30. Oktober 2512, Übersreik, Reikland
Liebe Hildrun,
danke für deinen letzten Brief, ich freue mich, dass es euch allen gut geht und endlich komme ich wieder dazu, dir zu schreiben.
Wo war ich zuletzt? Ja, der Zinnsporn. Als wir zurückgekommen sind, sitzen wir auf unserem Zimmer und besprechen uns, wie wir mit der Situation weiter umgehen sollen. Ist Reikhart Gestenstark wirklich der Böse? Oder wäre es vielleicht sogar richtig, wenn in Übersreik mal jemand aufräumen würde?
In einem stillen Moment glauben wir Geräusche aus dem Keller zu hören. Sind das Schmerzensschreie? Dann hören Kruger und ich ein leises Stöhnen in diesem Raum? Auch Ruben meint eine Präsenz wahrnehmen zu können. Nach ein paar Minuten, das Stöhnen wird lauter und lauter, sehen wir auf einem der Betten ein Flimmern in der Luft. Plötzlich fällt die Tür zu und der Riegel schiebt sich vor. Was ist das wieder für ein Hexenwerk? Eine Kälte zieht auf und das kommt uns ein wenig bekannt vor. Und tatsächlich manifestiert sich an der Stelle mit dem Flimmern nach und nach eine geisterhafte Gestalt. Allerdings fühlen wir uns nicht wirklich unwohl, soweit man das in Anwesenheit eines Geistes sagen kann. Gefahr scheint nicht von ihm auszugehen.
Langsam erkennt man etwas mehr, es schien zu Lebzeiten ein Soldat oder ähnliches gewesen zu sein, denn man erkennt eine Uniform. Auch hört man jetzt eine Stimme erst etwas scheppernd dann klarer, die sagt „wo bin ich hier?“ Alanus möchte die Tür öffnen und als sie berührt ist sie sehr kalt. Er schiebt den Riegel zurück, doch der schnappt sofort wieder zu.
Wir erkennen mehr und mehr von der Gestalt, und das Gesicht kommt uns sehr bekannt vor. Es ist der Geist von Tilo Bärmarder. Tatsächlich scheint keine Gefahr von ihm auszugehen. Und wir können uns auch mit ihm unterhalten, er behauptet von jemandem „zurückgeschickt“ worden zu sein, er meint von irgendwelchen Göttern, um „etwas gut zu machen“. Was genau er gut machen soll und von wem er zurückgeschickt wurde das weiß er nicht. Kruger berührt ihn an der Schulter, zuckt aber sofort wieder zurück, als wenn er einen Schlag bekommen hätte.
Der Geist weiß nicht wirklich viel, nicht einmal mehr wie er einstmals hieß. Auch benimmt er sich merkwürdig, als wenn er nicht wüsste, was für Fähigkeiten er hat. Er versucht Gegenstände zu berühren, greift aber durch sie hindurch. Er stellt aber auch fest, dass er durch Wände gehen kann. Wir packen die Gelegenheit beim Schopfe und sagen ihm, dass er in den Keller gehen soll, um nachzusehen was dort passiert. Er verschwindet durch die Wand und in diesem Moment klopft es an der Tür. Der Riegel schnappt von allein auf. Felix kommt herein, er wundert sich, dass wir hier einfach herumsitzen. Nach einem kurzen Plausch verschwindet er wieder, die Tür bleibt offen.
Tilo ist ungefähr eine Stunde weg. Als er wiederkommt scheint er sich an seine neue Gestalt gewöhnt zu haben und sich seiner Fähigkeiten bewusster zu werden. Er berichtet uns, was er gesehen hat und was wir hören macht uns nicht glücklicher. Im Gegenteil. Er erzählt uns von den Wölfen, die wir schon gehört haben, die weiter unten in Käfigen sitzen und den Eindruck machten, als wenn sie seine Präsenz spüren würden. Er berichtet weiter von betenden Männern, die sich mit Messern selbst Wunden zufügen. Soweit nichts Neues. Aber er berichtet auch von Gefangenen, die gefoltert werden und von einem besonderen Gefangenen, einer sehr stark behaarten Gestalt, die mit silbernen Fesseln an Händen und Füßen fixiert ist. Es gibt noch einen großen Wolf, den er mehr als mannsgroß beschreibt. Dann wird es richtig interessant. Noch weiter unten in den Katakomben graben mehrere Männer einen Tunnel Richtung Übersreik. Und die Krönung des Ganzen, auf der anderen Seite des Tunnels warten Rattenmenschen, Skaven, und scheinen zu warten. Es ist einfach wunderbar.
