Opfer eines harten Winters VI

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Ubbo schaute noch einmal auf unsere Wunden und legte jedem von uns noch ein paar Kräuter auf. Er selbst genehmigte sich eine Hand voll Pilze und drängte uns dann zum Aufbruch, um schnell zurück zum Turm und Valthjona zu kommen.

Wieder kämpften wir uns durch das Unwetter, mitten durch den Wald und kamen einige Stunden später wieder am Turm an. Magnus übergab Valthjona die Klauen von Bergota und ich berichtet ihr was wir gesehen hatten und wer uns begegnet war.

Was mit Ragnar geschehen ist wollt ihr wissen? Nun Ragnars Lebensfaden war bereits sehr dünn, als die beiden Wölfen ihn zurück auf die Lichtung brachten und er zerriss wenig später ganz. Nur die Nornen werden wissen warum es gerade dort und zu dieser Zeit sein sollte. Doch den Kampf den er gefochten hatte, musste sehr gewaltig gewesen sein und hatte Ragnar am Ende das Leben gekostet. Wer weiß wem er begegnete oder was ihn angegriffen hatte, aber es muss mächtig gewesen sein, wenn es einen Krieger wie Ragnar bezwingen konnte. Er sitzt nun in der großen Halle Odins in Asgard und spießt von goldenen Tellern und Trink den kostbarsten Met aus den prunkvollsten Hörnern. Er feiert mit seinen Ahnen und lauscht den Kampfgeschichten seiner Großväter und Urgroßväter. Wir werden seiner noch lange in Erinnerung halten und sehen ihn am Ende aller Tage wieder, wenn die Götter zum letzten Kampf rufen.

Doch genug der Trauer über die gefallenden Krieger. Es dauerte nicht lange und Valthjona begann das Ritual weiter fort zu führen, nun mit Hilfe von Bergotas Klauen und ein wenig Blut, welches eine Taube geben musste, die wohl zur falschen Zeit am falschen Ort Zuflucht im großen Jottårn gesucht hatte.

Was dann aber geschah, ist vermutlich für jemanden der nicht dort war, kaum zu glauben. Die von Valthjona gezeichneten Runen, schienen das Blut der Taube fast aufzusaugen. Schnell färbten sich die zuvor weißen Linien rot und begannen im Holz des Dachbodens zu leuchten. Valthjona die sich auf die Runen stellte und anfing irgendetwas mir völlig unverständliches zu singen, wurde dabei immer lauter. Ihre Augen verloren die smaragdgrüne Farbe und wurden komplett weiß. Sie schien plötzlich nicht mehr sie selbst zu sein. Etwas unheimliches und furcht einflößendes lag in der Luft und wenig später konnten wir alle sehen wir die junge Frau mit den langen roten Haaren, anfing über den Runen zu schweben. Sie streckte dabei ihre Arme zum Himmel und schien die mir unbekannten Worte fast heraus zu schreien, so als ob sie den Sturm hinfort brüllen wollte.

Ich weiß heute nicht mehr wie lange dieses Ritual andauerte, aber am Ende war alles ruhig. Der Sturm hatte aufgehört und durch das nicht mehr vorhandene Dach des Turmes konnte man erkennen, dass die dunklen Wolken und der Wirbel zwar immer noch über uns waren, aber eben nicht mehr so bedrohlich wirkten, wie noch ein paar Augenblicke zuvor. Valthjona indes lag schwer atmend auf dem Holzboden des Turmes, die Runen unter ihr hatten aufgehört zu leuchten und nur noch rötliche Linien waren zu erkennen. Es war vorüber und so wie es aussah, hatte sie es geschafft.

Doch die Freude darüber dauerte nur kurz, den im nächsten Moment konnten wir Harbard, den Boten Njörds durch den Wald auf den Turm zukommen sehen. Er begrüßte uns auf seine immer gleich freundliche Art und Weise.

