Klar das die anderen auch ihren Teil getan haben und so ist es heute unwichtig wer nun wen und wieviel Jüten in Hels Reich schickte. Wer dem Händler einen Pfeil in die Brust jagte, wer dem Wächter erst den Schwertarm vom Leib nahm und wenig später auch den Kopf. Wichtig ist, dass am Ende nur noch Thorun, ihr jütischer Händler Gunnar und wir am Strand standen.
Alsbald legte sich eine beunruhigende Stille über den Strand. Natürlich trieb Njörd unablässig seine Winde an und die Wellen schlugen an den Strand, aber das Klirren der Schwerter und das Aufschreien der Männer, das Röcheln und das schwere Atmen, war vorüber. Eine göttliche Stille legte sich über mich. Doch war diese ganz und gar nicht beruhigend. Ich sah wie vor mir aus dem Sand die bleichen Knochenhände der Erschlagenen empor griffen, wie mich leere Augenhöhlen aus knochigen holen Schädeln strafend anblickten. Mir war als stünde ich am Todesfluss Gjöll oder am Leichenstrand Nastrond und Garm selbst würde auf der anderen Seite auf mich warten. Was bei allen Göttern Namen hatten wir getan, was hatte ich getan? Erschrocken blickte ich mich um und der salzige Hauch des Meeres holte meine Sinne zurück. Ich stand noch immer am Strand der kleinen Bucht, doch die Raben waren fort. Hugin und Munin, sie waren nicht mehr da, Odin hatte sich von uns abgewandt.
Ubbo war von Anfang an dagegen und in Magnus Blick erkannte ich die selben Gedanken und Zweifel wie sie immer mehr von meinem Geist Besitz ergriffen. Nur Ragnar war unbeeindruckt und fesselte die beiden Zeltwachen, die durch mein Bitten an den Wind hin in den Schlaf gesunken waren. Nun lagen sie Rücklings im Sand und mussten erkennen, dass alle ihren jütischen Begleiter tot waren. Alle bis auf Gunnar ihren Kapitän und wohl Geliebten der Tochter von Jarl Kjartan aus Thrymheim. Ihm steckte noch immer einer von Magnus Pfeilen in der Brust und er drohte hinüber zu gehen. Thorun war über ihn gebeugt und hielt seinen Kopf in ihrem Schoß, Tränen rannen über ihr Gesicht. Die Blicke die sie uns zu warf hätten schärfer nicht sein können. Ubbo war es dann, der zu den beiden trat, den Pfeil zog und Kräuter auf die Wunde legte. „Seht, seht doch, die Wunde schließt sich“, rief er wenig später und auch ich konnte erkennen das es Gunnar besser gehen musste.
Was bei allen Göttern passierte da? Ubbo verstand sich auf das Heilen, aber auch bei ihm dauerte es seine Zeit. Wer war dieser Jüte? War er von den Göttern berührt? Waren Hugin und Munin deshalb fort, weil wir jemand erschlagen wollten, der von den Göttern berührt war? Mein Blick schweifte noch einmal über die dunkle Bucht, hinüber zu den beiden auf den Wellen tanzenden Langbooten, als ich im Augenwinkel Ragnar an Gunnar herantreten sah. „Wer bist du? Woher kommst du und warum hat ein Jüte so viel Geld mit auf einer Handelsreise um Dutzende von Gauten anzuwerben? Los rede oder ich lasse dich ausbluten wie ein abgestochenes Schaf vorm Julfest.“, harschte er ihn an.
Ich wendete mich vom Meer und den beiden Booten ab und drehte mich zu den anderen. Zu spät erkannte ich, dass Ragnar bereits seinen Speer auf Gunnars Brust gesetzt hatte, um seinen Worten Taten folgen zu lassen. Zur Rettung meiner und Magnus Ehre will ich sagen, dass wir noch zu Ragnar sprangen, um ihn davon abzuhalten und um das bereits Geschehene nicht noch schlimmer zu machen. Aber er war schneller und als Gunnar nicht antwortete, stieß Ragnar zu und trieb ihm seinen Speer tief durch die Brust.
