(Un)heimlicher Aufenthalt in Sanction

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22.07.358 a. c. – Schwarzer Rauch quillt aus den mächtigen Vulkanschloten, deren Name wie ein böses Omen klingt: „Fürsten des Unheils“. Dichte Qualmwolken verdunkeln den Sommerhimmel, doch kräftige Seewinde treiben sie landeinwärts. Während meine Gefährten zwischen einigen geborstenen Felsbrocken Schutz suchen, verwandele ich mich in eine Möwe. In dieser unscheinbaren Gestalt breche ich zu einem Erkundungsflug über der feindlichen Stadt auf, die im Schatten des Gebirges liegt. Sanction … die Stadt, die eine Schlüsselrolle im Krieg der Lanze und den Plänen Ihrer Dunklen Majestät spielte. Die Fratze eines Drachen ist in eine der Bergflanken gemeißelt worden. Möglicherweise dient sie der Verehrung der bösen Götterkönigin. Glühende Lavaflüsse wälzen sich von den Vukanen herab. Sie fließen durch die Stadt und um sie herum, bevor sie sich ins Neumeer ergießen. Brodelnder Wasserdampf steigt von der See auf und legt sich über das Hafenviertel. Dort liegen Segelschiffe mit fremden Bannern und Galeeren der Minotaurier vor Anker. Soweit ich es sehen kann, bestehen alle Gebäude in Sanction aus Stein und tragen flache Dächer. Durch breitere Hauptstraßen drängt sich allerlei Volk und zwielichtige Gestalten treiben sich in finsteren Gassen herum. Sanction vorgelagert befindet sich ein weite Zeltstadt, die aus einem Armeelager entstanden ist. Ich sehe das Zeichen von Sargonnas, dem Roten Kondor, Söldner und anderes Kriegsvolk. Eine Straße führt von den Bergen her durch das Armeelager hindurch zum Stadttor. Diesen Weg werden meine Gefährte wohl nehmen müssen. Rasch trete ich den Rückflug an. Sanction umgibt eine Aura des Bösen. Sie erfüllt mich mit einem Unbehagen, wie es bisher keine Steinstadt vermochte. Einmal mehr vermisse ich Abgeschiedenheit meiner heimischen Wildnis und die Zelte der Que-Shu.
Ich fliege über einige Felder und Höfe hinweg. In der fruchtbaren Vulkanasche wird Nahrung für die Stadt angebaut. Bald habe ich meine Gefährten erreicht und erstatte Bericht. Murgrosch und Gotrek beschließen, sich als wandernde Söldner auszugeben, um in die Stadt zu kommen. Therion wird ihnen wenig später als reisender Magier der Roten Roben folgen. Ich kann einfach wieder Vogelgestalt annehmen. Doch was machen wir mit Eldoril?
Sollte er als Elf enttarnt werden, würde man ihn trotz seiner korrumpierten Verfassung grausam zu Tode foltern. Therion beschließt, den verhüllten Eldoril als seinen Handlanger auszugeben und mit ihm den Wachtposten zu passieren. Als Treffpunkt vereinbaren wir die erste Gasse rechts hinter einer großen Brücke, die ich auf meinem Erkundungsflug gesehen habe. Ohne Probleme erreiche ich diesen Ort. Möge Habbakuk geben, dass es meinen Gefährten auch gelingen wird.
Gotrek und Murgrosch trennen sich zähneknirschend von ihren Schilden. Das Wappen Solamnias, das auf ihnen prangt, würde sie sofort ans Messer liefern. Entschlossen durchqueren die Zwerge das Heerlager. Doch das Stadttor wird streng bewacht. Neben einer Bande aus Goblins,
die misstrauisch jeden Reisenden mustern, lauert ein Baaz-Draconier auf mögliche Opfer. Außerdem ist da noch ein Mensch, der die Szenerie aus dem Hintergrund heraus beobachtet.
Als sich Gotrek und Murgrosch dem Tor nähern, versperrt der Draconier ihnen den Weg.
Sein Atem stinkt nach Alkohol, als er fragt, was die Zwerge wollen. Die Krieger tragen ihr Söldnermärchen vor. „Arme Schlucker können wir in Sanction nicht brachen“, höhnt der Draconier. „Habt ihr Geld?“ Die Zwerge zeigen ihre Geldbeutel. Sofort werden sie ihnen von den Goblins abgenommen und ihrem bronzegeschuppten Anführer übergeben. Der Draconier streicht die Beutel ein und winkt die Zwerge durch …
Kurz darauf taucht Therion mit Eldoril im Schlepptau vor dem Tor auf. Der Draconier will wissen, ob sie beide Magier sind und was ihr Begehr ist. Therion erklärt, dass er für sich und seinen Diener eine Überfahrt nach Schallsea oder Tarsis sucht. Der gierige Baaz will auch von Therion Geld sehen. Zwar zeigt der Magier dem Wachtposten seinen schweren Geldbeutel, will ihn aber nicht aushändigen. Wutschnaubend entwindet der Draconier ihm dem Beutel. Er zieht eine Klauenhand voller Stahlmünzen heraus und wirft den Beutel Therion vor die Füße.
„Ihr könnt passieren“, faucht der Torwächter.
Rasch betreten Therion und Eldoril die Stadt. Im Straßengedränge erregt der Magier die Aufmerksamkeit einer Hübschlerin. „Was habt Ihr da nur für einen prachtvollen Stab? Wollt ihr mir den nicht mal näher zeigen?“ Nein, möchte Therion nicht. Ein rasch gesprochener Zauber ermöglicht es ihm und Eldori, sich von der diensteifrigen Dame zu entfernen.
Somit finden wir uns zu meiner Erleichterung alle in der Gasse wieder und gehen weiter zum Hafen. Auf den Straßen drängen sich Menschen und hier und da stapft ein Minotaurier durch die Massen. Solmanische Ritter oder Elfen gehören nicht zum Stadtbild. Verstohlen sehe ich mich nach Tempeln der Bösen Götter um. An keinem der Gebäude kann ich ihre Symbole entdecken.
Dafür sehe ich einige Kleriker Ihrer Dunklen Majestät, einen Minotaurus, der ein Priester von Sargonnas zu sein scheint und einen Goblin, der das Zeichen von Hidukkel trägt.
Ich bin froh, dass ich mein eigenes heiliges Symbol unter meiner Kleidung verborgen ist.

