16. Praios – spät abends
Wir hören um uns Orkhörner. Es müssen viele Trupps unterwegs sein, die uns verfolgen. Wir raffen schnell unsere Sachen zusammen, eilen zu Einskaldir und Xargrosch, die nun wieder etwas besser aussehen und fliehen. Xandros aber scheint eine allergische Reaktion auf die Sekrete des Chamelionspringkrautes zu entwickeln. Ihm geht es schlecht. Karakal nimmt den toten Bran auf die Schulter. Er erklärt uns, es sei nicht rondra-gefällig einen Menschen nicht zu bestatten.
Eine Gruppe von drei Ork-Kriegern holt uns schließlich ein und wir müssen uns erneut dem Kampf stellen. Zum Glück sind unsere gerüsteten Krieger wieder einsatzbereit und dürsten nach Blut! Wieder fließt dunkelrotes Orkblut in Strömen und auch wir kommen nicht unverletzt davon. Wir entschließen uns doch dazu, den Körper Brans zurücklassen, da uns keine andere Wahl bleibt. Während der nächsten Stunden fliehen wir atemlos in verschiedene Richtungen vor mindestens sechs Gruppen Orks, die sich zum Glück durch ihre Hörner bemerkbar machen. Manche Trupps haben sogar orkische Spürhunde dabei und wir müssen unsere Spur an einem Bach verwischen und uns verstecken, um zu entkommen.
Schließlich erreichen wir ein Geröllfeld, welches für Hunde und Orks kaum zu erklettern scheint. Latu und ich haben keine Schwierigkeiten, das etwa 15 Schritt hohe Geröllfeld zu erklimmen und helfen den Gerüsteten mit Hand und Seil, die Aufgabe zu bewältigen. Trotzdem müssen einige Ihre Rüstung ablegen, um besser klettern zu können. Als wir oben sind, erreichen auch schon die ersten Orks das Geröllfeld, doch Ihre Pfeile gehen fehl. An der Kuppe angekommen sehen wir, dass es einen Pfad in einen Talkessel gibt, in dem eine uneinnehmbar erscheinende Burg auf einem weißlich schimmernden Felsen steht. Wir sehen Menschen mit Bögen auf den Zinnen und beeilen uns, vor den Orks, die von allen Seiten zu kommen scheinen, die Burg zu erreichen. Die Zugbrücke wird für uns herab gelassen und wir erreichen den sicheren Burghof. Die Burg steht tatsächlich auf einem weißen Felsen, den sogar Xargrosch nicht identifizieren kann. Wir sehen recht viel Vieh, allerdings sehr wenige bis keine bestellten Felder rings um die Burg. Es ist eine Nacht vor Vollmond.
Im Burghof werden wir von Ritter Oswin von Otternpfot begrüßt. Ist er etwa mit dem fiesen Osgar verwandt? Die Burg heißt Burg Dragenstein. Karakal erzählt ihm unsere Geschichte. Danach werden Karakal und Xandros im Haupthaus untergebracht und wir anderen in einer einfachen Unterkunft über den Stallungen. Wir bekommen einfache Mahlzeiten und ein Nachtlager. Eine alte Frau, die sich als Maira vorstellt, versorgt mit Ihrer Enkelin Wolda (die etwas umnachtet erscheint) unsere Wunden sehr professionell. Danach begeben wir uns zur Ruhe.
17. Praios – Burg Dragenstein
Am morgen wird Karakal von Oswin zum abendlichen Essen eingeladen, an der auch die Freiherrin Clagunda von Dragenstein teilnehmen wird. Auch wir andern sind eingeladen. Natürlich werden wir teilnehmen. Am Tag erkunden wir die Burg. Alles kommt uns verdächtig vor. Es gibt keine Pferde und die Leute sind sehr verschlossen. Keiner will unsere Fragen beantworten. Ein Diener kommt aus dem Bergfried und eilt weiter. Kurzer Zeit später kommt er mit einem Tablett und einer Glocke zurück. Offensichtlich wird jemand im Bergfried versorgt.