Mit einem letzten Atemzug ging er hinüber in das Reich der Toten und Thorun begann erneut laut zu Schluchzen. Ragnar hatte sich endgültig von den Göttern abgewandt, so viel stand an diesem Abend fest und durch sein und unser Tun, hatten die Götter sich von uns abgewandt. Nun und dass ich damit recht haben sollte, zeigte uns Ubbo wenig später, als er nur stumm auf die beiden Zeltwachen deutete. Beide lagen noch immer gefesselt auf dem Boden, doch auch sie hatten genau wie Gunnar einen Speer durch die Brust getrieben bekommen. Doch es war niemand anderes außer uns am Strand, niemand hätte dies tun können, außer den Göttern selbst.
An diesem Abend wurde nicht mehr viel gesprochen. Was Björn dachte ist mir bis heute nicht ganz klar, aber bei Magnus und Ubbo, da bin und war ich mir sicher, sie sahen die Zeichen genau so klar wie ich und Ragnar war eine Gefahr. Vielleicht nicht direkt für uns, aber sein Tun verärgerte die Götter und verhinderte so vielleicht, dass wir je wieder Heim kommen würden.
Wir packten die Sachen zusammen und nutzen eines der Zelte für die Nacht. Am nächsten Morgen wollten wir die Toten auf eines der Boote bringen und sie der See und dem Feuer übergeben. Nun und während Ubbo Wache hielt erkannte er, dass Thorun versucht hatte sich das Leben zu nehmen. Sie hatte versucht sich die Adern auf zu schneiden und so den Faden des Lebens vorzeitig zu durchtrennen. Frya sei dank es gelang ihr nicht und so konnten wir sie am nächsten Tag einigermaßen wohlbehalten zusammen mit einer kurzen Geschichte über schwache Jüten, zurück nach Thrymheim bringen.
Um es kurz zu machen, natürlich wurden wir gefeiert und Kjartan war froh seine Tochter zurück zu haben. Konnte er sie doch nun mit Jarl Ivar aus Fensalir verheiraten und sein Versprechen oder Handel mit ihm halten. Auch Asgeir war außer sich vor Freude, seine Schwester wieder zu sehen, auch wenn sein schwacher Geist nicht verstand warum diese so still und in sich gekehrt war. Aber sei es drum, man brachte erneut Fleisch, Fisch, frisches Brot und allerlei Köstlichkeiten um uns zu bewirten. Doch glaubt mir liebe Freunde, nach feiern war uns wirklich nicht zu mute. Nun und so drängten wir Jarl Kjartan sein Wort zu halten und uns zu verraten, wo wir einen Seher oder Thulr finden sollten, der uns mit Bjovulf helfen konnte. So dann, wollten wir gleich am nächsten Tag aufbrechen um nach diesem zu suchen. Tja und war alles Unglück Midgards nichts schon genug Leid auf unseren Schultern, so verkündete Kjartan, dass in Fensalir ein Seher leben sollte, der Jarl Ivar als Berater zu Seite stand. Nun und wenn wir schon dort hingehen wollten, dann könnten wir Jarl Ivar auch gleich davon berichten, dass der Hochzeit nichts im Wege und alles wie geplant stattfinden würde.
Am Morgen des darauffolgenden Tages brachen wir auf. Das Wetter hatte sich etwas gebessert, es regnete nicht mehr. Doch der Wind blies immer noch unablässig, wenn auch nicht mehr von See kommend, dann doch zumindest aus der Richtung in der wir gehen wollten. Auch verhieß der dunkle Himmel das es nur eine kurze Ruhe geben sollte und dass in den nächsten Tagen oder vielleicht auch schon am Abend der Regen wiedereinsetzen dürfte. Irgendein Unwetter schien sich im Südwesten von Thrymheim zu sammeln, dass konnte selbst der dümmste unter den Jüten sehen.
Doch sei es wie es war, wir verabschiedeten uns von Jarl Kjartan und blickten ein letztes Mal über Thrymheim. Von Thorun war an diesem Morgen nichts zu sehen und auch Asgeir war nicht zugegen. War er doch am Abend zuvor noch so voller Freude die Retter seiner Schwester zu sehen. Das Thorun sich nicht von uns verabschieden wollte war irgendwie klar und wäre sicherlich auch dem dümmsten aller Jüten… Aber lassen wir das. Doch Ubbo war es, der einige Schritt abseits des Dorfes, dieses Rätsel löste. Er hatte am Abend noch mit Asgeir über alles gesprochen. Er hatte ihm erzählt, dass Thorun freiwillig mitgegangen war und dass wir ihren Liebsten getötet und ihr so die Chance auf die Ware Liebe genommen hatten.
