Das Trennen der Bande

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16.04.22 – Für den Moment scheint der Schrecken, der so unvermittelt über Distelfeste hereingebrochen ist, zurückgeschlagen worden zu sein. Nachdem Herogai und ich uns dem Vorstoß angeschlossen haben,
der die Kreaturen zurück in den schrecklichen Abgrund gedrängt hat, wurden unter der Leitung von Hauptmann Marvello eine Palisade rund um den Krater errichtet und Wachen aufgestellt. Der Söldner und ich brechen zu dem eilig eingerichteten Lazarett auf, in dem Temedo und Meister Tribor geholfen haben, die zahlreichen Verletzten zu behandeln. Die Nacht ist hereingebrochen. Da wir für heute alle am Ende unserer Kräfte sind und es nichts mehr gibt, was wir tun können, verabreden wir uns für den nächsten Morgen in „Der Näherinnen Rast“. Im Licht des neuen Tages wollen wir dann weiter sehen, was zu tun ist.

Ich lege mich erschöpft in meiner engen Kammer zur Ruhe und versinke bald in wüsten Träumen, aus denen ich augenscheinlich in Eferneyas Armen liegend erwache. Wir lagern eng umschlungen irgendwo im Wald, eingehüllt von einer milden Sommernacht. Eferneya streicht mir durchs Haar und flüstert mir zu: „Ihr seid in großer Gefahr und habt euch auf etwas Altes und Böses eingelassen. Es ruft nach euch. Ihr müsst diesem Albtraum entkommen! Glaubt nichts was ihr seht und hütet euch vor den bleichen Schatten in der Nacht!“
Ich meine zu fühlen, wie ihre Fingerspitzen über meinen Arm tasten. Doch als ich hinsehe, erblicke ich eine dicke, bleiche Spinne, die dort entlang krabbelt.
Erschrocken fahre ich auf. Eferneya ist verschwunden, dafür liegt meine Ausrüstung um mich herum verstreut. Mit der schönen Hexe ist auch die Wärme der Nacht verschwunden. Die Luft um mich herum ist kalt und auf dem schwarzen Waldboden sehe ich eine Spur aus weißen Spinnen, die über Laub und Moos hinweg krabbelt. Hastig sammele ich meine Ausrüstung ein und folge den Tieren. So gerate ich auf eine Lichtung, wo ich auf meine Weggefährten treffe. Als ich ihnen von Eferneyas Warnung berichten möchte, durchzuckt ein stechender Schmerz meinen Kopf. Die anderen mustern mich besorgt und erklären, Xanathâ hätte sie vor meiner „Verschlagenheit“ gewarnt.
Verwirrt erzähle ich nun von meiner Traumbegegnung mit Eferneya und dass sie uns vor etwas Altem und Bösen (Xanathâ?) warnen möchte.
Doch da schickt uns die große Spinne eine Folge von Bildern in den Geist: Eferneya, wie sie ihr – unseren! – Sohn zur Welt bringt.
Das Neugeborene hat kleine Spitzen an den Ohren und schwarzer Flaum bedeckt seine Kopf. Ein neues Bild steigt vor unseren inneren Augen auf: Der Knabe ist zwei Jahre alt und spielt mit ein paar Knochenwürfeln.
Verräterblut! Es wird uns allen den Untergang bringen!, zischt uns Xanathâ zu. Erneut wechselt die Szenerie: Nun sehen wir prächtige, fremdartige Gebäude, Städte aus vergangenen Epochen. Die Städte Symbaroums zerfallen vor uns und der Davokar erhebt sich, nimmt ihren Platz ein. Die Spinne „spricht“ in Bildern von einer Zeit des Umbruchs, die der Junge herbeiführen wird, von Wyrhta, die Kraft, die erschafft, von Wielda, die Kraft, die herrscht und von Wratha, die Kraft, die regiert …
Mein Kind sei eine Bedrohung, die wir beseitigen müssen.

Ich bin entsetzt von Xanathâs Behauptung und noch schockierter darüber, dass meine Gefährten tatsächlich zu erwägen scheinen, auf Xanathâs Drängen hin, das Kind – meinen Sohn – zu töten. Entrüstet bestehe ich darauf, dass die monströse Spinne lügt und berichte auch von dem Gespräch mit Saran-Ri. Der Elf machte sich Sorgen darüber, dass Xanathâ dem Einfluss des Verdorbenen Wassers aus der Gruft nicht widerstehen könne.
Meister Tribor erklärt, ich sein befangen und können die Situation nicht klaren Geistes beurteilen. Wenn die Spinne Recht hat und Eferneyas Kind den Untergang bringen wird, wäre dessen Tötung ein angemessenes Mittel, um diese Bedrohung noch vor ihrer Entstehung abzuwenden.
Temedo fragt Xanathâ, ob die jüngsten Scheckensereignisse in Distelfeste mit meinem Kind zu tun haben. Xanathâ schickt uns wieder eine Vision:
Wir sehen, wie die Fürstentümer der Ambrier vom sich ausbreitenden Davokar verschlungen werden. Tief im Urwald steht ein Jüngling, spitze Ohren schauen aus seinem schwarzen Haar hervor und Tätowierungen der Barbaren verzieren seine Haut. Mein Sohn …
Die Nacht ist günstig, um das Verräterblut zu töten, zischt die Spinne. Kurz sehen wir alle ihren riesigen, feisten Leib zwischen den nachtschwarzen Bäumen, dann verblasst die Gestalt.
Tötet das Kind jetzt!

