Lord Byrons Tagebücher, Berlin 1946, 4.-5. April

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Donnerstag, 04.04.1946
Am Abend überreicht mir Alfred einen Brief, der tagsüber bei uns abgegeben wurde. Er ist vom Sekretär des Prinzen, Karl von Gutenberg und enthält eine Einladung für 21 Uhr in das Lost Souls, einem Varieté, das Myriam von Overbeck gehört und in dem vorwiegend Offiziere der Besatzungstruppen und Prostituierte verkehren.
Kurz vor Neun treffe ich dort ein. Die Lokalität befindet sich am Kuhdamm und ist das einzige intakte Bauwerk in einer Trümmerwüste aus ausgebombten Häusern. Ich werde dort empfangen von Frau Overbeck, die sich aber alsbald zurück zieht und die Geschäfte dem Sekretär überlässt. An der Seite von Karl von Gutenberg sitzt Constance, das Münde des Prinzen. Es ist erst das zweite Mal, dass ich Gelegenheit habe, mir einen Eindruck von ihr zu machen. Manche sagen, dass dieses rothaarige und immer etwas harsch wirkende Ding die Graue Eminenz der Stadt sein soll. Manche gehen sogar so weit, dass sie (natürlich hinter vorgehaltener Hand) behaupten, der Prinz würde von ihr gelenkt. Sicher ist jedenfalls, dass sie viel älter ist, als das fünfzehnjährige Mädchen, in dessen Körper sie steckt und dass sie, obwohl sie blind ist, vermutlich mehr sieht, als so mancher Sterblicher in der Stadt.
Nach und nach treffen noch weitere Gäste ein: Dana Moskoa, Alina Stephan, Arnold von Siemens, Carl von Vieregg und Angus Mackenzie.
Der Sekretär berichtet von Mordfällen in der Stadt. Der Prinz wünscht Aufklärung. Da die Verbrechen zum Teil in den Domänen einiger einflussreicher Mitglieder der Gesellschaft stattgefunden haben, will man Vertreter möglichst vieler Clans mit den Ermittlungen betrauen, um politische Verwicklungen zu vermeiden. Es gab fünf Tote, die auf bestialische Weise ermordet wurden. Von Gutenberg wird uns morgen ein Dossier mit den Einzelheiten zukommen lassen.
Ich nutze den weiteren Abend noch, mich mit den anderen Damen und Herren ein wenig bekannt zu machen. Dana und Alina scheinen es eilig zu haben und verlassen das Varieté bereits kurz nach dem Sekretär. Mit von Vieregg und von Siemens sitze ich noch eine Weile an der Bar, und auch Angus Mackenzie gesellt sich dazu. Während ich mich mit den Herren unterhalte, versucht sich Mackenzie an einem Whiskey, was dazu führte, dass er die meiste Zeit auf der Toilette zubrachte. Von Vieregg kommt etwas überheblich daher, aber vielleicht ist das auch nur sein Wiener Naturell. Ich will nicht zu schnell urteilen. Und für einen tieferen Einblick hatte ich an dem Abend keine Zeit, denn er lies sich schon bald durch eine der professionellen Damen von der Bar weglocken. Auch von Siemens war zurückhaltend und gab nur sparsame Antworten. Er will sich darum kümmern, dass unsere “Ermittlungseinheit” eine Einsatzzentrale bekommt. Wir tauschen noch Kontaktadressen aus, und dann mache ich mich auf den Heimweg.
Wieder zu Hause hinterlasse ich Alfred eine Notiz, mir vorläufige Papiere bei der britischen Verwaltung auf den Namen George Gordon zu besorgen.

Freitag, 05.04.1946
Carl fährt mich wieder zum Lost Souls. Ein Hausdiener überreicht uns einen Couvert. Darin ist eine kurze Zusammenfassung der Mordfälle.

  • Reinhard Schneider verstarb am 12.02. in Schöneberg im Einflussbereich des Rittmeisters Heinrich von Stürmer, dem Ahn der Ventrue
  • Achim Müller verstarb am 18.2. in Schöneberg, in der Domäne von Géraldine Radeaux
  • Sandra Heinrich verstarb am 4.3. im Bezirk Zoologischer Garten, dem Einflussbereich der Ventrue Adelheid von Stürmer
  • Stefan Schulze verstarb am 18.3. in Wilmersdorf, Arthur von Wittkensteins Domäne
  • Jonathan Smith verstarb am 22.3., ebenfalls in Schöneberg, allerdings in der Domäne des Kapellmeisters Otto Hähnlein

Die Morduntersuchungen werden federführend von den Amerikanern übernommen. Allen Morden hat es gemein, dass die Opfer bestialisch getötet wurden.

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Über thd

1984 DSA 1 zum Geburtstag gewünscht und wider Erwarten die Basis-Box bekommen. Nachdem ich Silvana drei mal befreit hatte, merkte ich, dass ich Mitspieler brauchte, um mit der Box weiter etwas anfangen zu können. Glücklicherweise sah ein Freund aus der Nachbarschaft die Bücher bei mir herum liegen und meinte, sie würden in einer Runde etwas ähnliches Spielen, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Klar hatte ich das, und so bin ich mit Dungeons & Dragons angefangen. Zahlreiche Runden, Systeme und eine Vereinsgründung später, findet sich auf THORNET ein ziemlich großer Ausschnitt meiner Rollenspielerlaufbahn.

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