Tagebuch von Norvid Runeson
Upsala, 11. November 1880
Heute erlebte ich Ereignisse, die meine Fähigkeiten als Historiker und Forscher auf eine harte Probe stellten. Sunnas lebloser Körper lag vor dem Durchgang der Tür mit der lateinischen Inschrift „Camera Regis“ – die Königskammer. Nach einer schnellen Untersuchung stellte ich fest, dass sie keine Lebenszeichen zeigte, ihr Körper jedoch noch warm und beweglich war. Ich konnte keinen Zweifel an ihrer Vitalität hegen, doch die Ungewissheit nagte an mir.
Mein Blick wanderte erneut zu dieser merkwürdigen Tür, die von uralten, möglicherweise bretonischen, heraldischen Zeichen umrahmt war. Der offene Durchgang führte zu einer Treppe, die hinauf in den Garten des Schlosses Gyllenkreutz führte. Doch etwas war anders: Hinter dem Portal schien die Welt in ein unheilvolles Grau getaucht zu sein. Bengt, getrieben von einer unbändigen Entschlossenheit, wollte in das Portal eilen. Ich stellte mich ihm in den Weg und versuchte, auf ihn einzureden, doch es war schwer, seine impulsive Natur zu zügeln.
Ida, die in dieser bedrückenden Stille stand, machte plötzlich ein erschrecktes Geräusch. Sie berichtete uns, dass sie eine Stimme aus der Tür gehört hatte – eine Stimme, die sagte: „Wir werden alle knien und dienen.“
Plötzlich begann die Mechanik der Tür wieder zu arbeiten, sie schloss sich langsam und unerbittlich. Ich versuchte, mich mit all meiner Kraft gegen die Tür zu stemmen, doch mein körperlicher Einsatz war vergebens. Ein düsterer Gedanke überkam mich: Nichts von dieser Welt könnte diese Tür aufhalten.
Während Ida und ich abgelenkt waren, nutzte Bengt die Gelegenheit und sprang in das Portal. Doch kaum hatte er die Schwelle überschritten, brach er zusammen, direkt vor der Tür. In einem verzweifelten Versuch zog ich an seinem Körper, um ihn aus dem Bewegungsradius der Tür zu retten, aber es war zu spät. Mit Entsetzen beobachtete ich, wie die Tür scheinbar mühelos durch Bengts Füße glitt, ohne ihn zu berühren. Dann fiel sie ins Schloss.
In dem Moment, als die Tür verschlossen war, blieb uns nur der Anblick einer einfachen, eisenverstärkten Holztür. Die unheimliche Kraft, die gerade noch am Werk gewesen war, schien spurlos verschwunden. Ida öffnete die Tür erneut, aber anstelle der Treppe, die in den Garten führte, fanden wir nur einen staubigen Raum vor, der seit Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten, unberührt geblieben war.
Im Garten der „Geisterwelt“
Sunna, deren Geist offenbar in einer anderen Sphäre gefangen war, fragte Oscar Hjort, ob sie tot sei. Oscar antwortete, dass er es nicht wisse, aber er glaubte nicht, dass sie tot sei. Er drängte sie, weiterzugehen, denn es war unklar, wer sie beobachten könnte. In dem grauen Garten waren viele Geister anwesend, die in leiser Konversation vertieft waren. Oscar bemerkte bald, dass noch jemand durch die Tür gekommen war: Bengt, der nun ebenfalls in dieser Geisterwelt gefangen war.
Oscar sagte zu Sunna, dass sie mit genügend Übung einen silbernen Faden sehen könnte – einen Faden, der ihren Geisterkörper mit ihrem realen Körper verbindet. Sollte dieser Faden reißen, würde sie sterben.