Aufgebracht will ich protestieren, doch ein heftiger Schwindelanfall lässt mich taumeln. Kurz meine ich Eferneya vor mir zu sehen, die mir sorgenvolle Blicke schenkt. „Ich habe dein Band durchtrennt. Die Bande müssen gelöst werden! Das solltet ihr wissen.“ Dann verlässt sie mich wieder.
Aufgewühlt versuche ich die anderen davon zu überzeugen, den grässlichen Worten der Spinne keinen Glauben zu schenken. Doch sie sind nicht bereit, Xanathâs Ansinnen kategorisch abzulehnen, da man nicht wissen könne, ob die Spinne nicht doch die Wahrheit sage.
Herogai erklärt, dass er es im Augenblick ablehnt, dass Kind zu töten. Er will es aber sehen und mit Eferneya sprechen. Auch Meister Tribor sagt, dass er keine Entscheidung fällen kann, da die Warnung der Hexe gegen Xanathâs Behauptung stehe und er nicht einschätzen kann, welche Partei im Recht ist. Temedo lässt nicht durchblicken, zu welcher Seite er tendiert. Meine Gefährten beschließen deshalb, auf Xanathâs Geheiß hin den Spinnen zu folgen und so das Lager der Barbaren zu finden. Sie wollen ein Gespräch mit Eferneya fordern und meinen Sohn in Augenschein nehmen.
Um das Schlimmste zu verhindern, folge ich ihnen und versuche Meister Tribor davon zu überzeugen, dass das magische Band, welches uns mit Xanathâ verknüpft, dringend gelöst werden muss.
Nach einer Stunde erreichen wir den Waldsaum und sehen schon das Feuer des großen Leuchtturms von Distelfeste jenseits der Stadtmauer brennen. Die Barbaren haben ihr Lager vor der Stadt aufgeschlagen. Deutlich können wir kleine Feuerstellen, die beiden Reitkonstrukte und mehrere Zelte erkennen. Die bleiche Spur der Sinnen führt zu einen der Zelte. Schlafen dort wirklich Eferneya und mein Sohn?
Herogai will sich den Wachposten der Barbaren zu erkennen geben. Doch die bewaffneten Clankrieger reagieren weder auf sein Rufen, noch als wir nahe an sie herantreten. Die Spinne muss einen Zauber um uns gewebt haben, wodurch sie uns nicht wahrnehmen können.
Erneut drängt Xanathâ die anderen dazu, das Kind zu ermorden.
Es müsse jetzt gleich geschehen, nur in dieser Nacht sei es möglich.
Zu meiner Erleichterung erklärt plötzlich Meister Tribor, dass er sich dazu entschieden hat, meinen Sohn nicht zu töten. Auch Herogai, der auf einer Unterredung mit Eferneya bestanden hat, damit sich die „Gegenseite“ zu den Behauptungen der Spinne äußern kann, lehnt es nun ab, den Mord zu begehen.

Wir ziehen uns ein Stück bis zum Waldrand zurück und schlagen dort ein eigenes Lager auf. Morgen wollen wir mit den Hexen sprechen. Ich bin froh, dass ich nicht gezwungen worden bin, mich mit Waffengewalt gegen meine Gefährten zu stellen. Schweigend warten wir, doch dann müssen wir feststellen, dass die Nacht nicht zu vergehen scheint. Sicher ein weiterer Aspekt des Zaubers, unter den uns Xanathâ gestellt hat!
Wieder dränge ich Meister Tribor dazu, die Bande zu der Spinne zu trennen und er stimmt zu. Nachdem er das Ritual vorbereitet hat, fordert er zuerst Temedo auf, sich in den magischen Kreis zu stellen. Als der Magier sein Werk vollbracht hat, löst sich der Bader vor uns scheinbar in Rauch auf. Als nächstes vollzieht Meister Tribor das Ritual an mir. Doch auch wenn er sich sicher ist, Erfolg gehabt zu haben, entschwinde ich nicht wie Temedo. Nachdem Herogai dem Ritual unterzogen wurde, löst er sich wie der Bader in Luft auf. Meister Tribor vermutet, dass ich von einer anderen Macht geschützt werde, auf die er nicht eingestimmt ist. Nachdem er das Ritual auf sich selbst angewendet hat, verschwindet er aus dem Kreis. Da verblasst der Wald auch um mich herum und plötzlich finde ich mich in meiner bescheidenen Kammer wieder.

17.04.22 – Als ich die Augen öffne, stelle ich überrascht fest, dass Eferneya bei mir ist. Und diesmal ist es kein Traum, sie ist leibhaftig bei mir! Die Hexe erklärt, sie habe gespürt, dass ich unter einem Zauberbann stand, den sie aber brechen konnte. Ich berichte ihr von Xanathâ. Der Name sagt ihr nichts, Oroke ist Eferneya jedoch ein Begriff. Als ich ihr berichte, was die Spinne von uns verlangt hat, ist sie schockiert und bricht sofort auf, um nach unserem Sohn zu sehen. Ich frage sie hastig, wann ich ihn sehen darf, doch sie erklärt eilig, dass die Zeit dafür leider noch nicht gekommen ist. Enttäuscht bitte ich sie, mir wenigstens seinen Namen zu verraten und sie erfüllt mir wenigstens diesen Wunsch. Dann ist sie zur Tür heraus und schon höre ich das Schlagen von Eulenflügen im Morgengrauen.

Als ich mich wenig später mit den anderen vor der Schenke „Der Näherinnen Rast“ treffe, berichte ich ihnen von meinem Treffen mit Eferneya. Ob Bürgermeister Nachtschwarz heute den Gesandten der Huldra erlauben wird, Distelfeste zu betreten? Zunächst brechen wir gemeinsam zu Hauptmann Marvello auf, vielleicht weiß er schon Bescheid. Ich hoffe nur, dass es für mich bald eine Möglichkeit geben wird, meine Eferneya und meinen Sohn wiederzusehen!

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