Der Jäger I

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Wir wollten uns gerade wieder ins Langhaus begeben, um dies mit einem Humpen Met zu feiern, als die Volva zu uns trat und sagte, „Morgen kurz nach dem die Sonne den Horizont berührt, findet ihr euch alle in meiner Hütte ein. Ich muss mit euch etwas wichtiges Besprechen.“

Wir legten uns also schlafen, immerhin waren wir in den letzten Tagen nicht sonderlich oft dazu gekommen und so geschah dann in dieser Nacht auch nichts Besonderes mehr. Nur Ubbo berichtete uns am nächsten Morgen auf dem Weg zur Volva Hild, dass er einen überaus deutlichen Traum erlebte, in dem wieder einmal zwei schwarze Raben vorkamen und ein Mann in Lumpen der durch den weiß verschneiten nächtlichen Wald lief. Es war alles nicht greifbar, aber es fühlte sich an als ob die Götter noch nicht fertig mit uns wären.

Bei der Volva angekommen, schien sie uns schon früher erwartet zu haben, denn sie riss die Tür im gleichen Augenblick auf als Magnus an sie klopfte. Etwas unfreundlich, aufgrund unserer augenscheinlichen Verspätung, bat sie uns in ihre kleine Hütte und bot uns sogleich Met, Bier und Wein an. Ja richtig, Wein. Dieses Getränk von dem man sich erzählt das es weit im Süde aus vergorenen Beeren gewonnen wird. Die Menschen dort im Süden, also noch weiter südlich als Jütland, würden nur dieses Zeug saufen so heißt es. Ich kann euch sagen, es schmeckt wie Ziegenpisse und erklärt warum Menschen so sind wie sie nun einmal sind.

Aber ich schweife ab, die Volva berichtete uns, dass sie in den Sternen, im Feuer und in allerlei anderer Dinge gelesen hat, dass die Gefahr für Rohald und unseren Jarl noch nicht abgewendet wurde. Es sind noch Menschen im Dorf, die unserem Jarl, seiner Familie oder vielleicht sogar seiner jüngsten Tochter böses wollen. Leider benötigt sie noch ein wenig mehr Zeit, um genaueres sagen zu können und bittet uns, Ausschau zu halten und wachsam zu sein. Immerhin, und da war sie sich sehr sicher, hält Odin selbst sein Auge auf uns. Am Abend würde sie sicherlich mehr wissen und uns zusammen mit dem Jarl darüber berichten.

Zurück im Langhaus, wo wir zuerst einmal etwas Flachbrot mit Haferbrei zu uns nehmen wollten, stellte sich heraus dass die Volva recht hatte. Es waren tatsächlich noch ein paar der Gäste vom großen Fest im Dorf. Eine von Hrolfs Mägden erzählte uns aber, dass bereits alle bis auf fünf Männer wieder abgereist wären. Abgesehen von Hrolfs ältesten Tochter natürlich. Das schränkten den Kreis der Verdächtigen etwas ein.

Sie erzählte uns weiter, dass Thangbrand Dorisson, der Gesandte von König Frodi, Sigr Gunnarsson der Schwager von Jarl Hrolf, der aus dem nördlichen Norwegen angereist war, Thorgren Dormalsson ein Skalde aus Hleidra, der nicht wie alle anderen mit dem Schiff, sondern mit dem Pferd gekommen zu sein schien und zwei Jüten die von König Olaf Gundersson geschickt wurden. Die beiden waren Kurt Wendler ein Händler von Gunderssons Hof und Guerd Latik einer von seinen Kriegsherren.

Noch während wir also im Langhaus saßen betrat Guerd Latik den Raum mit der großen Tafel an der wir saßen. Nun und weil ich mir sicher war, dass wir am besten erfahren könnten was diese Gäste noch in Rohald zu tun hatten und ob sie vielleicht eine Gefahr darstellten wie von der Volva berichtet, lud ich Guerd zu uns an den Tisch, um vielleicht bei einem Humpen Met seine Zunge ein wenig zu lösen. Aber bis auf das übliche hin und her wusste der Mann aus Jütland nicht viel zu erzählen oder wollte nichts erzählen.