Sunna und Bengt erzählten mir später, dass die verschlossene Tür ihnen den Rückweg ins Schloss und zu ihren Körpern versperrte. Oscar bedauerte wohl, dass nicht alle von uns die Schwelle überschritten hatten, da er gerne mit jedem von uns gesprochen hätte. Er erwähnte beiläufig, dass man in dieser Geisterwelt hin und wieder auf Carl von Linné treffen könne – den berühmten schwedischen Naturforscher, der 1778 verstarb.
Oscar riet Sunna und Bengt, das Gespräch mit ihm zu suchen, wenn sie ihm begegneten, da er selbst seit seiner Ankunft hier viel von Linné gelernt habe. Besonders beunruhigend fand ich, was Oscar ihnen darüber hinaus anvertraute: Er habe manchmal das Gefühl, eine alte, dunkle Macht sei unter dem Schloss eingekerkert. Diese Worte hallten lange in meinem Kopf nach, ein weiteres Mosaiksteinchen in dem Rätsel, das wir zu lösen versuchen.
Die zwei Lebenden
Ida und ich verharrten noch bei den leblosen Körpern unserer Gefährten, als wir plötzlich Schritte durch die stillen Gänge des Schlosses hallen hörten. Es dauerte nicht lange, bis wir eine komplett in Schwarz gekleidete Frau erblickten, deren Gesicht unter einem Schleier verborgen war.
Wir waren uns zunächst unsicher, was wir tun sollten – ob wir Sunna und Bengt alleine zurücklassen konnten. Doch schließlich entschieden wir uns, der Frau im Kleid leise zu folgen. Während wir ihr nachgingen, glaubten wir, ab und zu den Geruch von Zigarettenrauch in der Luft zu erkennen. Am Ende eines langen Ganges im ersten Obergeschoss sahen wir, wie die Frau durch eine Tür schritt, als wäre sie nicht mehr von dieser Welt. Es war die Tür zur „Camera Regis“ – der Königskammer – dieselbe Tür, die wir bereits im halbunterirdischen Geschoss gesehen hatten.
Ida drückte zögernd die Klinke, und wie schon zuvor begann die Tür zu klackern, als ob eine komplexe Mechanik in ihrem Inneren zum Leben erwachte. Nach einigen Momenten öffnete sie sich automatisch, begleitet von einem kurzen Geräusch, als ob ein luftdichtes Gefäß entriegelt worden wäre. Doch diesmal führte die Tür nicht hinauf in den Garten, sondern auf einen Balkon im Obergeschoss, in eine Welt, die erneut in ein düsteres Grau getaucht war.
Ida und ich sammelten all unseren Mut und traten durch die Tür, entschlossen, unsere Gefährten zu finden und das Geheimnis dieser seltsamen Welt zu ergründen. Kaum waren wir hindurchgeschritten, blickten wir zurück in den Gang des Schlosses und sahen – wie es bereits bei Sunna und Bengt der Fall gewesen war – unsere eigenen Körper leblos auf dem Boden liegen. Die Frau in Schwarz, der wir gefolgt waren, war spurlos verschwunden.
In der Ferne entdeckten wir drei Nachtraben, die durch die Lüfte schwebten. Diese Wesen waren unheimlich, während ihres Fluges schienen sie sich zu verändern, als wollten sie menschliche Gestalt annehmen, doch es gelang ihnen nicht vollständig. Auf dem Friedhof, nahe einem alten Grabmal, fiel uns eine bläulich leuchtende Gestalt in einer zerfallenen Rüstung auf, die dort unheilvoll Wache hielt.
Schließlich erblickten wir Sunna, Bengt und Oscar Hjort. Nicht weit von ihnen saß ein Mann auf einer Bank und las in einem Buch. Doch hier in dieser seltsamen Welt war es schwer, Entfernungen einzuschätzen – alles schien relativ und ständig in Bewegung. Zu unserer Überraschung bemerkten wir, dass wir nicht mehr auf dem Boden standen, sondern schwebten. Mit etwas Konzentration gelang es uns, vom Balkon hinunter in den Garten zu gleiten und uns unseren Gefährten anzuschließen.
