Samstag, der 21. Tag des VI. Monats im Jahre 888 nG – Die Nacht war schon weit fortgeschritten als wir wieder unsere traute Pension erreichten. In Wilburs Zimmer wartete ein Brief auf ihn, der vermutlich von unserer Gastgeberin dort abgelegt worden war. In geschwungenen Lettern stand dort des Halblings Name an die Adresse des Domkapitels. Das Papier roch nach Pfeifentabak. Unverkennbar das Kraut, das Mercurio Blanche aus Pfeilersruh allzu gerne paffte. Die Wirtin wunderte sich darüber, dass Wilbur noch nicht wieder zurück gekehrt war und ließ durchblicken das Vikar Brajans Fähigkeiten als Seelsorger eher zu wünschen übrig ließen und nicht näher definierte Anwandlungen an den Tag legte. Mercurio würde sich gerne darüber mit dem Halbling austauschen.
Beinah hätten wir verschlafen, doch wir schafften es gerade noch rechtzeitig zum Termin mit Jonas Kreucher und Inquisitor Randolfus ins Rathaus. In einem der bereits bekannten Besprechungsräume berichteten wir über die Geschehnisse der letzten Tage und Wochen. Das ein oder andere Detail ließen wir weg und Jonas Kreucher sorgte auch dafür, dass keine Namen der Clique rund um Kandess, Philippus und Karl genannt wurden. Nachdem wir geendet hatten, eröffnete uns der Inquisitor, dass er schon seit etwa 18 Monaten in Kreutzing Nachforschungen anstellte zum Wirken der Bruderschaft. Es hätte Hinweise gegeben, dass eine Zelle hier in dieser Stadt ihr Unwesen trieb. Doch in der ganzen Zeit war nichts handfestes dabei heraus gekommen. Auf den Friedhöfen hätte es ein paar Vorfälle von geöffneten Gräben und entwendeten Leichnamen gegeben, doch die Spuren waren alle irgendwann im Nichts versiegt. Aufgrund dieser Tatsache vermutete der Inquisitor, dass es in der Stadt einen ranghohen Protegé der Bruderschaft gab, der seinen Einfluss geschickt nutzen konnte, um die Mitglieder der Sekte zu schützen. Nun hatte die gestrige Hochzeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass mit der Bruderschaft nicht zu Spaßen sei. Eindringlich fragte Randolfus nochmal bei uns nach, ob wir nicht konkretere Verdächtige hätten, um die Nachforschungen weiter voran zu bringen. Er wäre definitiv in der Lage sehr intensive Befragungen vorzunehmen. Jonas Kreucher aber vereitelte einen weiteren Austausch, sichtlich darauf bedacht keine Unruhe in die Obrigkeit Kreutzings zu bringen, vor allem ohne hieb- und stichfeste Beweise. Auch der Inquisitor beendete dann die Unterredung. Sollte uns noch etwas einfallen, könnten wir uns jederzeit in seiner Residenz am Kornweg melden.
Vor unserem zweiten nachmittäglichen Termin im Rathaus erledigten wir ein paar Recherchen in der Stadt. Krätze ging zu Caribdus Magierturm, doch der Magus war nicht anwesend und sollte auch in der nächsten Woche nicht wieder auftauchen. Wilbur ging abermals ins Archiv des Domarchivs und versuchte dort etwas über die Kreatur die sich aus Kandess Körper geschält hatte herauszufinden, leider erfolglos. Melina und Joran gingen gemeinsam alte Unterweltkontakte von Melina abklappern. Der Bettler zeigte sich nach Auffrischung seiner Börse durchaus redwillig. Die Gerüchte sagten, dass Knechts Getreue in Kummer aufräumten und sich dort als neue Macht etablierten. Er hatte darüber gemischte Gefühle, dass Anhänger der Orkrebellion Fuss in Kreutzing fassten. Er hatte natürlich auch Klatsch und Tratsch über die Hochzeit in petto, aber da war das Wechselbalg besser informiert und riet dem Bettler besser Vorsicht statt Nachsicht walten zu lassen.
Um zwei Uhr kehrten wir zum Rathaus zurück und wurden in den Ratssaal geleitet. Wie Krätze prophezeit hatte, wurde keine Anhörung vor sämtlichen Ratsmitgliedern durchgeführt, denn das wäre bestimmt nicht im Sinne Jonas Kreucher gewesen. Stattdessen wurden wir mit Applaus empfangen und die Bürgermeisterin von Kreutzing verlieh allen die Ehrenmedaille der Stadt. Wir schüttelten allen Ratsangehörigen die Hand und tauschten unverbindliche Floskeln miteinander aus. Nun waren wir mit den vielleicht wichtigsten 10 Menschen in Kreutzing bekannt:
- Katrin Ecking (Bürgermeisterin)
- Kommandantin Rena (Miliz)
- Jonas Kreucher (Braunröcke / Stadtgardisten)
- Meister Dreen (reichster Händler)
- Pater Paulus (Domkaplan)
- Helder Fobb (Halblinge)
- Ezekia (aus Kummer)
- Ambrosius Schnell (der Lude)
- Gundren der Eisenkrämer (Zwerg)
- Inquisitor Randolfus
Nach etwa einer Stunde endete der offizielle Empfang und wir gingen samt unserer Medaillen in unsere Münzer Pension. Wilbur verfasste einen Antwortbrief an Mercurio Blanche und widmete sich dann dem Nekromantie Buch von Aldemar Kemp. Aber auch in dieser Abhandlung fand er keine weiteren Erkenntnisse über Dämonen und wie man ihnen begegnen könnte. Nachdem sich der Halbling schlafen gelegt hatte, wurde er mitten In der Nacht wach. Überrascht bemerkte er, dass sein Fokus hell leuchtete. Nach kurzer Inspektion konnte er aber keine Gefahr im Verzug feststellen und legte sich unverrichteter Dinge wieder schlafen.
