02. Saatmond 990 – Ruine der Burg Tannhag
Unsere Krankheiten und Verletzungen sind größtenteils auskuriert. Auch Teldor geht es schon besser, seine entstellenden, eitrigen Pusteln und der Brechdurchfall sind beinahe abgeklungen.
Trellok untersucht weiterhin das Portal, um seine Geheimnisse zu entschlüsseln, zum Beispiel, wohin es führt. Er ist seiner Aussage nach von der Portalgilde schon vor den seltsamen Ereignissen losgeschickt worden, weil man bei der Portalgilde eine besondere Mondstellung ausmachte, die dieses Portal begünstigten. Oder die hatten einfachso ein Gefühl, richtig verstanden habe ich das nicht.
Trellok hat zumindest hier gleich seine Lagerstatt aufgeschlagen und es sich mit Büchern und Schriftrollen gemütlich gemacht. Wir lassen ihn in Ruhe, machen uns einen entspannten, gelangweilten Tag und gehen Abends ins Gasthaus nach Tannhag, wohin uns Trellok begleitet.
Die Ruine haben wir mit einer provisorischen Tür gesichert, damit wir die Ruine abschließen können. Wir trinken ein paar Bier, während Trellok uns einiges über die Mondportale erzählt: wie sie sich öffnen und schließen, was sich dahinter verbergen kann und vieles weitere. Er möchte uns überzeugen, das Portal, welches er zu öffnen imstande ist, zu durchschreiten und das „Dahinter“ zu erkunden. Bei denen, die noch nie durch ein Mondportal gegangen sind, sind Zweifel vorhanden (auch bei mir), aber wir willigen ein- die Neugierde ist größer. Dafür decken wir uns noch mit Proviant ein, bevor wir zurück zur Ruine gehen und uns hinlegen.
03. Saatmond 990 – Ruine der Burg Tannhag
Morgens gehen wir nach ausgiebigen Frühstück in den Portalraum. Wir hören schon vorher Geräusche und ein Licht aus dem Raum leuchten. Trellok war schon fleißig, das Portal scheint offen zu sein. Der Inhalt des Bogens schimmert milchig und man kann nicht hindurchsehen.
Trellok sagt uns, dass er das Portal offen hält, aber eventuell zwischendurch neu starten muss und der Durchgang dann für kurze Zeit nicht offen ist. Er erinnert uns noch mal eindringlich, dass wir den Pfad hinter dem Portal, wie auch immer der aussieht, auf gar keinen Fall verlieren dürfen.
Wir schreiten dann einer nach dem anderen hindurch. In dem Moment, wo ich hindurchschreite, überkommt mich ein kalter, irgendwie auch silbrig-schimmernder Schauer. Im nächsten Moment stehe ich in einem steinernen Gang, von Fackeln beleuchtet. Vor mir ist eine Treppe nach oben und hinter mir nichts. Es riecht erdig und der Boden schwankt. Ich frage mich, wo die Tür zurück ist, gehe aber erst mal nach oben. Oben stehe ich merkwürdigerweise an Deck eines Schiffes.
Dort stehen schon die anderen, denen es so geht wie mir: wir fühlen uns dumpf und benommen, als wären wir eben aus einem langen Schlaf erwacht.
Das Schiff besteht aus schwarzen Planken und ist eine mittelgroßer Einmaster. Es ist taghell, aber man sieht weder Sonne noch Himmel, das Wasser um uns herum ist schwarz. Das Schiff ist bis auf uns leer.
Es hält auf eine Küste zu, an der wir eine vielleicht zwei Meter hohe Mauer sehen und davor einen weißen Strand mit einem Anleger. Hinter der Mauer sieht man ein schwaches, rotes Leuchten. Der Horizont ist nicht zu sehen, nach einigen hundert Metern verschwindet alles in schwarzem Nebel, auch die Mauer.
Eine absolut unwirkliche, absurde Szenerie.
Lorin, der als erster durch das Portal gegangen ist, berichtet, dass es zuerst nur Nebel gesehen hat und dieser sich mit jeder Person weiter gelichtet hat.
