Seit der Vernichtung des Boxers ist einiges an Zeit vergangen. Wir haben den Jahreswechsel hinter uns gebracht und schreiben das Jahr 1917. Im Frühjahr wurde wie üblich Madi Gras gefeiert, ein rauschendes Fest. Und von irgendwoher kam auch wieder Lazarus aus seinem Versteck in die Stadt und predigte der johlenden Menge vom nahenden Weltuntergang. Hoffen wir, dass dies auch weiterhin nur Hirngespinste eines Malkavianers bleiben…
Am Montag, den 02.04.1917 treffen M. Demond, Eli und ich uns mit Father Josef in dessen Kirche. Der Tremere hat uns alle gebeten zu kommen. Etienne lässt sich schriftlich entschuldigen, er kann leider nicht teilnehmen. Father Josef berichtet, dass er mittels eines Rituals die Vitae von Walter analysiert hat. Walter gehört der 14ten Generation an und wurde von Rupert Kowalski erschaffen, einem Brujah der 13ten Generation, dem „Boxer“. Es folgen zwei Soldaten, Brujah der 12ten und 11ten Generation, die aber nicht in New Orleans leben. Doch das nächste Glied in der Kette ist Pierre Martiné, Brujah der 10ten Generation und Ahn in New Orleans. Dann folgen noch Theo Bell (9te Generation), Don Cerro (Ex-Justicar, 8te Generation) und eine Spanierin namens Helisente (7te Generation). Danach verlieht sich die Kette der Erzeuger in der Dunkelheit.
Die Information, dass Pierre Martiné gewissermaßen der Urgroßvater von Rupert Kowalski ist, ist brisant. Schließlich gibt es einen lange zurückliegenden Zwist zwischen dem Clan Brujah und Prinz Doran von den Ventrue. Könnte es sein, dass Pierre Martiné seinen Urgroßenkel in die Stadt einschleuste und hier für Unfrieden sorgen ließ? Wurde Kowalski womöglich ohne Genehmigung des Prinzen gezeugt?
Wir erörtern diese Punkte, jedoch ist die bloße Abstammung kein Beweis für ein solches Komplott, zumal Kowalski nicht das unmittelbare Kind von Martiné ist. Ich biete an, im Archiv der Nosferatu nach Eintragungen über den Brujah oder seinen Kindern zu suchen. Wir verabreden, dass wir uns am kommenden Freitag erneut treffen werden.
Im Archiv finde ich in den Akten nur knappe Eintrage über Theo Bell, einem Abkömmling von Don Cerro, der wiederum ein bekannter Sabbatjäger ist und seit 1880 in Europa sein soll. Nichts, was uns weiterhilft.
Als ich mich auf dem Heimweg mache, habe ich kurz den Eindruck, verfolgt zu werden. Ich weiche in eine Seitengasse aus und verdunkle mich. Doch als ich vorsichtig um die Ecke spähe, kann ich niemanden sehen. Misstrauisch schlage ich mich über Umwege und im Schutze der Verdunkelung bis zu meiner Zuflucht durch.
Freitag, den 06.04.1917: Bei unserem nächsten Treffen berichtet
M. Demond, dass er am Montag auf dem Rückweg von der Kapelle auf der Canal Street von einem Taschendieb beklaut wurde. Er verfolgte den Dieb in seine Nebengasse und fand dort sein Portmonee. Das Geld war noch vorhanden, jedoch fehlten zwei seiner Visitenkarten. Auch der Dieb war spurlos verschwunden. M. Demond kann nur raten, wer ihn bestohlen haben könnte. In den letzten Monaten hat er den Zuhälter Mr. Thomas C. Anderson gemieden. Dessen Geschäfte laufen schlechter, seit dem die Prostitution in New Orleans bekämpft wird. Möglicherweise versucht er, Kontakt zu dem Ventrue herzustellen?
Eli hingegen erklärt, dass die Wolflinge vom Stamm Uktena beunruhigt sind. Die Indianer befinden sich anscheinend auf dem Kriegspfad und ihre Kämpfer durchstreifen das Sumpfland der Bayous. Dahinter soll ein feindlicher Werwolfstamm stecken, der von Eli als „Tänzer der Schwarzen Spirale“ bezeichnet wird und von der Stadt Lafayette aus in das Territorium der Uktena eindringt. Ich berichte, dass ich Montagnacht das Gefühl hatte, verfolgt zu werden, aber niemanden sehen konnte. Möglicherweise auch ein Werwolf? Eli hält dies für denkbar, da die Wolflinge über die seltsame Gabe verfügen, zwischen dieser und der Geisterwelt zu wechseln.
