New Orleans bei Nacht – Kapitel 11: Miss Lucy Flint

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Sonntag, der 07.01.2024: Zusammen mit der Schauspielerin Lucy Flint reisen wir per Boot über den Old Man River zurück nach New Orleans.
Für diese Nacht scheinen wir Lazarus abgeschüttelt zu haben. Als die Stadt vor uns aus der Dunkelheit auftaucht, erscheint sie uns als düsterer, dreckiger Moloch, bis wir von jenem mysteriösen Zauber eingehüllt werden, dem New Orleans seinen Glamour verdankt und der neben Vampiren auch noch andere Kreaturen anzieht wie Licht die Motten.
Ms. Flint wird von uns zum Hotel Roosevelt geleitet, wo in der Zwischenzeit Etienne ihr Zimmer geschmackvoll hergerichtet hat. Eli bezieht für den Rest der Nacht den Sicherheitsposten vor ihrer Tür, wir anderen ziehen uns zurück.

Montag, der 08.01.2024: Wie vereinbart treffen wir uns im Hauptquartier am Hafen. Der Ventrue, uns nun bekannt als Mr. Orley, lässt sich schriftlich entschuldigen. Ohne Zweifel geht er sowohl finsteren als auch gewinnbringenden Geschäften nach. Wir übrigen diskutieren über Larazarus. Was ist von seiner Warnung zu halten? Wie wollen wir uns – und vor allem Ms. Flint – vor weiteren Anschlägen schützen? Was sollen wir tun, wenn der uralte Malkavianer uns erneut auf seine Seite ziehen will?
Eli knurrt, dass er einen klaren Auftrag von Prinz Doran erhalten hat und dessen Wünschen Folge leisten wird. Lazarus könne ihm mal am Arsch lecken. Wir einigen uns darauf, besondere Wachsamkeit an den Tag zu legen, da der geisteskranke Malkavianer über große Macht verfügen soll und in diesem Jahr bereits vor Madi Gras in die Stadt zurückgekehrt ist, was sehr untypisch für sein Verhalten ist.
Dann trennen wir uns. In den Straßen verkünden Plakate, dass ab Samstag „Goethes Faust“ in Stadttheater gespielt wird. Das Gesicht von Ms. Flint wirbt für das Stück, in dem es, soweit ich weiß, um einen wissbegierigen und machthungrigen Menschen geht, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht.

Eli sucht das Büro des Prinzen auf und erstattet Ms. R‘ichet Bericht. Sie erklärt, dass es bereits vor einigen Jahren schon einmal einen Anschlag auf das Leben von Ms. Flint gegeben hat, der von einem fehlgeleiteten Fan verübt worden ist. Prinz Doran wisse schon über Lazarus‘ Angriff Bescheid und sei „alles anderes als amüsiert“. Möglicherweise gab es bereits einen Kontakt zwischen dem Prinzen und dem Wahnsinnigen, doch da ist sich Ms. R‘ichet nicht sicher. Sheriff Martin ist bereits damit beauftragt worden, seine Leute zum Schutz von Ms. Flint abzustellen. Der Gangrel und die Ghul verabreden sich noch für die spätere Nacht.

Im Büro des Sheriffs lege ich einen umfassenden Bericht über Lazarus, Uriah Travers und Ms. Flint vor. Sheriff Martin erklärt, dass die Nosferatu die Schauspielerin im Rotationsprinzip überwachen. Ich wurde für die morgige Nacht eingeteilt, zuvor soll ich mich noch im Büro melden.
Die Tagschichten werden von zwei Ghulen des Prinzen abgedeckt.
Zu Lazarus meint der Sheriff, dass dieser eine ernstzunehmende Bedrohung sei, der wir nicht gewachsen sind. Prinz Doran werde sich dieser Sache annehmen, wie genau wisse der Sheriff nicht.

