Fortsetzung unseres Reiseberichts
—von Karl Auenthal
Jetzt hatten wir den Salat. Unser kleiner Führer Hugo A. Kasper hatte uns in einen Hinterhalt geführt. Und nicht nur das! Kurz zuvor musste sich Johann “Armageddon” Gerbrand, unsere Erstschlagwaffe, notfällig zum Gasthaus zurück auf den Weg machen – er hatte einen Anflug von akutem Spritzdurchfall. Immerhin konnte er so eine Kopie vom Rezept des SEIFENBERGER Heilmüslis in Sicherheit bringen. Selbst wenn wir jetzt untergingen, gäbe es noch Hoffnung für die Stadt im Kampf gegen die Seuche der Teufelsratten.
Ein blutiges Gefecht entbrannte. Fünfzehn Schergen gegen uns, wobei sich nach Kurzem drei von ihnen in Wehrratten verwandelten. Heinrich hatte alle Hände voll zu tun, den Feind an sich zu binden, damit Don Ignaçio und Roland sie nach und nach erschlagen konnten, während ich meine Freunde mit Tränken und Notfallverbänden zur Seite stand. Am Ende konnte mindestens ein Rattenmensch fliehen. Einen Schergen stabilisierten wir zur Befragung, der Rest wurde getötet (den Wehrratten musste man den Kopf abschlagen, weil sich sonst ihre Wunden wieder schlossen). Ich entnahm einem Rattenmensch eine Probe Herzblut. Den Überlebenden, Ralf, schleppten wir in eine Stille Gasse, fesselten ihn und wollten dann herausbekommen was hier vorging.
Das Verhör war wenig ergiebig. Immerhin bestätigte Ralf die Geschichte mit der Engelsmilch vom “Medizinman“, die im Wilden Stier verteilt wurde. Außerdem kannte er das Hauptquartier der Rattenmenschen: das Anwesen der Familie Tauber. Er beschrieb uns den Weg zu dem Haus im Südosten des Armenviertels, im Schatten der Mauer, nachdem ich ihm unser Ehrenwort gab, dass er danach freigelassen würde. – Ich hatte gelogen.
Ich achtete sorgfältig darauf, meine Klinge von Ralfs Blut zu säubern, um keine Gifte aus versehen in mich aufzunehmen. Danach machten wir uns auf den Weg zum Wilden Stier, mussten aber rasch feststellen, dass allerlei Gelumpe in den Strassen und bei der Kaschemme herumlungerten. Außerdem schien die Kneipe weitestgehend verwaist, nur aus den Kellern und Gewölbe hörte man reichlich Stimmen und Gesang. Ziemlich angeschlagen von dem Kampf, beschlossen wir, uns erstmal zurück zu ziehen.
In Seifenbergers Haus wickelten wir den Leichnam des Doktors in Laken ein, die ich mit Essigwasser getränkt hatte. Wir legten ihn dann in die kühlen Gänge der Kanalisation und verschlossen den geheimen Zugang zum Haus. Dann schlichen wir uns zum Greifen zurück.
Wir schliefen bis zum Mittag des 22. Mai. Ich frischte meinen Vorrat an Tränken auf und verabreichte Johann eine Tinktur gegen seinen Spritzdurchfall.
In der Stadt herrschte eine angespannte Stimmung. Vor dem Dom hatte man die Kutsche des Herzogs von Waldenau gesichtet. In seinem Gefolge mindestens fünfzig bewaffnete Reiter. Es gab augenscheinlich einiges mit dem Grafen von Kronau zu besprechen. Wir sortierten unsere Aufgaben. Da waren:
- das bergen von Seelenlichter für die Faustgesellschaft
- das dingfest machen von Hubert Gimpel
- Piotre Kulikows Familie aus den Klauen der Schwarzfedern in Waldenau befreien
- Informationen über Baron Geron von Freyberg sammeln
Bei Letzterem erwies es sich als glücklicher Zufall, dass sich eine entfernte Verwandte des Barons, die Baronin Annemine von Freyberg im Stadtrat von Kronau befand. Außerdem sagte man ihr nach, dass sie in Opposition zum Grafen stand. Das sollte unsere erste Anlaufstelle an diesem Abend sein.