»Zwei Dinge lernte ich schon früh zu fürchten: Drachen und Orks.
Doch ich lernte auch, dass aus der Furcht große Kraft erwachsen kann,
eine Stärke, die dich auch in der Verzweiflung am Leben erhält.«
Mein Großvater erzählte mir immer wieder die Geschichte, wie er mit unserem Volk vor fünfhundert Jahren das Graue Gebirge verlassen musste. Er erzählte vom grausamen Kaltdrachen Raenar und wie dieser König Daìn, den Ersten seines Namens, und dessen zweitgeborenen Sohn Fror erschlug. Er erzählte, wie er die Befestigungsanlagen, über die er das Kommando hatte, fluchtartig verlassen musste. Er erzählte von der Furcht aber auch von der Schmach.
Wir fanden eine neue Heimat in den Eisenbergen und kämpften gegen die Orks und Bilwisse. Wir verteidigten unsere Heimat vor den dunklen Schrecken. Auch davon berichtete mein Großvater und lehrte mich einiges über den Kampf gegen unseren alten Feind.
Dann, vor fünf Jahren, zog ich mit den Kämpfern unseres Volks zum Erebor und erfuhr am eigenen Leib den Schrecken der Schlacht, die Angst vor dem Tod, aber auch die Befriedigung, nachdem man den Feind überwunden hat und in seinem Blut watet. – Ich lernte auch den Schmerz kennen, den man verspürt, nach dem Verlust eines treuen Freunds.
An diesem Abend sitze ich nun im »Drachenkopf«, einem kleinen Gasthaus mit Anleger am Langen See. Vor fünf Tagen jagte ich einige Orkspäher. Zusammen mit Dwalin, dem Heerführer unseres Königs Daìn, und meinen Gefährten Baran und Thoran trieben wir sie durch das Gebirge. Wir stellten sie drei Tage nordwestlich des Erebor in den Ruinen von Amôn Naugrim. Fast wären wir dabei umgekommen, denn in den Überresten der alten Festung trafen wir auf unzählige weitere Orks. Angeführt wurde die Brut von einem Mischblut – wenn es so etwas gibt. Denn obwohl man das Monster in ihm erkennen konnte, hatte er die Züge und den großen Wuchs eines Menschen. Er ritt auf einem weißen Warg.
Bei unserem Rückzug wurde Baran schwer verletzt. Er wäre sicher gestorben, hätten wir nicht unweit der Ruinen einen Trupp Reiter getroffen, die ebenfalls den Orks auf der Fährte waren. Die Bardinger wurden Angeführt von Elstan, einem der getreuesten Männer des Königs von Thal, und in ihren Reihen befand sich auch ein Kundiger. Der Gelehrte versorgte meinen Gefährten und brachte ihn sicher bis nach Erebor.
Dieser Heiler und noch ein weiterer Mann aus dem Trupp von Elstan, ein Bogenschütze namens Ingvar, sitzen nun mit mir am Tisch im »Drachenkopf«. Sie haben eine Nachricht für die Oberen in Esgaroth, um sie vor den Orks zu warnen. Ihr König schickt sie, und gemeinsam reisten wir die letzten beiden Tage den Celduin hinab. Es scheinen gute Männer zu sein, denn als wir gestern in einen Orkhinterhalt gerieten, kämpften sie tapfer. Zusammen erschlugen wir Vier aus dieser stinkenden Brut und trieben den Rest in die Flucht.
Während ich diese Zeilen schreibe, nach einem guten Essen und ein paar Humpen Bier, sind meine Gedanken schon beim morgigen Tag. Ich werde unseren Botschafter Gloìn in Esgaroth aufsuchen. Natürlich werde ich ihm auch von den Orks berichten, aber Kanzler Dori hat mir noch einen weiteren Auftrag mit auf den Weg gegeben. Ein Rabenfreund, brachte eine besorgniserregende Nachricht zum Erebor. Vor einiger Zeit schickte König Daìn Eisenfuß zwei Zwerge, darunter seinen Freund und alten Gefährten Balin, mit einer wichtigen Botschaft in den Süden. Von Beiden fehlt nun jede Spur. Kanzler Dori wies mich an, in Esgaroth davon zu berichten und dort den Wünschen des Botschafters zu entsprechen, mich vielleicht sogar auf die Suche nach den Verschollenen zu machen. Das könnte ein gefährliches Unterfangen werden, denn zwei Reisende berichteten mir beim Essen, dass sie vor zehn Tagen im Süden von gut vier Dutzend Orks überfallen worden sind. Ihr Gruppe wurde dabei getrennt. Die beiden, ein Hobbit und ein Beorninger, hatten es mit Mühe bis zum »Drachenkopf« geschafft.
Es ist ein seltsames Gefühl, mit dem ich mich nun schlafen lege. Da ist diese Unruhe, wie vor einer Schlacht, aber auch die Vorfreude auf das Ungewisse. – Morgen ist der sechste Tag im zehnten Monat des Jahrs 2946 im Dritten Zeitalter, und ich bin mir Gewiss, dass mich große Abenteuer erwarten werden.
Sehr schön, gefällt mir sehr gut dieser kleine Prolog! 🙂