Dänemark, das Dorf Rohald an der westlichen Küste der Isle of Fyn, Wintereinbruch
Es war die Zeit im Jahr in der Uller, der Gott des Winter, damit begann unsere Welt der Menschen immer mehr unter seinen weißen Umhang zu legen. Die Zeit in der die Tage kürzer wurden und die Schatten anfingen, aus ihren dunklen Löchern zu kriechen um allerlei Unheil zu verrichten. Es war also die Zeit, in der wir wieder begannen öfter am Feuer zu sitzen, um Met zu saufen und uns Geschichten zu erzählen. Nun und genau deshalb beginne ich, Leif Skogvarsson hier mit der meinigen.
In besagter Zeit ist es wie wohl überall üblich, den Sommer mit einem Fest zu verabschieden und den Winter zu begrüßen. Seit alters her wird dieses Sommerendfest zum Wintereinbruch dazu genutzt, um Vermählungen zu verkünden, Eide zu schwören, Erbfolgen neu zu bestimmen oder einfach um das von den Frauen frisch gebrauten Met und den im Vorjahr eingelegten Hering zu verkosten.
Das größte Fest dieser Art ist wohl das von König Frodi von Dänemark, der wie man sich im Stillen erzählt, seinen Bruder den vorherigen König Halfdan meuchelte, um sich selbst zum König zu machen und um sich kurz darauf, die Frau seines Bruders zum Weib zu nehmen. Dies war nunmehr vor drei Sommern und seit dem lädt er jedes Jahr erneut die umliegenden Jarl`s, um sich ihre Treue schwören zu lassen.
Bislang sind, so sagt man, fast alle diesem Aufruf gefolgt. Bis auf Jarl Hord Beinirsson, dem mächtigen Mann aus Odense und meinem eigenen Jarl Hrolf Knudson vom Kjari Clan aus Rohald, welcher seinerseits Beinirsson schon vor Jahren die Treue schwor.
Drei Jahre lang haben sich die beiden jetzt schon bei Frodi entschuldigen lassen, im ersten meinte Uller bereits recht früh sein weißes Tuch über der Welt ausbreiten zu müssen, so dass eine Reise viel zu gefährlich gewesen wäre. Im zweiten waren Hord, wie auch Hrolf zeitgleich erkrankt, so als ob Loki seine Finger im Spiel hatte. Nun und zum letzten Sommerendfest hatte Hrolf Knudson selbst geladen, um seine eigene Erbfolge zu verkünden. Nur die Götter selbst wissen wie lange König Frodi sich dies noch gefallen lassen wird.
Nun ja, aber zu dem Fest meines Jarl´s sollten alle kommen, selbst Hrolfs älteste Tochter Gudrid, welche vor vier Jahren mit Herjolf Tryggverson, einen dänischen Lord aus einem verbündeten Clan verheiratet wurde. Gemeinsam führten sie einen Handelsposten im Namen König Halfdans in Finnland, hoch im Norden.
Sie war schon seit einigen Tagen im Dorf. Bauern, Fischer und allerhand Händler und Skalden waren geladen, um zu hören wie Hrolf seine jüngste Tochter Jorun Hrolfsdottir einsetzen wollte, um irgendwann seiner statt Jarl von Rohald zu werden. Aus diesem Grund wurden auch am Tag vor dem Fest vier Jagdgruppen gebildet, für jede Himmelsrichtung eine, um so genügend Fleisch für das große Fest zu haben. In einer dieser Gruppen durfte auch ich mitreiten und mit mir Magnus Gunnarsson, Ubbo Andersson und Björn Nadr, allesamt Männer aus dem Clan Kjari in Rohald.
Wir ritten also bereits früh am Morgen, beim ersten Licht, in Richtung Osten und somit auf die weiße Steilküste zu, welche sich einigen Meilen von unserem Dorf entfernt an der gesamten Küste entlang in Richtung Norden zog und an ihrem höchsten Punkt ganze sechzig Schritt maß. Eine Gegend also in der uns das Wild wohl kaum entkommen konnte. Nun und so dauerte es auch nicht allzu lang als Magnus, der sich wohl am meisten auf die Jagd verstand, die ersten Spuren einer wohl stattlichen Wildsau fand.
