Temedos wahrheitsgemäßer Abenteuerbericht
25.5.21
Mitternacht war vorbei, und wir gingen zur Stadtwache. Hier waren auch die königlichen Grenztruppen und die königlichen Waldläufer stationiert. Ihre Banner hingen vor den jeweiligen Garnisonsgebäuden zwischen denen sich eine Stellmacherei und eine Schenke befanden. Hauptmann Marvello berichtet uns von den vier früheren Opfern, die alle im Viertel beim Nordfeuer gefunden worden waren:
- Sechs Tage zuvor fand ein Medikus die Leiche des Fallenstellers Gerek in einer Gasse. Er dachte zuerst, dass es sich um Schlachtabfälle hielt.
- Vier Tage zuvor fand ein Gastwirt den Schatzsucher Len, gehäutet in einem Stall, als wenn ein Jäger Fleisch abgehängt hätte.
- Zwei Tage zuvor fand ein Gerber den Leichnam der Schankmaid Schanda in einer Gasse unweit ihrer Wohnung.
- Gestern stieß der Gewürzhändler Albokt auf den toten Rauchfangkehrer Teoman in einem Hühnerstall hinter Meister Vernans Haus.
Mit Reagenzien aus dem hiesigen Labor konnte ich das Blut entfernen, das Meister Vernans Brief an den Bürgermeister unleserlich gemacht hatte. Er warnte Lasifor Nachtschwarz vor der Kupferkrone, die Gorak letztes Jahr gefunden und u.a. ihm gezeigt hatte. Der Magier ging davon aus, dass die Morde der vergangenen Tage mit dem Fluch dieses Artefaktes zusammenhingen.
Auch bei Teomans Leiche fehlten Schild- und Zirbeldrüse – die älteren Leichen waren schon verbrannt worden. Und mir fiel auf, dass der gehäutete Körper der einer Frau war, aber die Haut die eines Mannes. Die Überprüfung von Vernans Überresten ergab, dass die aufgefundene Haut die einer Elfe oder eines weiblichen Wechselbalges waren. Wir schlossen daraus, dass der Mörder in Teomans Gestalt eine Elfe, die Vernan hatte besuchen wollen, im Hühnerstall getötet und Teomans Haut gegen die der Elfe gewechselt hatte, um so in das Haus von Meister Vernan eingelassen zu werden. Der Hauptmann gab uns ein Empfehlungsschreiben für den Bürgermeister mit, und wir begaben uns in Der Näherinnen Rast zur Ruhe.
Am nächsten Morgen suchten wir Vernans Haushälterin Esbetha auf, die ängstlich bestätigte, dass der Meister Umgang mit Elfen gepflegt hatte, und diese ihn hier im Haus besucht hatten. Sie gab uns einen Ring, den sie beim Reinigen des Tatorts unter dem Schreibtisch des Magiers gefunden hatte. Es handelte sich um einen angelaufenen Eisenring mit Schriftzeichen auf der Innenseite. War das ein früheres Geschenk der Elfen gewesen? Laut Floki wies er keine Schatten auf.
Im Anwesen des Bürgermeisters ließ uns Lasifor Nachtschwarz eine geschlagene Stunde warten. Als er uns empfing, war er in Begleitung der Hexe Jagada, die ihm mehrfach Ratschläge ins Ohr flüsterte, sich aber nicht direkt mit uns unterhielt. Wir informierten ihn über unsere Erkenntnisse, und er bat uns, unsere Arbeit fortzusetzen. Hierzu stattete er uns mit einem Schreiben aus. Er bestätigte, dass Goraks Leute nach und nach verschwunden waren, nachdem sich der erste in eine Ausgeburt verwandelt hatte, aber er konnte nicht sagen, wie das mit den gehäuteten Leichen zusammenhing.
Mit Ianoscho führte er noch ein privates Gespräch – wir standen vor der Tür – und riet ihm ab nach seiner Herkunft zu forschen. Die allermeisten Elfen wären mordlüstern und hätten kein Interesse an ihm.
Die Mittagszeit nutzte Meister Tribor, um den Ring zu untersuchen. Er stellte fest, dass er seinen Träger vor Korruption schützte. Sollte man aber mystische Kräfte einsetzen, verursachte das körperlichen Schaden. Er gab den Ring an Ianoscho weiter, der ihn an sich band, und so nicht mehr unter den Folgen des Rituals mit der Eulenfrau litt.
Hauptmann Marvello hatte erfahren, dass die Leichenschauen nur von einem Gehilfen durchgeführt worden waren, dem die Details entgangen waren, die wir bemerkt hatten.
