelernt. Er war bekannt dafür, dass er ein sehr enge Verbundenheit zu seinen Schülern pflegte. Deshalb war ich sehr erfreut, das er jetzt in Kreutzing wohnt und besuche ihn so oft es geht. Ich schätze seine Güte und Klugheit und die Gespräche bei einer Tasse Tee.

Ja, ich nehme dich das nächste mal auf jeden Fall mit, Krätze. Aber jetzt hör auf die Schnecken vom Kompost zu essen und hör zu.

Dann ist noch Rena zu erwähnen. Eine junge Offizierin aus dem Orden der Kreuzfahrer. Jung und begeisterungsfähig, so wie ich es einmal war. Sie hat sich Sterne in ihr Gesicht tätowiert, weiß die Weltenmutter warum.

Mit ihr bin ich nach meinem Ruhestand von Festung Martereck aufgebrochen. Ihr Weg führte sie nach Kreutzing, wo sie als Verbindungsoffizier des Ordens fungiert. Wir haben uns auf der Reise gut Verstanden und Kennengelernt. Heute ist sie immer noch dort, hat es aber in der Stadt zu einigem Einfluss gebracht. So sitzt sie im Stadtrat und ist die Kommandantin der Miliz von Kreutzing. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man sich so viel aufhalsen kann. Heute hat sie seltener Zeit für einen Humpen Bier. Aber wir sehen uns so oft es geht.

Ja, der alte Wald sieht toll aus im Licht des Sonnenuntergangs. Wusstest Du eigentlich, dass es in meinem Haus spukt? – Ja, leg die Ohren wieder an und lass die Dinger in der Nase wo sie hingehören. Das ist schon einige Jahre her. Da bin ich des Nächtens oft vom Rumpeln in meiner Speisekammer wach geworden. Jedes mal fehlte etwas. Mal ein halber Apfel, mal etwas Brot. Also habe ich mir gedacht, die Maus schnappe ich mir auf frischer Tat. Habe ich mich schlafend gestellt und gewartet. Als es wieder anfing zu poltern bin ich auf und rein in die Speisekammer. Ich konnte nur noch sehen, wie eine Halbe von Bauer Schinkes Mettwürsten sich auf den Weg machte und in einem Loch in der Wand nach draußen verschwand. Ich also raus und hinterher. – Nein, sie hatte keine Beine bekommen. Es schien eher so, als ob jemand unsichtbares sie hinter sich her zog. Draußen sah ich die Mettwurst im alten Wald verschwinden und ich nahm die Verfolgung auf. Gar nicht so einfach, aber für Wurst habe ich eine Nase, und es gelang mir dran zu bleiben. Bis zu einer Lichtung folgte ich Ihr, gut eine viertel Stunde in den Wald. Dort stand ein großer alter Baum der sehr krank aussah. Und zu seinen Füßen, auf den Wurzeln gelegen, meine Mettwurst von Bauer Schinke. Angst hatte ich nicht, trotz der Dunkelheit. Es war eher ein Gefühl von Traurigkeit das ich verspürte. Da vernahm ich ein Wimmern oder Stöhnen. Erst dachte ich, es ist der Wind, doch es war nahezu Windstill. Als ich mich der Mettwurst näherte, ich brauchte sie ja für meinen Steckrübeneintopf nach Weiler Art am folgenden Tag, vernahm ich eine Änderung im Stamm des Baumes. Im Schein meiner Laterne konnte ich die Konturen eines Gesichts erkennen. Es bildeten sich mädchenhafte Züge in der Rinde. Ein hübsches Gesicht, wenn es nicht so traurig und leidend drein geschaut hätte. Ich verspürte ein Mitgefühl, wie lange nicht mehr. Mein Herz schmerzte. – Kennst Du das Gefühl, etwas wichtiges zu verlieren? – Nein, nicht wie beim Verlust eines Löffels. – Wieso Löffel? Lenke nicht ab! Die Luft war schwer und es erschauderte mich, als die Stimme zu sprechen anfing. Ich konnte nichts verstehen. Am Ende wiederholte sie immer wieder ein Wort. Nymian. Immer und immer wieder. Ich vermute einen Namen hinter dem Wort.

Dann sah ich es: Ein etwa walnussgroßer Kristall lag am Fuße des Baumes. Dort auf den Wurzeln… wo ungefähr die Mettwurst lag. Er schimmerte bläulich und es ist eine klare Flüssigkeit darin zu erkennen.

Dann ebbte die Stimme ab und verstummte. Der kränkliche Baum schien das letzte bisschen Leben zu verlieren. Die letzten Blätter welkten, und die Äste hingen schlaff herunter. Das Gesicht verschwand. Es war plötzlich Totenstill.

Ich nahm den Kristall an mich und ging heim. Der gehörnte König weiß, warum er mich auf diesen nächtlichen Ausflug geschickt hat. Seit dem Trage ich den Kristall immer bei mir, an einem Lederband um den Hals.

Klar kannst Du ihn mal sehen. Hier.

Nein, darauf bin ich nicht gekommen, dass er die Mettwurst sein könnte. Die war weg.

Jetzt nimm ihn aus dem Mund.

Natürlich schmeckt er nicht nach Wurst. Krätze, ich vergesse gleich meinen guten Ton. Gib ihn wieder her. Er ist mir lieb und teuer!

Seit dem stelle ich immer etwas Essen raus. Am Fuße der Veranda. Und denke oft über die Bedeutung des Ereignisses nach.

Naja, was ist Krätze eigentlich für eine Name? Willst Du nicht einen richtigen Namen annehmen? Denke mal drüber nach!

2 Kommentare zu “Wilbur Weinberger

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