Oscar begrüßte uns mit einem ernsten Blick und wies auf die Gargoyles hin, die sich auf den Mauern des Schlosses bewegten. Er erzählte uns, dass manche dieser steinernen Wächter von Dämonen besessen seien, während andere von guten Geistern durchdrungen wären – zumindest besagten es die Legenden. Er warnte uns, keine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, da es hier Wesen geben könnte, die uns nicht freundlich gesonnen sind.
Oscar führte uns zu einer kleinen Jagdhütte, die inmitten eines düsteren Waldes lag. Auf dem Weg dorthin machte Bengt uns Vorwürfe, dass wir ihm nicht sofort gefolgt seien. Seine Stimme war von einer inneren Unruhe geprägt, die vielleicht aus den Erlebnissen seiner Vergangenheit herrührte. Als wir die Hütte erreichten, ging Oscar einfach durch die Wand hindurch. Ida und Bengt taten es ihm gleich, während Sunna und ich vor der Wand zum Stillstand kamen. Schließlich öffnete Oscar die Tür für uns, und wir traten ein.
Im Inneren der Hütte brannte in einem Kamin ein kaltes, graues Feuer. Wir nahmen auf den Sitzplätzen um das Feuer Platz – oder vielmehr schwebten wir über ihnen. Die Atmosphäre in der Hütte war bedrückend, als ob die Dunkelheit der Umgebung tief in unsere Seelen dringen wollte.
Oscar war neugierig und wollte wissen, was uns in die Hexenkatze geführt hatte. Ida erklärte ihm, dass wir einer Einladung gefolgt waren, die uns dorthin gebracht hatte.
Daraufhin erzählte uns Oscar seine Lebensgeschichte, eine Geschichte voller Höhen und Tiefen: Es begann in Frankreich, wo er zunächst als Künstler mit dem Schattentheater erfolgreich war. Doch dann kam die Revolution, die alles veränderte. In der Unruhe dieser Zeit entschied er sich, nach Schweden zurückzukehren. Doch auf dieser Rückreise wurde er von einem Troll überfallen und in dessen Sack gesteckt. Diese Begegnung hinterließ ihn mittellos und verzweifelt, bis er schließlich in Upsala von Professor Albert Wredenhielm entdeckt und aufgenommen wurde, der ihm Schutz und eine neue Richtung bot.
Jahre vergingen, in denen Oscar in der Gesellschaft diente, doch auch nach all dieser Zeit wusste er nur Bruchstücke über die wirklichen Absichten und Pläne, die in den dunklen Gängen des Schlosses geschmiedet wurden. Professor Wredenhielm sprach oft von einem wichtigen Plan, der unter dem Namen „Der Tod der Balladen“ bekannt war. Oscar sollte eine wichtige Rolle in diesem Plan spielen, doch er erinnerte sich nicht mehr daran, was genau von ihm erwartet wurde oder was dieser Plan wirklich bedeutete.
Drei Personen waren eng mit diesem Plan verbunden: Professor Albert Wredenhielm, Baronin Katja Kokola und die Gräfin Hilma af’Thulenstierna – sie waren die einzigen Überlebenden des Überfalls der Riesen auf das Schloss in Finnland. Sie hatten dort etwas Brisantes erfahren, doch sprachen mit niemandem darüber. Bei einem Treffen in der Hexenkatze sollte Oscar ein Opfer bringen und an einem Ritual teilnehmen, das eine Kette von Ereignissen in Gang setzen sollte. Das nächste, woran er sich erinnerte, war, dass er in dem Körper eines Draug erwachte, einem Rachegeist, und er spürte, wie eine Kette von Ereignissen ausgelöst wurde, die das Schicksal aller Beteiligten veränderte.