Zu unserem Glück hatte es in der letzten Nacht ein wenig frischen Schnee gegeben, so dass selbst der Blindeste den Spuren hätte folgen konnte. So ritten wir also noch einige Zeit weiter, bis wir an die Ausläufer eines kleinen Waldes kamen und aufhorchten als lautes Heulen eines Wolfes aus dem Wald drang. Hoffentlich hatte uns ein Rudel Wölfe nicht unser Jagdglück streitig gemacht. Denn nach Hause kommen, ohne frisches Fleisch, hätte uns sicherlich allen den Platz an der Festtafel gekostet.
Aber Odin selbst weiß warum, so landete noch genau in diesem Moment ein schwarzer Rabe in den unteren Zweigen einer Kiefer unweit unserer Position und noch bevor ich den Göttern für dieses Zeichen danken konnte, viel der Rabe leblos zu Boden. Ubbo fing sofort an, den Vogel zu untersuchen und lass aus den Federn, aus dem Blut oder den Knochen was all dies zu bedeuten hatte.
Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob es ein Segen oder ein Fluch ist, wenn man aus den Innereien von Tieren den Willen der Götter lesen kann. Aber Ubbo machte es nichts aus und so verkündete er uns kurze Zeit später von bevorstehendem großen Unheil, was vielleicht mit dem Fest zu tun haben könnte. Die Bestätigung seiner Worte ließ nicht lange auf sich warten, so erklang abermals vor uns aus dem Wald, das Heulen eines Wolfes welches sogleich in ein Jaulen überging und erstarb. Augenblicke später sprang einige hundert Schritt vor uns und seitlich aus dem Wald kommend ein kleines Rudel Wölfe, welches uns aber nicht beachtete und weiter weglief.
Wir führten daraufhin unsere Pferde in den Wald, bis dieser zu dicht wurde und wir sie anbinden und zurücklassen mussten. Einem kleinen Wildpfad folgend schlichen wir weiter, bis Magnus vor uns eine Lichtung ausmachte, auf der sich ein Lagerplatz befand. Einige Leinentücher waren gespannt, ein kleines Feuer brannte und irgendjemand hatten eine mächtige Wildsau gehäutet und ausgenommen.
Gleich darauf erkannten wir vier Männer, die sich leise unterhielten. Es waren unverkennbar Dänen, aber niemand den wir kannten, niemand aus Rohald oder der anderen umliegenden Dörfer, da war ich mir sicher. Sie waren darüber hinaus gut gerüstet und trugen saubere Kleidung. Aber viel länger konnte sich niemand von uns darüber Gedanken machen, denn wir wurden entdeckt und die vier Fremden griffen sofort zu den Waffen. Das einzige was ich noch vernahm war, „Tötet sie alle… Wir brauchen keine Zeugen!“.
Ich zog also meinen Bogen, legte einen Pfeil auf, um den ersten von ihnen zur Strecke zu bringen. Was mir auch gelungen wäre, ja wäre nicht Björn dazwischen gesprungen und hätte mit seinem Schwert, seiner Axt oder vielleicht auch seinen bloßen Händen, dem armen Tropf den Kopf abgerissen.
Ich zielte also erneut, schoss und verfehlte meinen Gegner knapp und auch nur, weil Magnus Pfeil ihn zuerst in die Kehle traf und er nach hinten zu Boden fiel. Skadi, der Gott der Jagd war mir einfach nicht wohl gesonnen an diesem Tag und noch während ich frustriert den Bogen sinken ließ, um mein Axt zu greifen, erkannte ich wie Ubbo seine Klinge bereits in die Flanke des dritten Mannes hieb und dieser ebenfalls in den weißen glänzenden Schnee fiel und sein frisches Blut in wenigen Augenblicken den Boden purpurrot färbte.
