Die Bannung der Krähenbestie
In der Gruft machten wir uns daran, die Zusammenhänge zu erforschen, die es offenbar zwischen den verschiedenen Ereignissen der letzten Zeit gab. Auf eine merkwürdige Art und Weise waren die unterschiedlichen Begebenheiten miteinander verwoben – und mitten in diesem undurchsichtigen Netz schien sich unsere ebenso merkwürdige Gruppe zu befinden.
Krarach, der Gott der Drachlinge, den wir im unterirdischen Gewölbe der Räuberbande als Statue gefunden hatten, war offenbar mit dem Krähenwesen, das hier sein Unwesen trieb, verbunden. Die Bannstelle war zumindest mit seinem Zeichen versehen. Das erkannten wir, als Haarok das Relief wieder zusammengefügt hatte. Mit den Steinen, die die Monde symbolisierten, stellten wir auch den Bann wieder her, der die Bestie wieder zähmen sollte. Dazu setzte ich zuerst den silbernen Stein für den Silbermond, dann den roten für den Feuermond und schließlich den blauen Splittermondstein in die Mulden. Sofort entfaltete sich eine uralte, mächtige Magie. Doch wir hatten noch Zeit, bis das Biest von seinem Raubzug zurückkehren würde.
Haarok konnte es trotz der zahlreichen schlechten Erfahrungen unserer Gemeinschaft nicht lassen und öffnete den Sarg, um ihn wie ein dahergelaufener Grabräuber zu plündern. Tatsächlich war es am Ende auch gut für uns, denn er fand mit seiner Zwergennase Heiltränke, die unsere Kampfkraft zurückbrachten – und die sollten wir noch brauchen. Trotzdem habe ich noch immer ein ungutes Gefühl, was diesen Sarg und die darin bestattete Person betrifft. Das Symbol auf dem Deckel der Grabstätte entspricht der Platte, die Blondie aus dem Gewölbe der Räuber entwendet hat. Es ist das Zeichen der alten, nun verbotenen Göttin Iosaris, die für Licht und Schatten steht, wie das dämonenhafte Wesen, das uns verfolgte. Sie wollte einst die anderen Götter stürzen und noch heute huldigen ihr dunkle Kulte im Verborgenen. Selbst Umbrius hat Angst vor ihr. Doch bisher ist noch kein Unglück über uns gekommen.
Im Gegenteil – obwohl ein schattenhaftes, flinkes und dennoch kräftiges Wesen uns mehrfach attackierte, geschah nichts Schlimmeres und als die Krähenbestie im Morgengrauen zu ihrem Unterschlupf zurückkehrte, empfingen wir sie wie geplant und schlugen in der Gruft von allen Seiten mit unseren Waffen auf sie ein. Sie war noch stärker als in der Nacht zuvor und verfügte über beachtliche Regenerationskräfte, doch es gelang uns dennoch, sie niederzuringen und in Brand zu setzen, was es uns ermöglichte, sie zu ihrer Bannstelle zu ziehen und dort anzuketten. Der alte Zauber, der aus der Kraft der Steine und dem Ornament gewebt war, umfasste das Ungeheuer und zog es in die Wand hinein, um es sicher zu verwahren. Wir hatten erneut gesiegt!
Dennoch erschien plötzlich Melinkor, der Bote des Unglücks, den wir schon zu gut kennen. Es ist mir ein Rätsel, warum auch er uns verfolgt. Ob das mit Mor zu tun hat, der sich von dem alten Geist ja auch irgendwie angezogen fühlt? Oder hat es vielmehr damit zu tun, dass während des Kampfes die Leiche des Magiers und der verletzte und vollkommen betrunkene Filiam verschwunden waren? Konnte das unsichtbare Wesen, das zierliche Fußabdrücke hinterlassen hatte und dennoch eine steile Wand emporklettern konnte, sie mitgenommen haben? Weitere Spuren im Sumpf deuteten laut Iye nicht darauf hin, dass die Person etwas Schweres getragen hatte, aber die Körper konnten sich auch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Ein Stück Faden, das Iye fand, ließ mich sofort an die Nekromantin denken, die wir vor einiger Zeit getötet hatten, doch das machte nicht viel Sinn. Dennoch hatte sie Kleidung aus einem ebensolchen Garn getragen, da war ich mir sicher.
Da wir unseren Freund nicht finden konnten, zogen wir uns zurück zum Dorfflecken, wo wir freudig empfangen wurden. Die Bewohner feierten uns als die Helden von Brynntal und Krahorst.
Am nächsten Morgen nahmen wir Willibald von Krahorst das Versprechen ab, die Ruine zuschütten zu lassen, damit der Bann nicht erneut gebrochen werden konnte. Zur Sicherheit gab Iye der Wirtin noch ihren Teil der Belohnung, um ihrerseits für den Verschluss der Unheilsstätte zu sorgen. Dann machten wir uns auf den Weg nach Arwingen, auf dem wir überraschend auf einen alten Bekannten stießen. In Drynfurt stand uns plötzlich Mercurio gegenüber, der uns schon mitten im Kampf im Stich gelassen hatte. Entsprechend kühl fiel die Begrüßung aus, doch er schien sich nicht im Geringsten daran zu stören. Er überreichte uns Karten, die uns den Eintritt in Papa Antias‘ Miraculöse Menagerie erlauben würden, einem mysteriösen Jahrmarkt, der von Elfen betrieben wurde und der vor allem wegen seines plötzlichen Erscheinens und Verschwindens berühmt war. Er schien in eine Art Zwischenwelt zu gehören und ich versprach mir keine großen künstlerischen Leistungen.
Doch das Kostüm, das Mercurio trug, weckte meine Aufmerksamkeit. Es war aus einem Stoff wie der Fetzen, den ich gefunden hatte, als Jarason verschwunden war. Das war die erste Spur seit Jahren! Und obwohl wir in Eile waren, nahm ich die Einladung nun an, nachdem ich sie schon ausgeschlagen hatte. Zum Abschied wandte sich Mercurio noch an Blondie und fragte ihn, was er in seiner Tasche habe. Der war so überrascht, darin den Siegelring des erschlagenen Räuberhauptmanns zu finden, wie wir darüber, dass Mercurio dies voraussagen konnte. Es blieb unklar, wie der Ring dorthin gekommen war und ob nur Mercurio damit zu tun gehabt hatte oder auch Blondie selbst. Sicher war nur, dass Mercurio undurchsichtig war und uns herausforderte. Wir beschlossen daher, uns vor dem Besuch der Menagerie noch mit Schutzzaubern einzudecken.