Aber noch während wir dort saßen wurde die große Holztür vom Langhaus aufgerissen und drei Männer stürmten herein. Sie sahen müde und abgekämpft aus, aber irgendetwas an ihnen verriet mir das sie Loki selbst begegnet sein mussten. Sie wollten zu ihrem Jarl Hrolf, um ihm Bericht zu erstatten. Da dieser aber niemanden empfangen wollte sollten die Männer es Ragnar, immerhin einer von Hrolfs Leibwächtern erzählen. Schnell und noch halb außer Atem berichteten die Männer, dass mehrere Wolfsrudel die Gehöfte im Norden an der Grenze zum Clan der Arnkels angegriffen haben. Nichts ungewöhnliches, aber dieses Mal seien die Bestien wohl sehr gezielt vorgegangen und hätten Dutzende von Schafen, Ziegen und sogar Kühen gerissen. Nun und dass obwohl der Winter vor der Tür stand.

Aber was sollten wir tun? Immerhin waren diese Gehöfte zwei Tagesreisen von Rohald entfernt und wer weiß was diese Wölfe dazu gebracht haben mag die Gehöfte anzugreifen. Wir wollten die Sache also erst einmal auf sich beruhen lassen und Ragnar sollte Jarl Hrolf später davon berichten. Immerhin hatte die Volva uns gesagt, dass die Gefahr noch in Rohald verweilen sollte, also musste wir hier weitersuchen.

Wir setzten uns also wieder an den Tisch zu Guerd und wenig später betrat auch Sigr Gunnarsson das Haus. Auch ihn lud ich auf einen Humpen an unseren Tisch. Aber er und Guerd schienen sich nicht sonderlich gut zu verstehen, so dass dieser wenig später aufstand und ging. Sigr selbst war überaus gesprächig und vor allem trinkfreudig. Aber viel mehr als alte Geschichten aus dem Norden gab es auch von ihm nicht zu hören.

So ging es immer weiter, die fünf Gäste betraten im Laufe des Vormittags alle einmal das Langhaus und alle lud ich an unseren Tisch, um mit uns einen Becher Met zu leeren. Aber irgendwie konnte ich keine Auffälligkeiten erkennen, außer vielleicht das die beiden Jüten extrem hässliche Kerle waren. Ich glaube sogar mittlerweile, dass alle Jüten hässlich wie Ubbos ungewaschener Arsch sind. Tja und man erzählt sich, dass jeder Troll besser ausschauen soll als Jütische Frauen. Als die Jüten von Odin selbst erschaffen wurden, muss Loki im Hintergrund sein übles Spiel mit ihnen getrieben haben. Vielleicht hat er ihnen auch diesen Wein in die Muttermilch gegossen. Das würde es zumindest erklären. Aber dennoch, seit vorsichtig einem Jüten wie Guerd Latik so etwas ins Gesicht zu sagen, dass kann Ärger geben.

Kurz gesagt, es geschah nichts Besonderes. Lediglich Ubbo sorgte einmal mehr für erstaunen. Er sammelte jedes Trinkhorn der fünf Männer ein und ließ es in einer seiner vielen Taschen verschwinden. Von Magnus darauf angesprochen meinte er nur das man daraus vielleicht noch etwas lesen könnte. Keine Ahnung wie er das wieder meinte, aber ich war bislang immer der Meinung, dass ich besser in einem vollen Trinkhorn lesen könnte als in einem leeren.

Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass während Thorgren Dormalsson der Skalde mit Ubbo und mir am Tisch saß, Ragnar und Magnus das Gästehaus untersuchten, in dem alle fünf über die Tage untergebracht waren. In der Satteltasche von Thorgren konnten sie dabei kleine Täfelchen mit Runen finden, aber nichts damit anfangen. Natürlich war mir damit sofort klar, dass dieser Thorgren nicht nur musizieren konnte, sondern auch des Runen schreiben und vielleicht des Verfluchens mächtig war.

Im weiteren Verlauf des Tages kamen noch einmal Reiter aus dem Norden von Rohald, dieses Mal aus der Nähe von Thurom, ebenfalls einem Dorf an der Grenze zum Gebiet der Arnkels. Auch sie berichten von einem üblen Überfall durch Wölfe auf ihre Höfe und auch sie haben etliche Tiere verloren. War es das gleiche Rudel? Steckt jemand dahinter oder ist es einfach nur der Wille der Götter?

Am Abend betrat die Volva Hild das Langhaus und wurde direkt zu Jarl Hrolf vorgelassen. Nach wenigen Augenblicken ließ man uns dazu rufen. Leider konnte sie noch nicht mehr über die Gefahr im Dorf berichten, wusste aber das wir aufbrechen müssen, um die Wölfe im Norden zu töten oder zumindest zu vertreiben. Am besten wäre es, wenn wir die Bestien auf das Gebiet der Arnkels treiben würden, dann hätten wir zwei Probleme erledigt. Alles andere in Rohald konnte warten und wir sollten am nächsten Morgen sofort aufbrechen. Wir, das waren Magnus, Björn, Ragnar, natürlich Ubbo und ich. Immerhin hat Odin nach wie vor ein Auge auf uns, da ist sie sich sicher.

So brachen wir nach einer erholsamen Nacht und ausgerüstet mit Proviant für mehrere Tage auf in Richtung Thurom. Die Reise dorthin selbst war eher trostlos, zum Glück hatte es nur wenig Neuschnee gegeben, so dass wir ohne große Schwierigkeiten vorankamen und am Abend des zweiten Tages eines der Gehöfte von Thurom erreichten. Hier wurden wir freundlich empfangen und konnten uns erst einmal am Feuer aufwärmen. Aber in der Nacht blieben die Wölfe diesem Gehöft zumindest fern, so dass wie beschlossen die nächsten Tage und Nächte in den angrenzenden Wäldern und im Grenzgebiet zum Clan der Arnkels zu patrouillieren.

Natürlich fand Magnus schnell einige Spuren eines Wolfsrudels und wir hörten auch immer einmal wieder ihr Geheul, auch fanden wir einmal einen alten angefressenen Wolfskadaver. Vom Rudel selbst war nichts zu sehen.

Aber am zweiten Abend geschah es, wir hatten unser Lager unter einem kleinen Felsüberhang in einem kleinen Wäldchen aufgeschlagen und ein kleines Feuer entfacht. Die Sonne war schon einige Augenblicke untergegangen, als wir aus dem Wäldchen erst leises und dann immer lauter werdendes knacken hörten. Wenig später erkannte zuerst Magnus und dann alle anderen, einen in Lumpen gekleidete Mann. Er hatte keine Schuhe oder auch andere wärmende Dinge am Körper und irgendwer schien ihm übel mitgespielt zu haben.

Als der Mann näherkam, stand Ubbo neben mir und sagte fast Geistesabwesend, „Das ist der Mann aus meinem Traum. Der Traum mit den Raben, an dem Morgen als wir zur Volva in Rohald gegangen sind.“

Noch nicht ganz im Lager angekommen, fiel der Mann auf seine Knie und find bitterlich an zu schluchzen. Ragnar fing gleich an auf ihn einzureden, „Woher kommst du? Was machst du hier draußen? Bist du allein? Und wer hat dich so zugerichtet?“