Natürlich wusste er, dass wir in Idalir auf der großen Lichtung waren. Auch war ihm bekannt, dass wir mit Ullr gesprochen und was Valthjona getan hatte. Doch er wusste noch einiges mehr zu erzählen und so trat er ohne eine Einladung zu erhalten, in den Turm. „Es ist nicht sonderlich erstaunlich was ihr geschaffen habt.“, sagte er zu Valtjona gerichtet. „Immerhin seit ihr die Tochter Skuld und einem Gott. Aber es wird nicht reichen um den Willen von Njörd zu stoppen. Den seht was passieren wird“, und damit deutete er hinaus, über die eingestürzten Wände des Turmes hinweg in Richtung Idalir und der Lichtung. Der Sturm war zwar schwächer geworden, aber das schien nur kurzeitig zu sein, denn schon konnte man erkennen, dass sich eine mächtige Windhose bildete, die direkt in Idalir den Boden Midgards traf. Dort begannen die ersten Äste und Blätter wild umher und sogar ganz hinweg zu fliegen. „Der Sturm wird zurückkommen und alles verschlingen, wenn Kjertan und Ivar nicht ihren Pakt mit Njord einlösen. Das Ritual hat ihn nur kurzzeitig verlangsamt und er wird umso stärker zurückkommen“, sagte Harbard wider. „Ich denke ihr wisst bereits was zu tun ist, wollt ihr dem Ganzen Einhalt gebieten? Bis der Sturm das erste Dorf erreicht hat es noch fünf Tage, solange habt ihr Zeit.“, und mit diesen Worten schickte er sich an wieder an zu gehen.

Nach kurzer Beratung über unser nächses Tun, ging es zurück nach Folkvang, hier wollten wir Jarl Bjarni davon überzeugen uns mit einigen seiner Männer zu begleiten. Vermutlich war er der Mann mit dem größten Verständnis und Einsicht.

Doch zuvor sollte es zu Skuld und ihrer Hütte mitten im Wald gehen. Sie konnte uns vielleicht nun einiges mehr erzählen und außerdem wollte Valtjona schauen ob Harbard die Wahrheit gesprochen hatte war sie wirklich ihre Mutter? Die Ähnlichkeit war kaum zu verbergen, beide diese langen roten Haare und die smaragdgrünen Augen und die Fähigkeit Runen zu schreiben.
Weiter dann nach Breidablick und Jarl Snorri, wenn dieser ebenfalls seine Männer mitschicken würde nach Trynheim, dann hätte Jarl Kjertan vermutlich keine andere Wahl als nach zu geben. Wie sollte er seinen Männern und seinem Sohn auch erklären warum zwei Dörfer vor ihren Palisaden stehen und warum die eigene Tochter ihre große Liebe aufgeben musste um Jarl Ivar zu gefallen. Nun und wenn wir bis dahin kommen sollten und Kjertan ebenfalls nachgeben würde um mit uns nach Fensalir zu Jarl Ivar zu ziehen, welche Wahl hätte dieser dann schon? Egal wie Kampferprobt er und seine Männer waren, aber gegen drei Dörfer und uns, die gegen einen Rachegeist gekämpft hatten, konnte er wohl kaum etwas ausrichten.

Als wir am Turm aufbrachen war uns klar, dass wir die beiden noch lebenden Jarls dazu bringen mussten zu Ullr nach Idalir zu gehen und nicht zu Njörd. Aber dies sollte sich auf der folgenden kleinen Reise ändern.