Abends nehmen wir alle im Rittersaal am Festessen teil. Wir lernen die Freiherrin Clagunda von Dragenstein (ca. 50) und Ihre Tochter Leaja von Dragenstein (ca. 30) kennen. Am Tisch sitz auch ein hutzeliger, griesgrämig dreinschauender kleiner Mann, der uns als Magus Turolfus Tricorius vorgestellt wird. Karakal erzählt auch ihnen unsere Geschichte. Als er berichtet dass heute die Vermählung von Traverike und Ysgol stattfinden wird, zuckt Leaja beim Wort Vermählung kurz zusammen.
Die Freiherrin berichtet uns, dass die Burg nicht lang nach BF erreichtet wurde. Wir erfahren aber keine genau Jahreszahl. Der Sohn der Freiherrin, Kono von Dragenstein, wird seit langer Zeit vermisst. Er ist mit einer Aufgabe betraut worden aber noch nicht zurück gekehrt. Nach dem Essen verabschiedet sich der Magus und verschwindet im Bergfried. Er wohnt also dort. Was er wohl dort treibt? Als auch wir uns zum Nachtlager aufmachen, fällt Latu auf, dass der Mond genau so steht, wie letzte Nacht! Es ist immer noch eine Nacht vor Vollmond aber die Sternkonstellation könnte die der Rondra sein! Was hat das zu bedeutet?
Xargrosch will schon die Burg verlassen, als Wolda uns heimlich aufsucht und uns die Geschichte der Burg Dargenstein erzählt. Sie erscheint nun völlig klar im Kopf. Ein Magier hat sich mit dunklen Mächten eingelassen und die Burg wurde verflucht. Jeder der länger als einen Tag und eine Nacht in der Burg zubringt, kann die Burg nicht mehr verlassen. Tut er es trotzdem zerfällt er sofort zu Staub! Es ist der Fluch der 7. Generationen, denn es müssen 7 Generationen diesen Fluch erdulden bevor er endet. Wolda will uns helfen, noch rechtzeitig zu fliehen. Mit Ihrer Hilfe erreichen wir eine Falltür im Keller, die in einen senkrecht nach unten führenden Gang mündet. Wir haben keine Wahl, als ihr zu vertrauen und setzen alles auf eine Karte.
Der Gang führt uns in eine natürliche Höhle und dann in einen gegrabenen Gang, der in eine weitere Höhle mündet. Hier liegen abgebrannte Fackeln in einer Ecke sowie ein alter Lederbeutel. Latu entdeckt sogar einen Messingring darunter, den er an sich nimmt. Wir gelangen in einen rechteckigen Raum mit Fresken an den Wänden: hohläugige Totenschädel, Raben, zerbrochene Räder. Diese Symbole gehören zu Boron, dem Totengott der Menschen, wie uns Karakal erklärt. Xargrosch haut eine Probe des weißen Steins aus einer Wand und nimmt sie mit.
In der Mitte des Raumes steht ein Steinsarg, den ich untersuche. Auf einem Schild steht: Maraleis von Eschental; Sie wartete vergebens auf die Rückkehr Ihres Gatten, bis ihr Herz brach und sie den Flug vom Turm wählte. Sollte dies etwa die Gattin von Kono gewesen sein? Karakal erklärt uns, dass der Freitod keinesfalls zwölfgöttergefällig ist. Heute haben wir schon viel über Rondra und die menschlichen Götter gelernt!
Plötzlich verdichtet sich kalter Nebel über dem Sarg und eine Frauengestalt aus Nebel erscheint. Sie berührt mich mit ihrer eiskalten Hand und ruft: “Kono, bist Du zurück?“ Einskaldir greift Sie an, aber seine Waffe gleitet durch Sie hindurch, wie durch Luft. Sie ruft: “Ihr habt ihn getötet, weil er den Helm nicht finden konnte! Mörder!“. Wieder kann Karakal die Situation klären, indem er erklärt, dass wir nichts mit dem Verschwinden des Kono zu tun haben. Ich erkläre, dass wir Kono zu ihr zurück bringen können. Das scheint Sie zu beruhigen und Sie stöhnt: “Jaaaa, bringt den Helm und Kono zurück. Es ist der Helm von Konos Vater, den er für den Magus holen sollte. Oh, Kono!“. Daraufhin verschwindet der Geist.