Eine Untersuchung des Schiffes ergibt nichts. Der erdig riechende, steinerne Gang ist immer noch da; auf der Rückseite des Schiffes gibt es noch einen, ebenfalls eine Sackgasse. Eine Besatzung gibt es nicht, ebenso keinen Pfad oder ein Portal. Das fängt ja gut an.
Das Schiff hält weiter auf die Küste zu, zum Glück sind Naruar und Gwyndolin des Bootfahrens mächtig und können das Schiff problemlos zum Anleger bringen, so dass wir unbeschadet aussteigen.
Hier wird es noch grotesker: der weiße Sand ist keine Sand, es sind bleiche Gebeine.
Die Mauer vor uns ist aus schwarzem Granit, wie geschätzt etwa zwei Meter hoch und verschwindet nach etwa 200 Schritt links und rechts im schwarzen Nebel. Vor uns geht eine Treppe zum Wehrgang hinauf, das krank wirkende, rötliche Leuchten dahinter ist immer noch da.
Wir gehen die Treppe hinauf und werfen einen Blick dahinter. Es erstreckt sich etwa 40 bis 50 Schritt unter uns ein dichtes Blätterdach, das nach etwa einer halben Meile im schwarzen Nebel verschwindet. Gwydolin und Naruar gehen auf der Mauer in Richtung des Nebels, um eventuell ein Ende zu finden. Die Mauer hat eine ganz leichte Biegung und geht immer weiter, so dass es am Ende ein gigantischer Kreis sein könnte. Allerdings gehen die beiden nicht so weit; egal, wie weit die beiden gehen, der Nebel ist immer gleich weit entfernt. Dafür verschwinden die beiden langsam. Es ist, als wenn jeder über sich eine Glocke mit klarer Sicht hat und der Rest schwarzer Nebel ist.
Etwas unschlüssig stehen wir herum, ein leichter Wind ist aufgekommen. Das rote Leuchten ist hier schwächer, aber sichtbar. Und wir hören einen Ton: ein dumpfes Brummen, das irgendwie um uns herum ist, nicht sehr laut und auch nicht nervig oder aggressiv. Unweit unserer Position ist eine Leiter an der Außenwand der Mauer angebracht, die wir nach kurzer Beratung hinabsteigen.
Unten angekommen stehen wir in einem riesigen Wald. Es ist ein älterer Wald mit hohen Bäumen und dichtem Blätterdach. Es gibt so gut wie kein Unterholz, der Boden ist sehr moosig und die Bäume haben einen Durchmesser von mindestens drei Schritt mit sehr ausladenden Wurzeln. Es ist hier hell, das Licht ist dämmerig-grün und es riecht feucht und erdig. Wir sehen einige Insekten, die wir aber alles nicht erkennen. Größere Tiere wie Kaninchen oder Vögel sehen wir dagegen nicht.
Wieder hören wir das Geräusch. Wir sind unsicher, ob wir uns in den Wals wagen sollen, hatte Trellock doch gewarnt, nicht den Pfad zu verlassen. Der Wald sieht aber aus, als könnte man sich in ihm schnell verirren. Lorin sucht nach Spuren, findet zunächst aber keine. Etwas abgelegen findet er dann doch welche- von mir, obwohl ich an dieser Stelle noch nicht war. Die Spuren sind definitiv von mir, man kann meine bequemen Furgandstiefel sehr gut erkennen.
Wären wir uns fragen, was das alles soll, steht Gwyndolin mit geschlossenen Augen neben uns. Nach kurzer Zeit, er scheint die arkanen Strömungen zu analysieren, hat er eine Theorie: der Wald lebt und kommuniziert mit uns auf diese Weise.
Also beschließen wir, den Spuren zu folgen. In dem weichen Moosboden ist das auch nicht sonderlich schwer. In unregelmäßigen Abständen hören wir das brummende Geräusch. Wir gehen etwa zwei Stunden durch den Wald, ohne dass sich etwas verändert. Dann aber fällt uns auf, dass es anfängt, moderig zu riechen und auch ein leichter Kopfschmerz macht sich breit.
