Bericht der Nacht vom 16.10.1977 auf den 17.10.1977
Verdammt. Wenn die Lage nicht so ernst wäre und wir nicht zusammenhalten müssten… würde ich nichts mit diesen mittellosen Beinahe-Leichen zu tun haben wollen… und jetzt musste ich schon wieder mein Haus als Treffpunkt hergeben. Warum kommt es mir so vor, dass ich dabei nur verlieren kann? Entweder schlägt mir einer der Brujah in einem Blutrausch mein Haus in Stücke, oder dieser ekelhafte Nosferatu und seine Töle vergraulen mir die Gäste – der stinkt ja so schlimm – ich würde kotzen, wenn ich noch könnte… Der Einzige, dem ich hier wohl etwas Respekt zollen kann ist der Ventrue. Aber der Tremere? Auch wenn der sich ganz passabel kleiden kann, so ist und bleibt er ein Ursupator… dem traue ich nicht von Zwölf bis Mitternacht. Aber da muss ich ja jetzt wohl offenbar durch. Schätze ich kann froh sein, wenn wir mit heiler Haut aus der Angelegenheit rauskommen.
Das waren meine Gedanken an dem Abend als wir uns wieder bei mir im Noire et Blanc trafen… oder Bumsbude wie diese stillosen Wasserleichen sagen. Ha ha, ich lach mich tot.
Wir planten unser weiteres Vorgehen. Ziel war es ja, diesen Samedi, Martinez zu treffen um von ihm den Aufenthaltsort von Wilhelm in Erfahrung zu bringen. War heilfroh, als wir wieder aus diesem unheimlichen Laden raus gekommen sind. Dies sollte aber nicht unser letzter Besuch dort sein wie sich noch zeigen sollte.
Wir planten jedenfalls, wie wir ungesehen über die Grenze kommen konnten. Da wäre mir ja schon das erste Mal wieder die Hutschnur geplatzt… hat doch der Richter tatsächlich vorgeschlagen, durch die Kanäle in den Osten zu schwimmen… Ich werd doch nicht meine guten Sachen ruinieren. Die Alternative wäre gewesen, einfach offiziell über den Grenzübergang zu gehen, dann hätten wir nur ein Problem beim Rückweg.
Wenn ich mich recht erinnere hat dann jedenfalls der Nosferatu vorgeschlagen, die Bobelsbach zu fragen ob sie nicht einen Kontakt beim Militär hat der uns rüberschmuggeln kann und wie der Zufall wollte, war dem so. Sie gab mir eine Telefonnummer und einen Namen. Colonel Theobald McDermid. Ich wählte sogleich die Telefonnummer. Auf der anderen Seite ging ein Ami oder Tommy dran, keine Ahnung. Der war jedenfalls ziemlich misstrauisch. Ich sagte ihm ich müsse mit McDermid sprechen und dass wir in den Osten müssten. Der Typ war scheiß unhöflich. Hat mich einfach abblitzen lassen. Hatte sich noch nach meinem Namen und der Adresse erkundigt und dann aufgelegt. Kurz darauf bekam ich einen Rückruf, man wolle sich mit uns treffen. Etwas weiter die Straße hinauf, konnten wir bereits einen britischen Militärlaster erkennen.
Irgendwie bekam ich ein ungutes Gefühl. Kurze Zeit später fuhr ein schwarzer Bentley vor und ein gut gekleideter Typ stieg aus, der direkt in mein Büro kam.
Er hieß Paul Goodwyn, ein Handlanger von McDermid. Er wusste von unserem Vorhaben und erklärte uns das weitere Vorgehen. Wir sollten in dem Militärtransporter über die Grenze geschmuggelt werden. An den Ort den wir dem Fahrer nannten. Als Ziel hatten wir uns einen Friedhof in der Richard-Sorge-Straße ausgesucht. Dort konnten wir von guter Deckung ausgehen. Man sagte uns, dass der Transporter von einer russischen Patroullie eskortiert werden würde und der Fahrer die Patroullie abhängt.
Am Friedhof angekommen, musste alles schnell gehen. Wir hatten nur wenige Sekunden bis die Eskorte mit quietschenden Reifen wieder hinter dem Transporter hängen würde. Wir also schnell von der Ladefläche gesprungen und hinter der Friedhofsmauer in Deckung gegangen.