Wir erkunden weiter den Gang bis wir in einen Raum mit einem kreisrunden Loch in der Mitte gelangen. Im Loch liegen zahllose Knochen von Menschen, Tieren, Orks und Goblins. Wir eilen zum Ausgang, doch dieser ist so eng, dass wir nur hintereinander laufen können. Hinter uns bahnt sich Unheil an. Die Knochen erheben sich aus dem Loch und setzten sich zu einem Knochenwurm zusammen, der unglaublich schnell die Wände erklimmt und uns dann angreift. Zum Glück ist es diesmal nur ein Gegner und wir besiegen ihn schließlich und zertrümmern seine Knochen.
Durch den Gang gelangen wir schließlich an die Flanke des Berges. Die letzten Schritte müssen wir springen. Am Fuß des Berges sehen wir alte Spuren, die aber mindesten einige Wochen alt sein müssen. Der Stein, den Xargrosch aus dem weißen Berg schlug, zerfällt zu Staub. Er behält den Staub. Latu zieht den Ring an, den er in der Höhle fand. Er bläht sich auf und wird immer dicker! Ein Fluch liegt auf dem Ring! Er bläst sich auf wie ein Ballon und beginnt zu fliegen. In letzter Sekunde halten wir ihn fest und retten ihn vor dem davonfliegen. Törichter Nivese! Wir ziehen ihm den Ring vom Finger und nach fünf Minuten lässt die Wirkung nach.
Nach einer Rast kehren wir nach Andrafall zurück. Das Hochzeitsfest ist einen Monat her, wie wir erfahren! Es ist der 17. Rondra! Wie kann da sein? Wir geben das Diadem zurück und erhalten die versprochene Belohnung: ein edles Streitroß! Als wir uns im Lager beraten, entdeckt Karakal in seinem Rucksack ein Schriftstück von Leaja von Dragenstein:
Edle Recken!
Zutiefst traurig bin ich, Euch diese Bitte nicht selbst zu überbringen, doch schwebe ich in ständiger Gefahr, werde ich doch von finsterer Seite bewacht. So bleibt mir nur der Weg über dieses Schreiben, an eure Ritterlichkeit zu appelieren und um Eure Hilfe zu flehen! Burg Dragenstein unterliegt einem fürchterlichen Fluch und niemand hier ist in der Lage ihn zu brechen. Doch voller Hoffnung blicke ich auf Euch: Vielleicht könnt Ihr uns retten?
Vor langer Zeit, es mögen schon hundert und mehr Jahre vergangen sein, da zog ein Ahne aus, um einen Helm zu bergen, der aus dem Besitz der Dragensteins gestohlen ward. Doch er kehrte nie zurück und so lange der Helm in der Ferne weilt, so lange kann der Fluch nicht gebrochen sein. Und so lange kann niemand die Burg verlassen noch betreten, gefangen in Einsamkeit und fern der Welt. Nur in der Nacht vor Vollmond, da ist der Zugang möglich.
Kono von Dragenstein war der Name des Ahnen, er war ein stolzer Ritter, der den weißen Drachen auf grünem Schild trug. Und der Helm war ein schwerer Ritterhelm, der dem Träger das Angesicht eines Drachen verlieh. Bitte, suchet nach der Spur des Kono, findet den Helm und kehret vor Vollmond zurück zu Burg Dragenstein. Doch sehet Euch vor, denn dunkle Mächte werden Eure Rückkehr zu verhindern trachten.
In tiefster Hoffnung, Leaja von Dragenstein