Das Licht des Imperators

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Vorgen Quinley, der Sicherheitschef der Horizon, erhob sich von seinen Schreibtisch und nahm den Stoß Papiere, der darauf lag. Er hatte in den vergangenen Stunden versucht, einen Bericht der Nachforschungen zum Tod von Sergeant Hu zu verfassen. Dieser hatte sich nach einer Explosion als Fresko aus Knochen und Eingeweide an den Wänden seines Quartiers verteilt. Zu dem Zeitpunkt war Hu gerade damit beschäftigt gewesen, eine Sprengvorrichtung zu bauen. Die dafür eingesetzte Menge an Explosivstoff hätte aber so gering sein müssen, dass ihm bei einem Unfall höchstens eine Hand abhanden gekommen wäre.
Nachdenklich wog Vorgen Quinley die Seiten des Berichts in seiner Hand und zog kräftig an der Zigarre. Zehn Tage befand sich das Schiff nun im Warp. Zehn Tage, in denen Zeugen befragt, Spuren gesichtet, Theorien aufgestellt und verworfen worden waren. Er überflog noch einmal die Stellen, in denen er die Aussagen des Sicherheitspersonals, das zum Zeitpunkt des Vorfalls auf dem Deck stationiert gewesen war, zusammen gefasst hatte. Niemand von ihnen hatte etwas außergewöhnliches beobachtet, die meisten hatten noch nicht einmal den Knall der Explosion gehört. Auch die Befragung der Zivilisten, die ihre Wohn- oder Arbeitsquartiere in der Nähe hatten, hatte nichts ergeben. Schon etwas ratlos hatte Quinley dann Mr. Black aufgesucht. Er sollte sich einmal in den unteren Bereichen des Schiffs umhören, ob etwaige subversive Elemente vielleicht etwas zu berichten wüssten. Es hatte den Sicherheitschef schon einigermaßen erstaunt, als Mr. Black sich gar nicht bemühte, sondern von vorne herein abstritt, dass es an Bord der Horizon irgendeine Form von Kriminalität gebe. Und tatsächlich, als Vorgen Quinley den Aktenschrank öffnete, war dieser leer. Kein einziger Vorfall seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren. Black führte aus, dass man schließlich mit größter Sorgfalt das Personal aussuchen  würde. Außerdem seien die Menschen auf der Horizon so vom Licht des Gottimperators erfüllt, dass sie keinerlei negative Gedanken hegen würden.
Doch wofür brauchte man dann fünftausend Sicherheitskräfte an Bord? Auch darauf hatte Mr. Black eine Antwort gehabt. Vorwiegend seien diese Truppen für Bodenoperationen, aber natürlich auch zur Überwachung der Leibeigenen.
Nun war Vorgen Quinley irritiert. Warum mussten die Leibeigenen denn überwacht werden, wenn sie keinerlei kriminelle Energie hatten? – Damit sie ihre Arbeiten richtig ausführten, war die Antwort.
Irgendwie machte das Ganze keinen  Sinn für Vorgen Quinley, aber Mr. Black hatte recht, es gab keine dokumentierten Vorfälle in den letzten zwei Jahren. Noch nicht einmal eine Schlägerei oder einen Diebstahl hatte es gegeben. Die Menschen an Bord waren so ganz anders, als der Sicherheitschef das von seiner Heimatwelt kannte – sie waren einfach gut.
Naja, da war der Mord an dem Ecclesiarchen. Aber das war ja der Eldar, Kapitän Aphasius hatte wohl nur im ungünstigen Moment ein zustimmendes Nicken angedeutet.
Und die Säuberung nach den Mutationen? Das konnte man als medizinische Maßnahme auffassen.
Der Sicherheitsmann, der aus der Luftschleuse gestoßen wurde? Vermutlich ein Suizid.
Es stimmte schon, auch nach langem überlegen konnte sich Vorgen Quinley nicht erinnern, dass an Bord irgendein Verbrechen statt gefunden hatte. Also war Sergeant Hu wohl betrunken gewesen, als sich der Unfall in seinem Quartier ereignete. Schließlich hatte man die Überrest einiger Whiskyflaschen in den Trümmern gefunden. Hu war wohl ein Säufer und hatte sich selbst in die Luft gejagt. War er also der Einzige an Bord, der so pflichtvergessen war, der so abseits des imperialen Lichts stand? Ist Sergeant Hu das einzige subversive Element an Bord gewesen? Irgendwie kam Vorgen Quinley auch das nicht richtig vor, aber so sehr er sich auch mühte, er fand nicht heraus, warum.
Noch einmal zog der Sicherheitschef an seiner Zigarre, verwedelte mit dem Papierstoß dann den Rauch ein wenig und ging hinüber zum Ofen. Er öffnete die Klappe und schaute einen Moment in die Glut der Heizspulen. Dann nahm er den Bericht und warf ihn hinein. Als die Seiten in Flammen aufgingen dachte sich Vorgen Quinley: »Vielleicht muss man auch nicht auf Alles eine Antwort haben.«

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Über thd

1984 DSA 1 zum Geburtstag gewünscht und wider Erwarten die Basis-Box bekommen. Nachdem ich Silvana drei mal befreit hatte, merkte ich, dass ich Mitspieler brauchte, um mit der Box weiter etwas anfangen zu können. Glücklicherweise sah ein Freund aus der Nachbarschaft die Bücher bei mir herum liegen und meinte, sie würden in einer Runde etwas ähnliches Spielen, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Klar hatte ich das, und so bin ich mit Dungeons & Dragons angefangen. Zahlreiche Runden, Systeme und eine Vereinsgründung später, findet sich auf THORNET ein ziemlich großer Ausschnitt meiner Rollenspielerlaufbahn.

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