Am Nachmittag folgten wir der Blutspur von Meister Vernans Zimmer, die der Mörder am letzten Abend hinterlassen hatte. Floki und Ianoscho gingen über die Dächer, und wir anderen folgten ihnen durch die Straßen, während wir ihre Taschen und Rüstungen trugen. Wir kamen bis zum Krötenplatz.
Herogai machte uns auf einen Menschenauflauf in einer Seitengasse aufmerksam. Stadtbüttel versperrten einen neuen Tatort, doch mit dem Schreiben des Bürgermeisters gewährte man uns Zugang zu einem Stall. Von einem Balken hing der noch nicht gehäutete Leichnam eines Knechtes. Die Stadtwache Kaitara hatte den Mörder aufgestöbert, als er den Knecht anfing zu häuten. Wir stellten fest, dass der Knecht den Mörder mit einer Forke verwundet hatte, aber letztenlich erdrosselt worden war. Er war entkleidet und beide Drüsen fehlten. Kaitara kam hinzu, als die Häutung anfing, und sah den Mörder in der Gestalt von Meister Vernan. Dieser verwirrte sie mit einem Zauber und entkam blutend.
Ich bat Ianoscho dieser frischen Spur zu folgen. In der Zwischenzeit war der Theurg Griefen mit seiner Bande gekommen und kam zu den gleichen Schlüssen. Er begann zu beten, um weitere Erkenntnisse zu erhalten. Nach einiger Zeit kam Ianoscho zurück, und wir meldeten uns bei einem Feldwebel ab. Allerdings folgte uns ein Bandenmitglied, während uns unser Kundschafter zu einem verschlossen Lagerhaus führte. Ich wartete mit unserem Magier vor dem Tor, während die anderen von hinten einstiegen, um uns hereinzulassen. Im Inneren war ein untoter Wächter, den Meister Tribor mit seinem Feuerzauber vernichtete.
Zwischen einigen Holzkisten fand Floki ein provisorisches Lager, wo er die Bücher Trennen der Bande und Blutverkleidung fand. Unter einer Kiste war eine Wendeltreppe verborgen, die in ein altes Gewölbe führte, das aus früheren Zeiten stammte. Griefen war von seinem Mann geholt worden, und stieg mit uns hinab. Ein Mann, in Lumpen gehüllt, war mit Seilen an einer Wand gefesselt. Vor ihm sahen wir Meister Vernan, wie er versuchte den Wahnsinnigen zu beruhigen, den wir für Gorak hielten. Abseits auf einem Podest lag ein Schädel mit einer Kuperkrone, und ich hörte ein Flüstern in meinem Geist.
Der Mörder flehte uns an, zu gehen, besann sich aber, als wir keine Anstalten machten, seinem Drängen nachzugeben. Aus der Haut des Magiers trat nackt ein weiblicher, blutverschmierter Wechselbalg heraus – gleich mit einem Schwert in jeder Hand. Das musste Alahara, Goraks Rechte Hand sein. Hätte ich geahnt, was kommen sollte, so hätte ich sie Gorak töten lasen, aber ich hatte die Hoffnung gehabt, diese Leute lebend gefangen zu nehmen.
Floki und Ianoscho töteten sie schnell. Kaum dass Floki den Schädel mit der Krone zu Griefens Entsetzen gespalten hatte, verwandelte sich Gorak in eine Ausgeburt und riss sich von der Wand los. Wenigstens hatte das unheimliche Flüstern in meinem Kopf ein Ende. Floki ging als erster zu Boden. Herogai vermochte es einmal, die Kreatur umzustoßen, aber wurde danach von ihr zusammengeschlagen. Griefen versuchte erfolglos seine Kräfte einzusetzen – ich hatte das Gefühl, dass er zauberte anstatt priosgefällige Kräfte zu nutzen. War er ein falscher Priester? Sein Glück, dass ich mein Wissen für mich behalten musste, um nicht selber aufzufliegen.
Meister Tribor bewahrte uns mit zwei Feuerzaubern vor dem sicher scheinenden Tod, und der Körper der Ausgeburt löste sich in einer dampfenden Lache Pech auf. Griefen nahm die Überreste der Kupferkrone an sich und verschwand mit seiner Bande aus Diestelfeste. Herogai und Floki wurden ins Lazarett gebracht.
26.5.21
Am nächsten Tag bekam jeder von uns von Hauptmann Marvello den silbernen Bürger-der-Stadt-Ring und den entsprechenden Passierschein. Floki ging es schon wieder so gut, dass Eufrynda zu ihm kam und das gestohlene Buch Trennen der Band einforderte. Floki hatte sich eine großzügige Belohnung erhofft, aber die alte Magierin nutzte ihren Stand aus und drohte ihm im Gegenteil mit Gefängnis, wenn er das Eigentum des Ordo Magica nicht unverzüglich herausgab. Er gab ihr das Buch, ohne einen Heller verdient zu haben.