Unbehelligt erreichen wir das Hafenviertel. Durch die Lavaflüsse, die ins Meer müden, herrscht überall Wasserdampf. Therion lässt sich von einem Arbeiter den Weg zur Hafenmeisterei erklären. Er betritt das Gebäude und findet einen unrasierten Mann mit einem Zwicker auf der Nase vor, der sich über ein paar Listen und Bücher beugt. „Nach Schallsea? Die Dünenläufer legt in drei Tagen ab. Segelt nach Neuhafen. Vielleicht kann der Käpt´n euch ja in Schallsea raus werfen“, brummt der Kerl. Umgehend suchen wir zusammen die Dünenläufer auf. Die Deckwache will aber nur Therion zu seiner Kapitänin bringen. Also warten wir anderen, während der Magier die Kajüte betritt. Die Kapitänin ist eine schwarzhaarige Frau in den Vierzigern mit dunkler, vom Wetter gegerbter Haut. Sie ist knochig und drahtig gebaut und trägt einiges an Goldschmuck.
Therion, der selbst aus einer Seefahrerfamilie stammt, bietet seine Dienste als Gegenleistung für eine Passage nach Schallsea an. Doch daran hat die Kapitänin kein Interesse. Sie fordert für die Überfahrt 75 Stahlmünzen. Außerdem weitere 15 Stahl, um Eldorils Namen von der Passagierliste zu streichen (Sie ist wirklich sehr geschäftstüchtig.). Die Namen des Magiers, der Zwerge und meiner werden hingegen in die Liste eingetragen, die später dem Hafenmeister vorgelegt werden wird. Das Geld sollen wir dann bitteschön vor der Abreise in drei Tagen zahlen.