Mühsam erzählte uns der Fremde mit dem Namen Gnor, dass er aus Odense stammt und bei den Arnkels in Gunnvor zu Gast war, um Handel zu treiben. Aber in der letzten Nacht kamen Männer in das Gästehaus und entführten ihn. Sie brachten ihn in einen Wald zu einer Frau, einer Hexe vielleicht. Diese wollte ein Blutopfer den Göttern darbringen und dieses sollte er sein. Aber er konnte fliehen…

In diesem Augenblick und es war spürbar ruhiger um uns herum geworden, selbst das Lagerfeuer schien nicht wie üblich vor sich hin zu knistern, landeten zwei tiefschwarze Raben auf der vordersten Kante des Felsvorsprunges unter dem wir unser Lager bezogen hatten. Ich konnte spüren wie ihre schwarzen Augen auf uns herabsahen.

Aber wir hatten keine Zeit uns darüber Gedanken zu machen. Aus dem Wäldchen waren erneute Geräusche zu hören. Es kamen erneut Männer auf uns zu, erst erkannte ich nur zwei aber gleich darauf trat ein dritter ebenfalls aus dem Schatten. Es waren gut gerüstete Kämpfer, ähnlich wie wir. Aber irgendetwas war anders an ihnen, etwas passte nicht. Aber zu diesem Zeitpunkt fiel mir bei Loki nicht ein was es war. Es sollte noch etwas Dauern bis ich wusste was es war.

„Gebt uns den Mann und euch wird nichts geschehen.“, ergriff sofort einer der drei das Wort. Aber wer will einem Mann der Leibwache von Jarl Hrolf Knudson auf dessen eigenen Land Befehle erteilen, außer der Jarl selbst? Ragnar griff sofort zu seinem Speer und ging auf die drei los. Auch wir anderen griffen zu unseren Waffen und noch während ich dies tat, bat ich erneut die vier Winde ein Schlaflied zu singen. Es gelang und noch ehe er angreifen konnte, sank einer der drei Männer schlafend zu Boden. Was auch gut war, denn die anderen beiden anderen waren zähe Gegner und ein wilder Tanz entbrannte. Ein Tanz bei dem Ragnar mehrfach schwer getroffen wurde und nur mit letzter Kraft seinen Speer in den Körper des fremden Kriegers rammen konnte, bevor dieser seinerseits wohl Ragnar das Leben genommen hätte. Was vermutlich auch geschehen wären, wenn Magnus nicht so zielsicher mit seinem Bogen gewesen wäre.

Den andern bekämpften Björn und ich, was nicht minder schwierig war. Aber zu guter Letzt hatten die Götter ein Nachsehen mit mir und ich konnte endlich mein Kampfgeschick unter Beweis stellen und dass unter dem Auge Odins. Ihr glaubt gar nicht wie tief eine Streitaxt in den Brustkorb eines gut gerüsteten und kräftigen Mannes eintauchen kann, wenn sie von einem Fischer aus Rohald geführt wird. Ich glaube in diesem Augenblick konnte ich sogar das noch schlagende Herz des Mannes am Schaft meiner Axt spüren, als ich diese zurück aus seiner Brust zog. Ein weiterer Hieb und ich spaltete ihm seinen Schädel, so dass eine Hälfte seines Kopfes noch auf dem Rumpf stand, während dieser langsam rückwärts in den Schnee viel und die andere Hälfte seitlich herunter und vor meine Füße rutschte. Ein weit aufgerissenes, starkes Blut unterlaufendes Auge schaute mich an.

Das war es, was am Anblick dieser Männer verunsicherte, es waren die Blut unterlaufenden Augen. Sie hatten sie alle drei. Aber warum?

Vielleicht konnte uns der dritte und schlafende ja eine Antwort darauf geben. Aber als wir uns diesem zuwandten, mussten wir erkennen, dass Gnor, der Mann aus Odense, neben dem Krieger kniete und mit irrem Blick in den Augen wieder und wieder auf ihn einstach. Er hatte ihm wohl den Dolch genommen und die Gunst der Augenblick erkannt.

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