Sonntag, der 22. Tag des VI. Monats im Jahre 888 nG – Wir hatten uns vorgenommen an diesem Tag nochmal mit dem Inquisitor zu sprechen. Für uns mehr oder weniger nur ein Zeichen des Guten Willen, da es ja nicht besonders viel Grips benötigen sollte, um auf die Idee zu kommen, sich im näheren Umfeld von Kandess, Philippus und Karl umzuschauen. Vorher ging Joran in den Gottesdienst im Dom. Paulus hielt eine eindringliche Messe über den Schleier und den Schrecken der dahinter lauerte ohne dabei konkret auf die jüngsten Ereignisse einzugehen. Joran hörte auch allerlei Gerüchte über die Hochzeit und über die drei oder vier Recken die Schlimmeres verhindert hatten. Man war sich uneins darüber, ob wirklich ein Goblin dabei gewesen war und hielt das eher für eine maßlose Übertreibung.
Vorm Stadthaus des Inquisitors stand eine Wache, aber nachdem Wilbur uns vorgestellt hatte wurden wir unverzüglich vorgelassen. Das Gespräch war relativ knapp, aber wir berichteten darüber was Jonas Kreucher vereitelt hatte. Nun hatte Randolfus die Namen von Anselm, Beatrice und den anderen und das manche von ihnen eine Tätowierung tragen sollten.
In der Nacht zum Montag schlief Wilbur abermals unruhig und tatsächlich wurde er wieder durch das Leuchten seiner Phiole geweckt. Fetzen eines Traums vernebelten noch die Gedanken des Halblings, als er das Klopfen eines Vogels am Fenster bemerkte. Nachdem Wilbur das Fenster geöffnet hatte, flog der Vogel nicht ins Zimmer sondern runter in den Innenhof zum Brunnen und verschwand dort in den Schatten. Kurze Zeit später tauchte an eben jener Stelle ein Mann auf, der sich in einem Kapuzenumhang gehüllt hatte. Ohne Sorge ging Wilbur runter in den Hof. Schnell wurde klar, dass dieser Mann wohl nicht nur der Vogel sondern auch der Fuchs war, den Wilbur immer wieder in seinem Leben bemerkt hatte. Ohne sich vorzustellen bedauerte der Mann, dass sie sich unter diesen Umständen treffen würden, es wäre noch nicht an der Zeit. Er trug dem Halbling auf, genau am Morgen des 28. nach Pfeilersruh aufzubrechen. Das Datum war von entscheidender Wichtigkeit. Beim nächsten Treffen, versprach der Mann, würden er und Wilbur über alles sprechen, was dem Halbling jetzt so sehr auf der Seele brannte.
Sonntag, der 28. Tag des VI. Monats im Jahre 888 nG – Wie aufgetragen brachen wir alle gemeinsam am Morgen des Mittsommertags auf. Wilbur hatte uns von seiner nächtlichen Begegnung berichtet und natürlich folgten wir seiner Bitte ihn zu begleiten. In der vorangegangen Woche war nichts Wesentliches geschehen. Philippus war unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Grabe getragen worden. Kandess vermutlich auch, aber aufgrund der Geschehnisse auf der Hochzeit hatte Meister Dreen einen Deckmantel des Schweigens darüber ausgebreitet. Caribdus war nicht wieder aufgetaucht, aber Krätze hatte einen Termin mit ihm in zwei Tagen. Der Goblin machte sich auch keinerlei Sorgen, da er sich sicher war, dass der Magier sich seiner Haut gut selber erwehren konnte. Als Vorbereitung hatte Wilbur noch einen Kontakt zu einem Alchemisten in Kummer aufgetan und sich mit allerlei Tränken eingedeckt.
Der schon etwas gesetztere Halbling sah beim Aufbruch schon etwas mitgenommen und übernächtigt aus. In der gesamten Woche, war er immer wieder wach geworden und hatte Träume von tanzenden Schwestern, Dryaden und Sartyren. Die Stimmung in der Stadt war ausgelassen, ob des anstehenden Feiertags. Die Straßen waren wie leer gefegt und wir kamen gut voran. In der Dämmerung erreichten wir die Ausläufer der Aweltener Apfelplantagen, als wir einer Kinderstimme rufen hörten: “Hallo? Ist da jemand? Bitte helft mir.”