Als wir wieder zusammen sind, beratschlagen meine Gefährten und ich, wie wir das Geld auftreiben sollen. Ein kleines Vermögen! Insbesondere, da wir fast mittellos sind.
Das Wertvollste, was wir besitzen, ist der Zauberstab von Hieronymus Delafaire. Murgrosch und Gotrek schlagen vor, ihn in einem Drei-Mond-Laden zu verkaufen. Das lehnt Therion mit einer Selbstverständlichkeit ab, als wäre dies seine alleinige Entscheidung. Er pocht darauf, dass er ein Anrecht auf den Stab hat. Schließlich war er ein Schüler von Delafaire. Murgrosch und Gotrek hingegen beharren darauf, dass sie das Artefakt ordnungsgemäß in Besitz genommen haben. Denn als Delafaire im Kampf gegen Gadar fiel , war der Magier unser verschworener Gefährte.
„Ich habe ihn selbst aus Hieronymus´ heißer Asche geborgen! Damit gehört er uns. Das ist Gefährtentradition und Zwergenrecht!“, knurrt Gotrek stur. Ich muss den beiden Kriegern zustimmen. Was sonst sollten wir auch verkaufen, um die Passage nach Schallsea bezahlen zu können? Es ist eine pragmatische Entscheidung zum Wohl der Gruppe. Doch Therion stellt sich weiter dagegen. „Bevor ihr den Stab meines Lehrmeisters versilbert, will ich lieber die Seekarten verkaufen, die ich von meinem Vater geerbt habe“, spricht sich die Rote Robe gegen unseren Beschluss aus. Nun, einen Versuch ist es wert. Wenn jemand Seekarten kauft, dann der Hafenmeister.
Doch auf dem Weg zurück zur Hafenmeisterei bricht Eldoril plötzlich zusammen. Vor Schmerzen keuchend windet er sich auf dem Pflastersteinen. Dünne Rauchfahnen steigen aus seiner zerschlissenen Robe hervor. Die Sonne! Die Schwaden aus Wasserdampf haben sich gelichtet. Die Mittagssonne steht hoch am Himmel und brennt auf das Hafenviertel herab. Rasch greife ich nach Eldoril, um ihn in den Schatten der Hafenmeisterei zu schleppen. Da zerfällt sein Körper.
Nur noch die Robe halte ich in den Händen. Eine schwarze Rauchwolke schlängelt sich wie ein fliehender Fetzen Dunkelheit dicht über den Boden. Blitzschnell verschwindet sie in Richtung Stadt. Die Umstehenden starrten uns misstrauisch an. Ich raffe Eldorils Besitztümer, zu denen auch sein heiliges Medaillon gehört, zusammen. „Vermutlich wurde die Sonnenstrahlung für ihn zu stark. Wenn Eldoril zu einer Art Vampir geworden ist, könnte er sich in Rauch verwandelt haben, um zu entkommen“, mutmaßt Therion beim Weitergehen. Da wir für unseren Gefährten gerade nichts tun können, verkaufen wir erst mal die Seekarten. Die Zwerge bleiben zurück, während Therion und ich die Hafenmeisterei betreten. Therion breitet seine Seekarten aus. Der Mann am Schreibpult ruft nach dem Hafenmeister. Ein bulliger Minotaurus in einer Toga, einem goldenen Nasenring und silbernen Hornschmuck kommt aus einem der hinteren Räume zu uns. Sein Fell ist dunkelgrau und an einem Lederband trägt er das Zeichen von Sargonnas. Therion erklärt, dass der Wert der Karten bei 200 Stahl liegt, er aber bereit sei, sich für 150 Stahl davon zu trennen.
Der Hafenmeister begutachtet die Seekarten und beginnt zu feilschen. Schließlich einigen sich Magier und Minotaurus auf einen Preis von 120 Stahl. Der Hafenmeister zahlt die Summe in 24 Platinmünzen aus. Damit kehren wir zur Dünenläufer zurück und bezahlen bei Kapitänin Mira Tuvalofa unsere Passage. Danach kehren wir mit Murgrosch und Gotrek in der Taverne „Fürsten der Reben“ ein. Nach den Strapazen der letzten Tage gönnen wir uns ein gutes Essen, zwei Doppelzimmer und einen dringend notwendigen Aufenthalt im Badehaus.

An diesem Abend gehen wir früh zu Bett. Mein Zimmer teile ich mir mit Murgorsch. Auch wenn wir rechtschaffen müde sind, teilen wir Wachen ein. Während Murgorsch schläft, bete ich um Habbakuks Führung. Plötzlich höre ich ein Kratzen am Fenster. Als ich vorsichtig die Fensterläden öffne, blicke ich in zwei handtellergroße, leuchtende Augen. Sie gehören zu einer Kreatur, die wie eine Kreuzung aus Affe und Fledermaus aussieht. Der Flederaffe hängt kopfüber vor dem Fenster. Das Wesen trägt zwei Schultergurte, an denen einige Beutel und Taschen hängen. Gurrend und zirpend zeigt er auf seine Taschen und auf mich.
„Äh, Murgrosch..?“ Der Zwerg hebt die Lider, mustert verschlafen den Flederaffen und grummelt etwas auf Zwergisch in seinen Bart. Der Flederaffe bringt zwischen all dem Gurren und Zirpen das Wort „Symbol“ hervor. Meint er Eldorils heiliges Medaillon? Ich zögere kurz, dann überlasse ich ihm den geweihten Anhänger. Da ich vermute, dass Eldoril dringend Nahrung benötigt, schneide ich mir außerdem in die Hand. Dann befülle ich eines der Fläschchen des Flederaffen mit meinem Blut. Murgosch vergräbt sein Gesicht im Kissen, flucht erneut in seiner Muttersprache (wahrscheinlich „Ich bin zu alt für diesen Scheiß!“). Der Flederaffe fliegt mit meinem Blut und Eldorils Medaillon davon. Auf seinen dunklen Schwingen trägt er meine Hoffnung, dass wir unseren Gefährten vielleicht doch noch wiedersehen werden.

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