Sobald die Luft rein war, machten wir uns auf den Weg zum Havana Club.
Zunächst sondierten wir die Umgebung. Es gab einen Haupteingang, einen Hintereingang und einen Eingang über das Treppenhaus an der Seite des Gebäudes.
Wir beschlossen, dass Richter und ich über den Nebeneingang das Gebäude betreten. Michael Rand und Thomson bezogen am Hintereingang Stellung. Brad und Charles wollten im wahrsten Sinne des Wortes mit der Tür ins Haus fallen und nahmen den Haupteingang.
Peter konnte mit scheinbarer Leichtigkeit die Tür des Nebeneingangs knacken. Wir betraten also das Gebäude und bewegten uns vorsichtig weiter, da uns beide ein Gefühl beschlich, dass wir beobachtet werden.
Unser Weg durch das Gebäude führte uns in den Keller und nach kurzer Zeit gelangten wir an eine Ausgangstür. Schnell schlussfolgerten wir, diese müsste auf die Rückseite des Gebäudes führen. Und so war es auch. Wir öffneten die Tür und holten Michael Rand und Thomson zu uns ins Haus. Wir gingen zu viert weiter und es dauerte nicht lange bis wir schließlich hinter einer weiteren Tür auf den Herren des Hauses stießen.
Ich hatte ja schon vieles gesehen, aber der Anblick dieser Gestalt verschlug mir ja schon die Sprache. Er war gekleidet in einer bunten afrikanischen Robe, und trug dazu einen schwarzen Zylinder. Es war jedoch nicht diese Geschmacklosigkeit, die mir den Atem verschlug. Der Zylinder saß auf einem waschechten Schrumpfkopf. Fast so hässlich wie der Nosferatu, aber ohne den Geruch nach Kloake.
Seine Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, die wie wir später feststellen sollten, eigentlich keinen Nutzen hatte. Er hatte gar keine Augen. Die Brille sollte nur die leeren seelenlosen Augenhöhlen verdecken.
Martinez hatte uns bereits erwartet. Wir befragten ihn zunächst, warum er sechs seiner Leute zu uns in den Westen geschickt hatte. Darauf kam nur die knappe Antwort, sie sollten Unruhe stiften. Wir trugen ihm dann unser Anliegen vor. Martinez zeigte sich den Umständen entsprechend kooperativ. Aber wie zu erwarten war, wollte er für die Information natürlich eine Gegenleistung. Er brauche Blut. Durch den Verlust seiner Untergebenen, habe er Schulden gemacht und diese müsse er zurückzahlen. Ich schlug vor, er könne das Gemälde haben welches sich noch in meinem Besitz befindet. Martinez war mit diesem Vorschlag einverstanden.
Wir verließen den Havana Club. Nun mussten wir es nur noch zurück über die Grenze schaffen. Wie wir das jedoch anstellen sollten, gestaltete sich als… etwas schwierig. Wir suchten uns zunächst eine Stelle an der man mit Anlauf über die Mauer springen konnte, denn das war der erste Plan. Leider wurde die Stelle von zwei Streifenwagen bewacht, wir hätten die Beamten also außer Gefecht setzen müssen. Die Diskussion darüber wie das nun am besten anzustellen sei, dauerte gefühlt zwei Stunden. Da ich ja nicht der Geduldigste unterm Mond bin, trennte ich mich irgendwann von der Gruppe. Diese Diskussion ging mir echt auf die Nerven. Ich wollte es auf meine Weise versuchen und den Grenzübergang passieren. Ich war schon einige Meter gegangen, als den anderen auffiel, dass ich weg war. Peter Richter wurde die Diskussion scheinbar auch zu bunt. Er folgte mir jedenfalls mit etwas Abstand.
Ich hoffe, die anderen vermasseln ihre “Flucht” nicht und lösen keinen Großalarm aus. Daran könnte mein Schicksal geknüpft sein. Entweder ich komme durch, oder ich finde mich in einer Zelle wieder und werde von der Stasi verhört… bis zum Morgengrauen…