Dienstag, der 09.01.2024: Zusammen mit meinen Clansgeschwistern Avery und Roger treffen ich mich mit Sheriff Martin. Bei der kurzen Besprechung erfahre ich, dass Ms. Flint in der letzten Nacht noch lange unterwegs gewesen ist, wie Avery zu berichten weiß.
Als ich meine Schicht im Roosevelt antrete hoffe ich, dass die Schauspielerin heute nicht um die Häuser ziehen will, das dies es nur schwerer macht, für ihrer Sicherheit zu garantieren. Svet lasse ich draußen vor dem Hotel in einer Seitengasse zurück, dann breche ich zur Suite von Ms. Flint auf. Die Nacht vernimmt eine gänzlich anderen Verlauf, als ich erwartet habe. Die junge Frau mit den himmelblauen Augen und dem weinroten Haar bittet mich in ihr Apartment und verwickelt mich in eine durchaus angenehme Unterhaltung über ihr Leben als Schauspielerin.
Aber sie will auch wissen, was ich so mache. Da ich davon ausgehen muss, dass Ms. Flint nichts über die Gesellschaft der Kainskinder weiß, flüchte ich mich etwas verlegen in die Halbwahrheit, dass ich ein Mitarbeiter der Detektei bin, die ihr Bewunderer, der sie nach New Orleans eingeladen hat, mit ihrem Schutz beauftragt hat. Wir unterhalten uns noch eine kurze Weile, bis
Ms. Flint aufsteht und zu Bett gehen will. Doch auf dem Weg dahin knickt die Schöne plötzlich um und ein leiser Schmerzenslaut entfährt ihren Lippen.

Rasch eile ich ihr zur Hilfe und stütze sie auf dem Weg zu ihrem Bett.
Mit einem Handtuch aus dem Bad mache ich ihr einen kühlenden Umschlag und frage besorgt, ob ich ihr einen Arzt holen soll.
Doch sie lächelt tapfer ihren Schmerz weg und sagt, es würde schon gehen, solange ich nur noch ein wenig bei ihr bleiben würde. Lasziv räkelt Ms. Flint sich vor mir im Bett und streicht mit ihren schlanken Fingern über meinen Arm. Mit sanfter, warmer Stimme fragt sie, ob ich mich nicht noch ein wenig zu ihr ins Bett legen möchte. Verwirrende Gefühle steigen in mir hoch. Seit ich den Kuss erhalten und zum Vampir wurde, habe ich keine Lust mehr empfunden, außer dem Verlangen Blut zu trinken. Solche menschlichen Regungen sind längst zu fernen Erinnerungen verblasst. Doch jetzt, als ich Lucy Flint vor mir liegen sehe, ihr helles Gesicht mit den himmelblauen Augen umrahmt von weinrotem Haar, ihre freundliche Stimme in meinen Ohren klingt und ich den Schlag ihres Herzens durch ihre warme Haut spüre, entfacht die junge Frau in mir das Begehren, sie in die Arme zu schließen und mit ihr zu schlafen. Kurz stehe ich davor, mich diesem Verlangen hinzugeben, doch dann wächst in mir die Befürchtung, was geschehen würde, wenn ich die Kontrolle über meine Verdunkelung verliere und mich dieses schöne Wesen in meiner wahren, hässlichen Gestalt erblicken würde.
Ächzend weiche ich von ihr zurück, stammele Ausflüchte und eile aus der Suite. Dabei fällt mein Blick noch durch die geöffnete Badezimmertür auf den Spiegel. In ihm sehe ich durch die Maske der tausend Gesichter hindurch meine monströse Nosferatufratze, wie eine boshafte Erinnerung daran, was ich alles durch den Fluch verloren habe, der für den Rest meines Unlebens auf mir lastet.

Mittwoch, der 10.01.2024: Nachdem ich meinen Bericht im Nosferatu-Büro abgeliefert habe, studiere ich die Aufzeichnungen von Avery, die in der Nacht vor mir Ms. Flint bewacht hat. Wohin ist die Schauspielerin nur gegangen? Überrascht stelle ich fest, dass die Künstlerin sich bis zum Morgengrauen in der Kirche von Father Joseph aufgehalten hat, wohl um zu beten, wie Avery in ihrem Bericht notiert hat. Unverzüglich breche ich zu dem Gotteshaus auf, um mit Father Joseph zu sprechen. Doch sein Ghul, der Priester Fred, berichtet mir, dass der Tremere seit zwei Tagen fort sei. Wohin er aufgebrochen ist, kann mir der Ghul nicht sagen. Es gelingt mir, ihn zu überreden, mich in die Sakristei zu lassen. Dort finden wir eine chaotische Szenerie vor: Ein Kerzenständer wurde umgeworfen, ein Kruzifix hängt schief an der Wand und auf dem Boden verteilt liegen die zersplitterten Überreste eines Feldbettes. Hinter dem Altarstein finde ich einen schwarzes Trauerschleier, von dem ein feiner Parfümgeruch, Sandelholz und Pistazie, aufsteigt. So hat auch Ms. Flint geduftet … Rasch stecke ich den schwarzen Schleier ein. Auf dem Boden entdecke ich noch vier rußige Abdrücke auf dem Steinfußboden, zwei kleinere, zwei größere, die nicht von den Kerzen herrühren können. Ich erkläre dem Ghul, dass er hier nichts anrühren darf und dass ich später mit den anderen zurückkehren werde. Schnell suche ich das Hauptquartier auf, doch auch dort finde ich keine Botschaft von Father Joseph. Dafür lasse ich rasch Nachrichten an die anderen Mitglieder des Klüngels verschicken, Einladungen für die kommende Nacht, und eile dann zum Hotel Roosevelt. Dort treffe ich auf Roger, der heute Wachdienst hat.
Durch die geschlossene Tür hören wir, dass in der Suite offenkundig ein heftiges Liebesspiel vonstatten geht. Neben der Stimme von Ms. Flint kann ich die von Etienne erkennen. Anscheinend holt sich der Toreador gerade seine Belohnung dafür, dass er das Zimmer der Schauspielerin so fein hergerichtet hat. Das wilde Treiben jenseits der Tür zieht sich über Stunden hin. Um einen Eklat zu vermeiden, dringen Roger und ich nicht in die Suite ein. Schließlich ziehe ich mich etwas fassungslos zurück, während Roger bis kurz vor dem Morgengrauen auf seinem Wachposten ausharren muss.