Erst vor einigen Tagen fand sich Oscar im Garten des Schlosses wieder, gefangen in dieser grauen, für mich unheilvollen Welt.
Ida fragte Oscar nach Emma Bäcklund, doch er wusste nichts von ihr. Es schien, als wäre der Name ihm völlig unbekannt. Ebenso wenig konnte Oscar uns sagen, was genau ausgelöst wurde, als er im Körper des Draug erwachte. Er schien selbst in einem Netz von Geheimnissen und unvollständigen Erinnerungen gefangen zu sein.
Interessanterweise hatte Oscar nie von dem französischen Schriftsteller Chrétien de Troyes gehört, der 1135 in der Region Champagne geboren wurde und 1190 in Troyes starb. Chrétien verfasste die ersten Geschichten über König Artus und seine Ritter, insbesondere Lancelot, basierend auf den Legenden eines Adelsgeschlechts aus der Bretagne. Die Ursprünge dieser Geschichten, die so viel Einfluss auf die europäische Literatur hatten, waren Oscar anscheinend fremd.
Eine Frage, die uns weiterhin beschäftigt, ist, unter welchen Umständen Oscar zu Tode kam. Er schien sich selbst nicht daran zu erinnern, was wirklich geschah.
Oscar erzählte uns auch, dass es im Schloss nicht nur eine Königskammer gibt, die “Camera Regis”, sondern auch einen Königssaal, “Aula Regia”, und eine Königinnenkammer, “Camera Reginae”. Diese Orte scheinen in der Geisterwelt von besonderer Bedeutung zu sein. Kurz darauf sagte Oscar, dass er nun gehen müsse, und verschwand vor unseren Augen, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Wir verließen die Jagdhütte und machten uns auf den Weg zurück zum Schloss, in der Hoffnung, Carl von Linné zu finden und einen Weg zurück in unsere Körper zu entdecken.
Draußen im Wald bemerkte Ida etwas Unheimliches – schwarze Verwehungen, die zwischen den Bäumen schwebten. Doch als sie uns darauf aufmerksam machen wollte, waren sie bereits wieder verschwunden.
Als wir beinahe den Wald hinter uns gelassen hatten, geschah das Unfassbare: Sunna wurde plötzlich von hinten von schwarzen Tentakeln oder Ranken gepackt und blitzschnell zurück in den Wald gezogen, so schnell, dass sie kaum Zeit hatte, aufzuschreien. Wir setzten sofort zur Verfolgung an und schwebten so schnell wir konnten den Ranken hinterher. Ida erreichte als Erste einen dunklen Weiher, aus dem die Tentakel oder Ranken kamen, die Sunna in die Tiefe zogen.
Ida, mutig wie immer, hielt ihr Kreuz in Richtung des Weihers oder der Kreatur, um das Wesen zu vertreiben oder zu bannen. Währenddessen kämpfte Sunna mit aller Kraft gegen die Tentakel oder Ranken an, die sie in die Tiefe ziehen wollten. Das Wesen schien tatsächlich zu reagieren und ließ Sunna los. Ob dies durch Sunnas heftige Gegenwehr oder durch Idas Gebete geschah, konnte ich nicht klar erkennen. Sunna schaffte es, sich aus dem Weiher zu befreien und zu uns zu schweben. Beunruhigend jedoch war das Gefühl, von zwei Augen aus dem Wasser beobachtet zu werden.
Später berichtete uns Sunna, dass sich das Wasser für sie wie eine zähe Masse anfühlte, als die Ranken sie nach unten zogen. Ein weiteres Puzzlestück in diesem unheilvollen Mosaik, das uns immer tiefer in die Abgründe dieser Welt zieht.
So schnell wir konnten, schwebten wir in Richtung des Schlosses zurück. Auf dem Weg dorthin begegneten wir zahlreichen Geistern, die in dieser Geisterwelt umherirrten. Schließlich entdeckten wir eine schimmernde Tür im Obergeschoss des Schlosses – dies könnte unser Rückweg in die reale Welt und in unsere Körper sein. Einige von uns begannen inzwischen, den silbernen Faden zu erkennen, der uns mit unseren physischen Körpern verbindet.