In den nächsten Nächten soll ein Treffen mit Stammesführern der Uktena in New Orleans stattfinden, damit die Gesellschaft der Kainskinder nicht zwischen die Fronten der kriegerischen Wolflinge gerät. Das Treffen wurde von Jared Tompson und Eli eingefädelt.
Wir kommen noch auf ein schwieriges Thema zu sprechen. Noch immer ist Walter im Keller des Hauptquartiers eingesperrt. Ich hatte angeboten, mich um ihn zu kümmern, doch ob er jemals eigenständig existieren kann, ohne unsere Existenz an die Menschen zu verraten, ist zweifelhaft. Die anderen legen mir nahe, zeitnah eine Entscheidung zu treffen und Walter im Zweifelsfall loszuwerden.
Ich begebe mich zunächst ins Nosferatu-Büro, doch niemand von meinen Clansgeschwistern ist da. Auf meinem Schreibtisch finde ich ein Memo:
Vor ein paar Tagen wurde eine verdächtige Gestalt auf der Canal Street beobachtet. Sie bewegte ich mit athletischem Geschick über die Dächer hinweg bis zum Rand von New Orleans. Dort nahm sie Wolfsgestalt an und verschwand im Südosten in den Bayous, dem Revier der Uktena.
Alle Nosferatu sollen nach Werwölfen Ausschau halten.
Dann gehe ich zum Büro des Prinzen um die Angelegenheit bezüglich Walter zu besprechen. Wenn ich den Mann vernichten muss, weil ich nicht glaube, dass er kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden kann, so will ich zuvor die Bestätigung des Prinzen einholen. Doch ich werde nicht zu Doran vorgelassen. Ms Marie D‘Richelt hingegen hört sich meinen Bericht an. Wenn Walter völlig gesättigt ist, ist er zutraulich und folgsam. Doch wenn sich nur der kleinste Hunger in ihm regt, so wird er unruhig und reizbar. Das Tier ist zu stark in ihm, um freizulassen. Die Sekretärin lässt mich kurz allein. Als sie wieder zurückkommt, erklärt sie, ich solle mit Walter verfahren wie besprochen. Ich nicke resigniert und mache mich auf dem Weg.
Im Keller des Hauptquartiers angekommen, lulle ich Walters Geist mit dem Lied der Ruhe ein, dann erlöse ich ihn von seinem Unleben. Eine weitere Bluttat, die auf meiner Seele lastet. Wenigsten seine sterblichen Überreste sollen in der selben Erde wie die seiner Frau und Kinder ruhen. Daher schaffe ich die Leiche zur Kirche von Father Josef und übergebe sie dem Geistlichen zur Bestattung.
Danach schaue ich erneut im Nosferatustützpunkt in der Hafenmeisterei vorbei und treffe diesmal auf meinen Ahnen Mr. Meeks. Ich berichte, dass es in kürze ein Treffen zwischen den Gangrel und den Uktena geben soll, um die Lage zu sondieren. Auch von den „Tänzern der Schwarzen Spirale“ berichte ich. Der Sheriff ist sehr erfreut über den Erhalt der Information.
Sonntag, den 08.04.1917: In den letzten Nachtstunden taucht mein Ghul-Aligator „Rex“ vor meiner Zuflucht aus dem schlammigen Wasser des Mississippi auf. Er hat beobachtet, wie Eli und Marilyn auf einem Boot durch die Bayous zu einer einsamen Hütte in den Sümpfen fuhren. Seltsam, hatte Eli nicht erzählt, dass die Frau tot sei ..?
Montag, den 09.04.1917: Wir treffen uns im Hauptquartier. Etienne scheint immer noch verhindert zu sein. Ich berichte den anderen, dass Walter kein Problem mehr darstellt und dass die Nosferatu Werwolfaktivivtäten beobachtet haben.
Father Josef hat schlechte Neuigkeiten: In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde sein Gehilfe Raymond überfallen. Er meinte auf der Straße jemanden aus New York gesehen zu haben und folgte ihm bis zu einem Wohnhaus am Ufer eines klaren Sees. Doch als er anklopfte, wurde er von brennenden Schmerz überflutet. Irgendwie gelang es Raymond, zum Kapelle zurückzukehren, schwer verletzt und von Feuer gezeichnet. Vom Hunger des Tieres getrieben, verschlang er das Leben des katholischen Priesters der Kirche.