Auf dem Weg durch den Wald, der durch das schwere Unwetter der letzten Tage noch unheimlicher wirkte, weil überall umgestürzte Bäume lagen und viele abgebrochene Äste wie die Geister der Toten in den noch stehenden Bäumen hin- und her schwangen um dabei unheimliche Geräusche von sich zu geben, trafen wir in weiter Entfernung noch einmal auf Bjowulf. Dieser schien uns indes nicht bemerkt zu haben, war er doch gerade dabei ein Reh zu zerfleischen. Aber die Wildheit, mit der er dabei vorging zeigte uns ganz deutlich, dass wir nicht mehr all zu viel Zeit haben durften ihn von seinem Fluch zu erlösen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir mit Magnus und Ubbos Hilfe die Hütte von Skuld. Diese lag wirklich sehr versteckt und vermutlich wären wir wieder daran vorbeigelaufen, wenn nicht jemand zufällig die Zeichen des Waldes gelesen hätte. Erstaunlicherweise war es Ubbo der uns auf den letzten Schritten führte. Vielleicht roch er die vielen sonderbaren Pilze die wir wenig später in Skulds Hütte zum trocken aufgehangen sahen. Doch das wissen nur die Götter selbst.

Skuld indes schien bereits auf uns gewartet zu haben und erkannte Valtjona sofort wieder. Ja und genau so erstaunt wie ihr nun schaut, so habe ich damals auch dagestanden. Doch im Vergleich zu unserem ersten Aufeinandertreffen, war Skuld bei unserem zweiten Treffen ungleich redseliger. Sie bat uns zusammen mit Valtjona in ihre Hütte und berichtete uns schier unglaubliches. Als ob wir die Tage zuvor nicht bereits unglaubliches erlebt und gehört hatten, so schien Skuld dem nicht nachstehen zu wollen. Im nachherein könnte man fast glauben, es war ein Wettstreit aller Beteiligten uns immer unglaublichere Dinge zu erzählen. So als ob die Götter selbst meine Geschichte mit Inhalt füllen wollten und keiner dem anderen nachstehen durfte. So wird sie mit jedem Stück unglaublicher und unwirklicher.

Aber sei es drum, Skuld erzählte uns, dass sie nicht wusste das ihre Tochter ebenfalls in der Gegend verweilte. Sie habe lange Zeit ihr Gedächtnis verloren und erst in den letzten Monaten kamen mehr und mehr Gedanken und Erinnerungen zurück.

Aber von vorne, der Gott Ullr hatte Skuld vor Jahren zu seinem Weib genommen und war mit ihr nach Albenheim geflohen, weil die anderen Götter dieser Zweisamkeit nicht wohlwollend zusehen wollten. Dabei wurde Valtjona geboren und sie lebten einige Zeit in Albenheim. Dies erklärte dann auch wie Valtjona es schaffen konnte ein solches Ritual gegen den Sturm zu wirken. Die Tochter eines Gottes und einer mächtigen Volva und dazu aufgewachsen in Albenheim, wo alles voller Zauberei und Mystik ist. Einige Zeit verging bis Ullr wieder zurück nach Midgard musste. Die vier Jarls von Folkvang, Trynheim, Fensalir und Breidablick hatten wieder versucht die Stadt Idalir anzugreifen. Die Stadt die unter dem Schutz von Ullr stand. Bis zu diesem Tag war es niemandem gelungen diese Stadt zu gefährden, doch dieses Mal hatten die vier Jarls Unterstützung von dem Gott Njörd, dem Bruder Ullrs. Dies zwar zu diesem Zeitpunkt zwanzig Jahre her.

In der großen Schlacht wurde Idalir geschliffen und alles Kostbare gestohlen. Doch viel schlimmer Skuld wurde von Valtjona getrennt, verlor ihr Gedächtnis und glaubte ihre Tochter für immer verloren zu haben. Es war aber auch genau die Schlacht, in der Bjowulf überdies von der Finnischen Volva von Idalir verflucht wurde. Er war also nicht auf Beutezug in Finnland, sondern hier in Idalir. Doch er schwor danach der Gewalt und allem Übel ab umso dem Fluch der alten Volva entgehen zu können. Doch vor wenigen Tagen geriet ihr dann mit dem Schmied in Volkvang aneinander und wurde so zu dem was ihm damals vorhergesagt wurde. Doch das wisst ihr ja bereits alles und erklärte noch einmal die Dringlichkeit mit der wir vorgehen mussten.