Kurz vor dem Schloss fanden wir Carl von Linné, der auf einer Bank saß und in einem Buch las. Bevor wir auf ihn zutreten konnten, teilte uns Ida mit, dass sie das Gefühl hatte, Carl von Linné sei nicht ganz allein – etwas oder jemand sei bei ihm. Ida sprach Carl von Linné an, und er schien erstaunt, dass solche Neulinge in der Gesellschaft bereits in dieser Welt unterwegs waren.
Wir erzählten ihm von den merkwürdigen Ereignissen rund um Oscar, Professor Wredenhielm, Baronin Kokola, Gräfin Thulenstierna, Linnea Elfeklint und den ominösen König der letzten Tage. Er meinte nur, dass diese Dinge noch weiter in der Vergangenheit liegen, ohne dabei konkreter zu werden. Er erwähnte, dass er einen Almanach über Wesen verfassen wollte und dass es geheime Tagebücher von ihm gebe, in denen er über Dinge berichtete, die er bei seinen Expeditionen im Norden erfahren hatte.
Carl von Linné erzählte uns, dass er damals aus der Gesellschaft aussteigen wollte und den Mitgliedern mitgeteilt hatte, dass er den „Blick“ verloren habe. Dies stieß auf erheblichen Unmut innerhalb der Gesellschaft, und verschiedene Fraktionen sahen darin eine Gelegenheit, ihre eigenen Agenden voranzutreiben. Seine offiziellen Unterlagen über die Expedition in den Norden wurden daraufhin zerstört.
Er bat uns, das Buch „Homo Ferus“ (Wilder Mensch) für ihn zu finden. Dieses Buch scheint von großer Bedeutung zu sein und könnte umfassendes Wissen über die Verbindung zwischen Mensch und Vaesen enthalten. Am Ende unseres Gesprächs betonte Carl, dass wir zwar oft über den König sprechen, aber die Königin nicht vergessen sollten.
Als wir uns von Carl von Linné verabschiedeten, äußerte Ida erneut ihren Eindruck, dass der Schatten eines anderen Wesens auf Carl von Linné liegen würde.
Nachdem wir durch die Tür gegangen waren, erwachten wir in unseren Körpern im Schloss, genau an den Stellen, an denen wir die Tür zur Königskammer durchschritten hatten.
Nach einiger Zeit fanden Ida und ich uns in vertrauten Teilen des Schlosses wieder, wo wir auch auf Sunna und Bengt trafen, die ebenfalls den Rückweg geschafft hatten. Bengt erzählte uns, dass die Aschemarkierungen, die er gemacht hatte, um den Weg zurückzufinden, verschwunden waren.
Es war mittlerweile früher Abend, und wir hatten noch ein Gespräch mit Algot Frisk im Blauen Salon. Algot riet uns eindringlich, eine plausible Tarnung zu entwickeln. Bengt schlug vor, dass er als Geldgeber einer Forschungsgruppe auftreten könnte, die aus uns besteht. Algot meinte, dies sei eine gute Grundlage, die man noch weiter ausbauen könne.
In Bezug auf Frau Bäcklund, die Journalistin, empfahl Algot, mit mehr Ruhe und Strategie vorzugehen und nicht einfach in ihre Wohnung einzubrechen, um das Tagebuch ihrer Großmutter zu suchen. Er warnte uns, dass es jemanden gibt, der dafür gesorgt hat, dass Frau Bäcklund kurz nach ihren Entdeckungen über ihre Großmutter in der Nervenheilanstalt gelandet ist. Es ist wahrscheinlich, dass ihre Wohnung überwacht wird.