Bevor wir diesen beunruhigenden Neuigkeiten nachgehen, berichtet Eli, dass Marilyn nicht gestorben ist. Um sie zu retten, schenkte er ihr den Kuss, obwohl es dafür keine Erlaubnis gab. Damit Marilyn Teil der Gesellschaft werden kann, gibt es eine andere, offizielle Geschichte, wie sie zur Vampirin wurde: Dem Malkavianer Uriah Travers (ihm gehört wohl die Hütte im Sumpfland) war es gestattet worden, einen Nachkommenschaft zu zeugen. Die Malkavianer sind kaum in New Orleans vertreten. Doch der Narr wurde seines Kindes schnell überdrüssig. Da Eli Marilyn bereits über seine Jazzbar „Good Old Boyz“ kannte, erklärte er sich bereit, ihre Ausbildung zu übernehmen. Wir nehmen die Neuigkeit zur Kenntnis und beschließen, das Haus in Augenschein zu nehmen, wo Raymond angegriffen wurde.
M. Demond verteilt Waffen mit Silbermunition, sollten wir auf Werwölfe treffen. Father Josef konnte von Raymond die Adresse erfragen:
Kings Canyon Drive 187. Wir fahren mit einer Kutsche vor. Es handelt sich um ein anderthalbgeschossiges, freistehendes Holzhaus, relativ neu. Verdunkelt pirsche ich vor. Die Fenster sind dunkel, während in den Nachbarhäusern noch Licht brennt. Hinter den Häusern erstreckt sich eine Reihe von Bäumen, dahinter liegt ein großer See. Ich rufe aus dem Wäldchen einige Käuzchen herbei und befrage sie zu dem verdächtigen Haus. Einer der Vögel berichtet, dass dort vor kurzen noch Menschen gelebt haben, aber keine „Ungeheuer“. Auch von einem Feuer wissen die Tiere nichts.
Ich kehre zu den anderen zurück und wir warten, bis die Siedlung zu schlafen scheint. Father Josef befragt die Tür des Anwesens mittels des Rituals „Hölzerne Zunge“. Die Tür übermittelt gewöhnliche Eindrücke von gewöhnlichen Leuten, die durch sie ein- und ausgegangen sind. Doch sie weiß auch von einem Feuerstoß zu berichten. Nach dem Vorfall herrschte Ruhe und niemand ging mehr ein und aus.
Wir gehen zur Hintertür und ich knacke das Schloss im grünen Schein von Father Josefs Flammenden Degen. Das Anwesen stellt sich als gewöhnliches Einfamilienhaus heraus, in der Küche finden sich ein paar vergessene Lebensmittel, neben einem Sofa wurde ein Feldbett aufgebaut. Persönliche Gegenstände scheint es nicht zugeben. Doch im Obergeschoss entdecken wir ein Teleskop, das auf den See im angrenzenden Park ausgerichtet ist.
Wir kehren zum Hauptquartier zurück.
Wir müssen herausfinden, wer das Haus gemietet hat. Wer waren die Leute, die dort ihr Lager aufgeschlagen haben? Woher glaubte Raymond einen von ihnen zu kennen? Er behauptete, von einem Magier aus New York nach New Orleans geschickt worden zu sein. Waren die Leute, die den See beobachteten, möglicherweise auch Magi? Warum interessiert sie das Gewässer? Handelt es sich bei dem See etwa um den geheimnisvollen Caern, der den Wolflingen heilig ist und mittlerweile innerhalb der Stadtgrenzen liegen soll? Schließlich offenbart uns Father Josef, dass Raymond kein Tremere ist, sondern ein Caitiff. Dies hat die Blutanalyse aus Wien ergeben. Um noch mehr Klarheit zu erlangen will Father Josef in Kürze die Vitae von Raymond durch „Blutwandeln“ nochmal selbst untersuchen.
Die nächsten Nächte verbringen wir mit Recherchen.
Es stellt sich heraus, dass Kings Canyon Drive 187 vor sechs Jahren an eine Ms. Ariana Scarlett aus New York verkauft worden ist. Die Untersuchung von Raymonds Vitae ergibt, dass es sich um das Blut eines Giovanni der 10ten Generation handelt.
Am Freitag, den 12.04.1917 findet im Best Western Hotel das Treffen zwischen den Stammesführern der Uktena und den Gangrel statt. Die Indianer erklären, dass sie wegen den „Tänzern der Schwarzen Spirale“ auf dem Kriegspfand sind. Über New Orleans dringen sie ihn ihr Territorium ein, was die Wolflinge erzürnt. Zudem verlangen sie einen unbeschränkten Zugang zu dem Caern. Mr. Tompson, Roxy und Eli verweisen darauf, dass gemäß dem Friedensvertrag zwischen Wolflingen und Vampiren die Stadt von den Gestaltwandlern nicht betreten werden darf. Doch die Indianer entgegnen, dass der Vertrag geschlossen wurde, bevor sich das Stadtgebiet über den Caern hinauswuchs und sich die heilige Stätte einverleibte.
Die Argumente gehen hin und her, doch eine Einigung wird in dieser Nacht nicht erzielt. So trennen sich die Parteien ohne eine Lösung für den drohenden Konflikt gefunden zu haben.