Wir fragen genauer nach den Gefangenen und eine der Gestalten könnte der Beschreibung nach Yannick sein. Tilo meint, dass er uns zu den Gefangenen führen könnte. Da wir im Gegensatz zu ihm aber nicht unbehelligt an Mensch und Tier vorbei kommen verwerfen wir diesen Gedanken schnell. Zudem wird uns die Entscheidung abgenommen als Tilo plötzlich sagt „er ruft mich“ und einfach verschwindet.
Etwas verwirrt, wie wir mit diesen Informationen umgehen sollen, sitzen wir im Raum. Bevor wir aber zu lange nachdenken können, hören wir einen Vogel. Auf dem Fenstersims sitzt ein kleiner Raubvogel, ein Habicht oder ähnliches, lässt einen Zettel fallen und verschwindet wieder. Der Zettel trägt das Wappen von Christoph Engel. Ruben entfaltet ihn und liest ihnen vor: Christoph Engel bittet uns schnellstmöglich zur Schwester Haberkorn in die Burgkapelle zu kommen. Es ist sowohl eilig als auch dringend. Wenn Christoph Engel sich so ausdrückt, da muss es wirklich dramatisch sein.
Ein Blick aus dem Fenster zeig die Dämmerung und Morrslieb, der tief am Himmel steht und strahlend grün leuchtet. Aus dem Teufel steigt grüner Nebel empor und auch durch die Stadt ziehen sie schon grüne Nebelschwaden. Es ist ein wahrhaft gespenstischer Anblick. Ruben möchte umgehend aufbrechen, was Alanus und ich mit einem entsetzten Blick kommentieren. Eigentlich bin ich ganz froh hier im sicheren Zinnsporn zu sitzen und nicht draußen rumlaufen zu müssen. Aber das Schicksal meint es, wieder, nicht gut mit uns und so packen wir seufzend unsere Sachen, rüsten uns und machen uns auf den Weg nach Übersreik.
Draußen fällt uns auf, dass die TVÜ nicht anwesend sind. Eigentlich stehen die hier immer. Auch auf dem Weg zur Stadt sehen wir keine Menschenseele. Am Stadttor angekommen haben wir den Eindruck, dass die Leichen in den Käfigen uns mit grünlich schimmernden Augen anblicken. Gruselig ist weit untertrieben. Ich klopfe ans Tor das, unverschlossen ist und aufgeht. Wir betreten die Stadt und sehen sowohl auf dem Tor als auch im Torhaus nicht eine Wache. Ich verschließe das Tor und wir machen uns zügig auf den Weg durch die Stadt Richtung Burg.
Es wird immer nebliger. Wir halten uns dabei möglichst im Schatten der Häuser allerdings sehen wir zunächst sowieso niemanden. Alle Häuser sind verrammelt. Auf dem weiteren Weg sehen wir nicht nur grünen Nebel, sondern in selbigem auch merkwürdige Gestalten größere aber auch kleinere. Skaven? Auch sehen wir immer mal wieder grüne Tentakel wie wir sie schon einmal aus dem Portal haben kommen sehen.
Aber wir erreichen unbemerkt die Brücke. Als wir über die Brücke laufen bemerken wir nicht nur dass die Käfige klappern, obwohl es windstill ist, sondern ich höre auch ein Geräusch. Es ist jemand hinter uns. Wir verstecken und so gut es geht in einer Nische der Brücke als ein Trupp an uns vorbeikommt. Es ist Ernst Ricker der Hauptmann des Ordens der läuternden Flamme mit einem guten Dutzend weiterer Kämpfer, die an uns Richtung Norden vorbei stürmen, uns aber nicht weiter beachten.
Auf der Mitte der Brücke haben wir einen guten Blick über die Stadt und bemerken mehrere grüne Lichter an verschiedenen Stellen, von denen wir ausgehen, dass es Portale sind. Wir entscheiden, die Burg über das Tor im Distrikt zu betreten. Überall ist es totenstill und im Höchstmaß gespenstisch.