In unserem Gespräch bestätigte Algot, dass der Inhaber des Antiquariats „Der Bogen der Artemis“ ein Nachfahre von Carl von Linné ist.
Nach dem Gespräch zogen wir uns in die Schlossbibliothek zurück, um unsere Recherchen fortzusetzen. Während meiner Nachforschungen hatte ich plötzlich einen Moment der Klarheit, als ob sich ein Nebel in meinem Geist lichtete, und ich erinnerte mich an weitere Worte der Vätte, der ich einst im Wald begegnet war. Sie sagte zu mir: „Wenn du den König der letzten Tage triffst, knie nieder, er wird dir Respekt lehren.“ Diese plötzlich wiederkehrende Erinnerung teilte ich sofort mit meinen Gefährten.
Wir forschten in der Bibliothek zu verschiedenen Themen der Geschichte von König Arthur:
– In sowohl kirchlichen als auch heidnischen Aufzeichnungen gibt es Hinweise auf die „Herrin vom See“. Könnte sie ein Vaesen sein?
– Es gibt Berichte über ein Questentier, ein Ritter der Tafelrunde, Gawain, Sohn von König Lot von Orkney, jagte nach ihm.
– In heidnischen Erzählungen wird von feenhaften Kreaturen berichtet.
– Avalon, die Anderswelt, sie ist von viel Mystischem und Magischem umgeben.
– Lady Morgaine, die Hexe und Schwester von König Arthur, wird manchmal als Feenkönigin dargestellt.
Unser Studium der Bücher dauerte bis tief in die Nacht hinein, während wir uns mit der Heraldik der Tür zur Königskammer befassten. Dabei stießen wir eher zufällig auf eine Abhandlung von Carl von Linné. Auf dem Buch prangten die Symbole für „Tiere“, „Mineralien“ und „Pflanzen“. Doch zu unserer Überraschung fanden wir Hinweise darauf, dass Carl von Linné beabsichtigte, diese offiziellen Zeichen um ein viertes Symbol zu erweitern – ein Zeichen für „Vaesen“.
An der Tür zur Königskammer war auch ein Wappen in den Farben Rot, Schwarz, Grün und Blau zu sehen. Die Aufteilung des Wappens erinnerte stark an das, was Carl von Linné für seine Abhandlungen verwendete, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied. Während sein bekanntes Wappen in drei Segmente aufgeteilt war, zeigte dieses Wappen eine vierfache Teilung. Die Darstellung und Aufteilung waren ähnlich, doch die Symbole in den Wappenkategorien unterschieden sich.
Wir fanden daraufhin mehrere ähnliche Wappen, aber keines, das genau dem an der Tür entsprach. Ähnliche Wappen und Symboliken fanden wir in Wappen aus der Bretagne, Großbritannien und Schweden, jedoch passte dieses Wappen nicht zu einem bekannten Adelsgeschlecht. Es hatte etwas Drachenartiges an sich und deutete auf ein Reich der Anderswelt hin.
In allen vier Wappen entdeckten wir ein Feldzeichen, das auf einen Nachfolger hinwies – das Wappen des Erben. Dieses war stets im rechten oberen Feld angeordnet und wurde als „Wappen des Erben von Pendragon“ bezeichnet. Es erinnerte an die Nachfolge von König Arthur, mit Sir Mordred als zentraler Figur – manchmal als Sohn Arthurs, manchmal als Bruder, Bastardsohn oder Sohn von Morgaine, die in einigen Versionen der Legende ebenfalls als Arthurs Schwester auftritt.
Unser nächstes Ziel war es, mehr über dieses Wappen in mythologischen Aufzeichnungen zu finden. Schließlich legten wir uns völlig erschöpft zur Ruhe.
Als ich langsam in den Schlaf glitt, hörte ich in meinen Träumen den Klang von Kampfeslärm, das Zerbrechen von Lanzen und Schildern, wie bei einem Turnierkampf oder einer Tjost…