Flint Feuerschmied starrte auf die glatte Fläche des kleinen Teichs und strich sich abwesend durch den vollen weißen Bart.
“Gleich ist es soweit”, sagte der alte Mann, der neben ihm saß. Er hatte seinen verschlissenen spitzen Hut abgenommen. Darunter kamen einige wild abstehenden Haare zum Vorschein.
“Hrm. Das Spitzohr sitzt immer noch auf seinem Stein und starrt in den Nachthimmel”, brummelte Flint.
Für den Zwergen fühlte es sich an, als würde er hier schon Stunden sitzen und die Wasseroberfläche beobachten. Der Teich, zu dem ihn sein alter Freund geführt hatte, war ein Spiegel, durch den man auf die Welt schauen konnte. Es erfüllte Flint jedes Mal mit einem seltsamen Gefühl von Wehmut, aber auch einer großen Erleichterung, wenn er hier war. Manchmal kam es ihm vor, als wäre es schon eine Ewigkeit her, manchmal fühlte es sich an wie gestern, dass er selber dort unten gewesen war.
“Da! Jetzt geschieht es”, rief der Alte.
Flint kniff seine Augen zusammen. Tatsächlich! Ein kurzes, helles Aufblitzen war an einer kleinen Stelle des vollen roten Mondes auszumachen. Auch der Elf, der das Firmament beobachtet hatte, bemerkte es. Und dann fiel etwas in gerader Linie hinab und zog einen leuchtenden Schweif hinter sich her, bevor es mit einem roten Aufleuchten in der Ferne hinter dem Horizont verschwand.
“Ich habe gewusst, dass er es schafft!”
Der Alte war aufgesprungen und tanzte beinah vor Freude. Dabei trat er auf den Saum seiner grauen Robe und stolperte. Fast wäre er in den Teich gefallen, hätte Flint nicht beherzt nach ihm gegriffen und ihn mit einem Ruck nach hinten gezogen. Der Alte plumpste neben ihm ins Gras. Flint schüttelte leicht den Kopf.
“Ich hätte nicht gedacht, dass der kleine Halunke damit Erfolg haben wird”, grummelte der Zwerg.
“Oh, unterschätze ihn nicht. Aber ja, der schwierigste Teil steht ihm noch bevor.”
Die Miene des Alten war ernst, als er fortfuhr: “Er wird Hilfe brauchen. Freunde, die ihn unterstützen.”
“So wie damals.”
Die blauen Augen des Zwergen glänzten feucht. Er würde es niemals zugeben, aber dieser nervtötende, vorlaute und unangemessen fröhliche Kender war ihm auf ihrer gemeinsamen Reise sehr ans Herz gewachsen.
“Fizban?”
“Ja, Flint?”
“Versprich mir, dass Du auf ihn aufpassen wirst.”
“Das werde ich.”
Der alte Mann schaute zu dem Teich. Der Elf, der den Nachthimmel beobachtet hatte, war aufgestanden. Er eilte nach Hause. Dort fing er an, Sachen zu packen.
“Schau Flint. Er macht sich auf den Weg.”
“Und was ist mit den anderen?”
Fizban machte eine Handbewegung, und die Wasseroberfläche kräuselte sich. Dann sahen sie eine Anhöhe im Schatten der Kharolisberge. Auf einem hohen Gestell war ein Körper aufgebahrt. Der Leib war von Leinen umwickelt und mit bunten Steinen und Federn geschmückt. Einige Töpfchen und Tiegel waren am Rand der Bahre drapiert. Ein Speer lag neben dem Toten und auf seiner Brust befand sich ein kleiner, aus blauem Stein geformter Vogel. Neben dem Grabmal saß mit gekreuzten Beinen ein junger Que-Shu. Er war ganz in Leder gekleidet und trug ebenfalls ein Schmuckstück um seinen Hals, das den blauen Vogel zeigte. Er hatte ein leises Klagelied angestimmt und wog seinen Oberkörper im Rhythmus langsam hin und her.
“Fuchsohr wird morgen Früh nach Solace gehen. Er wird dem Elfen helfen, wenn er sich nach Xak Tsaroth aufmacht.”
Flint und Fizban sahen noch eine Weile stumm dem Que-Shu bei seinem Klagelied zu. Irgendwann schnaufte der Zwerg traurig.
“Und was ist mit den anderen Beiden?”
“Sie werden es nicht rechtzeitig schaffen. Das Dorf wird schon geplündert sein.”
Flints Miene verfinsterte sich, als er das hörte.
“Wird es Überlebende geben”, fragte er.
Fizban schüttelte betrübt den Kopf. “Aber wenn sie mutig sind, werden sie den Piraten bis zur Küste folgen und einen Blick auf ihn erhaschen. Vielleicht wird es den Beiden helfen, ihn in Neuhafen zu erkennen.”
Flint schauderte. Er wusste, wen Fizban mit “ihn” meinte. Der Zwerg stand auf. Es machte ihn wütend, dass er nichts tun konnte.
“Manchmal hasse ich es, tot zu sein!”
“Ich weiß.”
“Warum können wir nicht mehr machen? Warum all die Toten? Warum greifst Du nicht ein und beendest das alles?”
“Du weißt warum”, antwortete Fizban sanft.
Flint schaute finster, dann nickte er.
“Weil sie es sonst auch könnte.”
Beide schwiegen, dann sagte Fizban: “Hab Vertrauen. Sie werden in Solace zusammenfinden und eine starke Gemeinschaft sein. Zusammen werden sie hinter das Geheimnis des Schleiers kommen und rechtzeitig handeln, um das Schlimmste zu verhindern.”
Flint blickte skeptisch zu dem alten Mann hinab. Dann reichte er ihm eine Hand, um ihm aufzuhelfen.
“Blick nicht so zweifelnd drein. Wenn alle Stricke reißen, dann haben sie immer noch den kleinen Halunken.”
Flints Miene war ausdruckslos, dann schmunzelte er.
“Unterschätze niemals einen Kender.”