Sollte es war sein, alle meine Begleiter hatten Odin ihr Kampfgeschick gezeigt, nur mir sollte es verwehrt bleiben? Ich stürmte also mit erhobener Axt auf den letzten verbliebenden zu und wollte ihn gerade vom Kopf bis zu seinen Eiern spalten, was mir auch ohne zu übertreiben gelungen wäre, als Björns Klinge ihm von hinten in den Brustkorb fuhr und ihn zu seinen Ahnen schickte. Das leise rauschen des Windes, welcher durch die Blätter der Bäume streicht, legte sich wieder über das Lager und Ruhe kehrte ein. Ein schneller Blick und es war klar, wir waren wieder alleine.
Ubbo war wohl der erste, der anfing sich zu rühren, er kniete sich neben einen der Männer und legte ihm die Hand auf die Augen, schloss die eigenen und murmelte irgendwelches Zeug. Augenblicke später stand er auf und meinte, „Es waren fünf Männer, aber einer ist aufgebrochen, Richtung Westen, aber ich kann sein Gesicht nicht erkennen.“ Magnus der daraufhin anfing die Spuren um das Lager herum zu untersuchen, bestätigte kurz darauf, dass insgesamt fünf Männer im Lager waren.
Beim weiteren Durchwühlen der Habseligkeiten fanden sich auch seltsame Holztäfelchen, welche mit Runen beschrieben waren, sowie einige Kräuter. Ubbo und ich waren uns ziemlich sicher, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. Odins unheilvolle Zeichen durch den toten Raben, das bevorstehende Fest und fünf fremde Männer, die viel Silber, gute Waffen und seltsame Runentafeln bei sich trugen und einen von ihnen Richtung Dorf ausgeschickt haben. Wir mussten zurück zum Dorf!
Also sammelten wir alles kostbare und die ausgenommene Wildsau zusammen, packten es auf die Pferde der Fremden, holten die eigenen und stürmten zurück nach Rohald. Dort angekommen haben wir natürlich Jarl Hrolf sofort berichtet, aber dieser war sich sicher, dass ihm nichts passieren könne, immerhin hatte er zehn seiner besten Kämpfer als Bewacher an seiner Seite. Aber die Volva von Rohald sollte dennoch einmal über die Runentäfelchen schauen und bestätigte wenig später unsere Befürchtungen. Es waren Fluchrunen! Wofür oder gegen wen konnte sie nicht sagen.
Wir nutzen also die restliche Zeit bis zum Beginn des Festes, indem wir uns umsahen, mit den Händlern oder Skalden sprachen, die einiges Neues zu berichten hatten. Aber leider fanden wir keine Hinweise darauf, ob der fünfte Fremde bereits in Rohald war und wenn ja wer es überhaupt sein könnte.
Nun und so begann das Fest, ein Fest wie es typischer kaum sein konnte. Es gab Fleisch und Fisch, Bier aus dem Süden und Met aus dem Norden, Früchte des Waldes und Nüsse mit Pilzen und alles was ihr euch nur vorstellen könnt. Natürlich wurden die besagten Schwüre geleistet und Jarl Hrolf verkündete, dass seine jüngste Tochter Jorun ihm irgendwann als Jarl nachfolgen sollte. Die Skalden sangen und die Leute tanzten und auch ich musste die ein oder andere Geschichte zum Besten geben. Es war ein wahrlich ausgelassenes Fest.
Dennoch konnten wir es nicht wirklich genießen, immer wieder beobachteten wir den Jarl und die Leute die sich ihm näherten oder mit denen er sich unterhielt. Auch seine Töchter ließen wir nicht aus den Augen. Aber nichts geschah, bis nur noch eine Hand voll Trunkenbolde und wir im Langhaus an der großen Tafel saßen. Hrolf war mein seiner Frau kurz zuvor gegangen, um sich nieder zu legen und auch seine Töchter waren schon lange verschwunden. Wir wollten soeben das Langhaus verlassen, als ein markerschütternder Schrei aus dem hinteren Teil des Hauses, aus den Räumen des Jarl erklang.