Donnerstag, den 11.01.2024: Nachdem die Sonne versunken und die Nacht hereingebrochen ist, treffen sich Eli, Etienne und ich im Hauptquartier.
Mr. Orley fehlt weiterhin entschuldigt, von Father Joseph fehlt noch immer jede Spur. Ich informiere die anderen, was geschehen ist und wir beschließen, Ms. Flint zu ihrer Nacht in der Kirche zu befragen. Wie ich zuvor im Büro des Sheriffs erfahren habe, versucht man im Prinzenbüro Kontakt zu dem vermissten Tremere herzustellen.
Gemeinsam erreichen wir das Roosevelt und wagen uns zur Etage von
Ms. Flint vor. Dort stellen wir bestürzt fest, dass kein Wächter vor ihrer Türe steht, davor jedoch aus der Suite promiskuitive Laute erklingen („Ja, mach mir das Tier!“). Ich rechne im Kopf kurz nach und komme zu dem Schluss, dass in dieser Nacht Sheriff Martin selbst den Schutz von Ms. Flint übernommen haben muss. Da Etienne bestätigen kann, dass der Sex bis kurz vor Morgengrauen dauern kann, ziehen wir uns zurück. Die Befragung der umtriebigen Schauspielerin soll erst in der morgigen Nacht stattfinden. Hierzu wollen wir uns direkt im Roosevelt treffen, sobald die Sonne es zulässt.

Heute zeige ich den anderen noch die Verwüstung in der Sakristei von Father Joseph. Pater Fred gewährt uns Einlass. Eli betrachtet die Rußflecken auf dem Boden und kommt zu dem Schluss, dass hier jemand gekniet haben muss. Demnach müssten die schwarzen Flecken den Positionen von Handflächen und Knien entsprechen. Zudem entdeckt der Gangrel an der Decke noch Spuren von Ruß. Zwar finden wir keine Asche, dennoch vermutet Eli, dass der Priester hier gekniet hat und dann verbrannt ist.
Das würde die Rußspuren erklären. Nachdem was wir in Erfahrung gebracht haben, könnte Ms. Flint den Tremere hier zum Sex verführt haben und anschließend ging Father Joseph dann in Flammen auf. Doch war es eine Strafe Gottes für Unzucht in der Kirche oder wurde Father Joseph durch eine magische Vergeltung seines eigenen Clans vernichtet? Und hat Ms. Flint seine Asche entsorgt, wenn Pater Fred nicht weiß, was mit seinem Meister geschehen ist? Kann diese junge Frau so kaltblütig sein? Und was weiß sie wirklich über die Gesellschaft der Nacht?
Ich erinnere mich an den Trauerschleier und reiche ihn an Etienne.
Der Toreador spürt in dem schwarzen Stoff den schwachen Nachhall einer Beerdigung an einem regnerischen Tag auf einem uns unbekannten Friedhof. Ein großer Sarg wird in den Schoß der Erde versenkt, die vorherrschenden Emotionen sind Erleichterung und Genugtuung.
Leider gibt diese Vision uns keine neuen Erkenntnisse über das Schicksal unseres Gefährten. Erstmal müssen wir davon ausgehen, dass Father Joseph vernichtet worden ist. Gleich morgen Nacht werden wir Ms. Flint zur Rede stellen müssen. Als ich mich auf den Weg ins Nosferatu-Büro mache, zerbreche ich mir meinen Kopf darüber, wie ich das alles nur einigermaßen in einem vernünftigen Bericht zusammenfassen soll…

 

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