Eine weitere Stunde folgen wir den Spuren als wir an einen großen, mehrere Meter hohen und abgebrochenen Baum kommen. Er ist pechschwarz und ein toter Ork hängt an ihm. Keins von dem Späherpack, ein ausgewachsener Orkkrieger mit Rüstung und einer Axt, die vor ihm am Boden liegt. Etwas scheint ihn durch die Brust an den Baum genagelt zu haben; Kampfspuren finden wir nicht. Dem Geruch nach zu urteilen hängt er schon länger hier.
Mir fällt auf, dass hinter diesem Baum der Wald deutlich düsterer und enger wird. Gwyndolin analysiert mittels eines Zaubers die Umgebung. Dabei stellt er fest, dass die Magie, die den Wald durchdringt, hinter dem Baum deutlich schwächer wird.
Und ihm fällt etwas auf. Lorin hatte zuletzt von Orks erzählt. Gibt uns der Wald ein weiteres Zeichen?
Wir gehen voran in einen Wald, der sich jetzt deutlich verändert. Das Moos wird trocken, die Blätter gelb und es riecht moderig; der Wald scheint hier im Sterben zu liegen. Leichter Bodennebel steigt auf. Wir gehen angespannt und schweigsam weiter.
Das rote Leuchten scheint jetzt durch die Bäume und wir nehmen Geräusche und Lichter wahr, die wir aber nicht ganz zuordnen können. Zwischendurch hören wir lederige Flügel schlagen und sporadisch brechendes Holz. Inzwischen riecht es nach Eiter und wir haben Kopfschmerzen.
Thungmor ist einen Moment unachtsam und tritt auf einen Ast. Plötzlich ist es totenstill. Vor uns sehen wir in etwa 50 Schritt Entfernung einen kleinen Hügel. Lorin bewegt sich schnell aber leise in dorthin, Naruar folgt ihm, wir anderen gehen in Deckung. Die beiden wagen einen Blick über die Kuppe, ziehen sich etwas zurück und winken uns heran.
Hinter der Kuppe bietet sich ein eigenartiges Bild. Dort ist eine Senke, etwa 50 Schritt im Durchmesser und praktisch frei von Bäumen. In der Mitte ist ein Riss im Boden, in dem eine leuchtend rote Masse wabert, die Lava ähnlich ist. Der Gestank hier ist widerlich.
Noch widerlicher sind allerdings die fünf Kreaturen, die sich in der Senke befinden. Sie sind 2,5 Schritt hoch, spinnenartig mit vier Beinen und schlanken Körpern. Der Kopf ist lang mit großen Hauen und langen Dornen, zudem haben sie fledermausartige Lederschwingen. Das ekelhafteste ist aber, dass sie keine Haut haben und man auf das nackte Fleisch sieht.
Diese abstoßenden Ausgeburten der Hölle sehen sich aufmerksam um; einer zerbricht einen Baum und wirft ihn in die rote Masse. Es sieht aus, als würde der Wald verfüttert.
Wir entscheiden, diese Kreaturen anzugreifen. Leider klappt unsere Überraschung nicht und wir merken schnell, dass unsere Gegner uns deutlich überlegen sind. Sie sind schnell, sehr stark und hauen eine ziemlich grobe Kelle. Wir haben wenig Chancen, koordiniert vorzugehen und werden nach kurzer Zeit einer nach dem anderen besiegt. Als mich ein letzter Schlag trifft, wird es schwarz um mich.
Irgendwann werde ich wach. Wo ich bin, weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass ich lebe, denn ich habe Schmerzen und mir ist sehr kalt. Ich öffne die Augen und richte mich auf. Der Himmel ist blau, es schneit. Meine Kameraden liegen um mich herum und wachen auch soeben auf. Wir sind alle verletzt, unsere Taschen und Waffen sind weg.
Und wo zur Hölle sind wir hier?