Auch der Eingang zum Distrikt ist unbewacht so dass wir unbehelligt das Tor erreichen. Auch dieses ist nicht abgesperrt und wir betreten den Burghof. Hier ist der Nebel nicht so dicht. Auf dem Weg zur Kapelle tut sich nördlich von uns ein weiteres Portal auf, so dass wir uns sehr beeilen müssen.
Die Burg wirkt von hier uneinnehmbar, leider sind wir draußen. Als wir die Kapelle erreichen, sehen wir, dass auch aus diesem Portal Tentakel und Skaven kommen. An der Tür angekommen hören wir, wie sie von innen entriegelt wird und sich öffnet. Schwester Haberkorn steht vor uns. Sie macht zwar nicht direkt den Eindruck, als würde sie sich freuen uns zu sehen, scheint aber trotzdem erleichtert zu sein. Sie hat eine Fackel, ansonsten ist es in der Kapelle dunkel. „Wir müssen weg, schnell“ ist das einzige, was sie sagt bevor sie uns hereinwinkt und die Tür hinter uns verrammelt.
Wie durchschreiten die Kapelle und die Schwester öffnet am hinteren Ende eine Geheimtür in den Keller, die wir benutzen. Hinter uns schließt sich die Tür wieder. Unten sind wir in einer Krypta, die zwar interessant aussieht, wofür wir aber keine Augen haben. Schwester Haberkorn führt uns in einen kleinen Raum mit Bett und Tisch sowie Nahrung und Waffen. Es sieht aus wie ein kleiner Rückzugsort. Hier berichtet sie uns, was das Problem ist.
Der jüngste Spross der Jungfreuds ist, wie wir allerdings schon wussten, in ihrer Obhut. Sie hat ihn hier all die Monate versteckt, doch jetzt hat sie Angst, dass er entdeckt wird. Außer Christoph Engel vertraut sie niemandem, denn sie fürchtet, dass alle anderen Fraktionen ihn nur benutzen würden. Also bittet sie uns, genaugenommen fordert sie, dass wir ihn in Sicherheit bringen. Leider hat sie selbst keinen Plan wohin. Wir wägen kurz die Möglichkeiten ab und da uns außerhalb von Übersreik kein einziger sicherer Ort einfällt, zumindest nicht in der Nähe, ist für uns die naheliegendste Möglichkeit, ihn in den Turm von Christoph Engel zu bringen. Vertrauen können wir sonst niemandem oder es ist zu befürchten, dass das Versteck nicht gegen Magie geschützt ist. Denn die Tentakel, die aus den Portalen kommen, sind definitiv magisch. Wir hoffen, dass der Turm zumindest einen gewissen Schutz bietet. Nur hinkommen muss man.
Schwester Haberkorn ist der Meinung, dass der sicherste Weg durch die Kanalisation führt. Nachteil, wir kennen uns nicht aus. Vorteil, dort wird es deutlich weniger von Häschern wimmeln. Schwester Haberkorn holt den Prinzen, der Wendelin heißt. Es ist ein schmächtiger Bursche von etwa 12 Jahren der uns angsterfüllt anblickt. Er entschuldigt sich für die Umstände, für die er selbst am wenigsten kann. Wir packen das Nötigste zusammen und folgen einem weiteren Gang in die Kanalisation. Schwester Haberkorn kennt sich auf dem ersten Stücke aus, dann müssen wir selbst den Weg finden.
Das gelingt uns tatsächlich einigermaßen gut, vor allem wenn man die Umstände bedenkt. Hier unten riecht es erbärmlich und es gibt verdammt viele Ratten, aber zumindest gibt es hier keinen grünen Nebel. Ab und zu hören wir zwar Geräusche von irgendwelchen Gestalten, aber zu Gesicht bekommen wir keine. Wir haben ein gutes Stück geschafft, als wir plötzlich auf einer Seite doch ein grünes Tentakel sehen und kurz danach ein weiteres hinter uns. Wir versuchen über Seitenwege auszuweichen als wir auf einem schmalen Weg an eine Plattform kommen.
Plötzlich kommen aus dem Schlamm neben uns ein halbes Dutzend Rattengesichter. Als wäre das nicht genug, hören wir hinter uns schwere Schritte. Wir ziehen unsere Waffen, als wir hinter uns einen Rattenoger sehen.
Wie du dir vorstellen kannst, folgte nun ein Kampf. Wie der ausging, werde ich dir alsbald berichten.
Bis dahin herzliche Grüße an unsere Eltern und Sigmars Segen
Dein Konrad