Da Skuld nun immer klarer sehen konnte begann sie damit dem Ganzen alleine zu begegnen und den beiden Jarls ins Gewissen zu reden. Doch es half nichts und so bezahlte sie die Gautischen Söldner um Jarl Ivar endlich dazu zu bringen seinen Eid einzulösen. Die Gauten waren damals bereits auf dem Weg nach Fensalir, was wir als weiteren Vorteil für uns verbuchten. Doch dazu später mehr. Skuld gedachte ebenfalls nach Fensalir kommen, hatte aber zuvor noch einige Vorbereitungen zu treffen und wollte nach all der langen Zeit auch erst einmal mit ihren zurück gewonnen Tochter sprechen. Wir brachen also alleine auf um weiter nach Folkvang zu gehen.

Ich mache es kurz, es war ein leichtes Jarl Bjarni von unserem Plan zu überzeugen. Wir vereinbarten, dass wir uns mit ihm und Jarl Snorris Männern drei Tage später vor Trynheim treffen wollten. Nun und auch Jarl Snorri in Eidablick war zwar nicht sonderlich erfreut über unseren Vorschlag, sah aber ein nach dem er unsere Geschichte gehört hatte, dass es nichts bringen würde einfach zu warten. Vermutlich würde der neue Wirbel als erstes sein Dorf vernichten und alleine gegen Kjertan und Ivar ziehen um sie dazu zu bringen dem Ganzen ein Ende zu setzen, wäre vermutlich aussichtlos. So schloss er sich uns an und wir brachen am nächsten Tag in Richtung Trynheim auf.

In Trynheim gingen erst einmal nur wir und Bjarni zu Jarl Kjertan und natürlich war auch er zu erst nicht begeistert, gab aber nach einem Blick über die Palisaden und dem Aufgebot an Männern nach und willigte sogar ein, uns mit seinen Männern nach Fensalir zu begleiten. Er hatte sich an den Gedanken gewöhnt endlichen den Pakt einzulösen.

Es lief also alles wie gewünscht und es schien als ob die Götter ebenfalls ihren Gefallen an uns wieder gefunden zu haben schienen, denn auf einem der Dachfirste von Trynheim konnte ich an diesem Abend die beiden Raben wiedererkennen. Sie schienen erneut sehr aufmerksam unser Tun und alle Geschehnisse zu beobachten.

Am darauf folgenden Tag ging es dann endlich los nach Fensalir. Hier sollte der schwierigste Punkt unseres Vorhabens liegen. Denn wie wir im laufe der Zeit mitbekommen hatten, war in allem immer Ivar der treibende Mann. Er überredete die anderen Jarls zum Angriff auf Idalir, er war es der die größte Beute einsammelte und er war es auch, der sich am stärksten gegen das Einlösen ihres Versprechens wehrte. Auch war er, der Jarl mit den meisten Männern im Gefolge.

Aber Ich war voller Zuversicht, wenn Skuld die Gauten und die drei anderen Jarls ihre Krieger ins Feld warfen, das Ivar schnell aufgeben würde. Überdies waren wir mittlerweile der festen Überzeugung, dass Njord vollkommen zu Recht seinen Preis bekommen sollte. Ullr hatte bereits einen Teil erhalten, der andere stand nun Njord zu.

In Fensalir wurden wir von Jarl Ivar freundlich empfangen, schien er doch über unser erneutes Eintreffen nicht sonderlich erstaunt zu sein. Auch blieb er bei unserem Aufgebot an Kämpfern vor seinen Palisaden sehr ruhig. Der Grund dafür möchtet ihr wissen? Nun Ivar muss es gelungen sein, die Gauten die Skuld bezahlt hatte, davon zu überzeugen, für ihn zu arbeiten. Vermutlich hatte er ihnen ungleich mehr bezahlt und damit das Kräfteverhältnis mehr als ausgeglichen. Den Abend verbrachten wir als vermeintliche Gäste in Fensalir und sollten uns bis zum nächsten Morgen überlegen auf wessen Seite wir standen, auf Ivars oder der der Götter.

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