Die Reise bis nach Fensalir verlief im Grunde ereignislos. Lediglich trafen wir abermals auf Harbard, den wir bereits vor Ankunft in Thrymheim getroffen hatten. Wieder war er überaus freundlich und bot uns an mit ihm zu rasten und etwas zu essen. Aber warum er nicht wie angekündigt nach Osten gegangen war und nun aus Richtung Süden kam, wollte er uns nicht sagen. Er behauptete zwar, dass er in Folkvang war und mit Jarl Bjarni gesprochen hatte. Doch mehr wollte er uns nicht sagen und erneut beschlich mich ein komisches Gefühl. Ein Gefühl das dieser Mann mehr war als er vorgab zu sein. Wie recht ich wieder einmal haben dürfte, sollte ich zwei Tage später erfahren.
Am Abend, es wurde gerade dunkel und es hatte bereits seit einiger Zeit wieder angefangen zu regnen, erreichten wir die Palisaden von Fensalir. Das Dorf ist etwas kleiner als Thrymheim, was mich etwas stutzig machte, da Jarl Kjartan in mir den Eindruck erweckte, als ob er vor Fensalir und Jarl Ivar buckeln würde. Doch als wir zum Jarl vorgelassen wurden, war auch diese Frage schnell geklärt. Ivar war in ähnlichem Alter wie Kjartan, aber er würde in Odins Hallen eingehen, wenn es soweit war, daran gab es keinen Zweifel. Der Jarl von Fensalir war kampferprobt und strahlte Macht aus und er wusste wie man sich die Leute untertan machte.
Alles in Fensalir war strukturiert und jeder tat das was ihm geheißen war ohne zu Fragen. Es schien als ob jeder in diesem Dorf schon hundert Schlachten geschlagen und Dutzenden von Bären das Fell über die Ohren gezogen hatte. Auch Ivars Tochter Sigrid war mehr eine kämpferische Schildmaid, als eine ruhige Tochter die es galt als guten Handel unter den edlen der Umgebung zu verheiraten. Aber nachdem wir Ivar die Grüße und Nachrichten aus Thrymheim überbrachten und ihm erzählten das wir einen Seher suchten, gewährte er uns das Gastrecht in seiner Halle. Auch stellte er uns Thorstein vor, seinen Seher und Berater.
Aber seine Dienste wollte er uns nicht ohne weiteres zur Verfügung stellen, wer hätte es geahnt. Nein er wollte, dass wir zuerst nach Osten gehen sollten, nach Breidablik. Seit einigen Tage würde das Unwetter immer stärker werden und der Ursprung der Wolkenberge oder auch der Wolkenstrudel schien im Osten zu liegen, so verriet und Thorstein. Nun und die Gründe dafür konnten nur in Breidablik sein. Immerhin, so erzählter uns Ivar, hätte er vor wenigen Tagen Valthjona die Witwe eines verstorbenen Fischers aus Fensalir gejagt. Seit dem Tod ihres Mannes, verfluchte und verhexte sie die Tiere und Menschen des Dorfes. Es gab Todgeburten und verkrüppelten Nachwuchs unter Mensch und Tier.
Es blieb ihm gar nichts anderes übrig als die Frau mit den smaragdgrünen Augen zu verbannen. Nun und seitdem sie in Richtung Breidablik verschwand, hat es begonnen unablässig zu stürmen und es schien immer schlimmer zu werden. Wer wusste es schon, aber vielleicht hatte der junge Jarl Snorri aus Breidablik die Hexe aufgenommen und dies verfluchte nun von dort aus weiterhin die Bewohner von Fensalir. Nun ja, welche Wahl hatten wir, wenn wir wenigstens für Bjovulf eine Hilfe sein wollten, wo wir bei Thorun bereits versagt hatten. Wir willigten ein am nächsten Tag nach Osten zu gehen um dort mit Jarl Snorri zu sprechen.
So brachen wir am darauf folgenden Tag recht früh am Morgen auf. Thorstein hat uns am Abend noch vorgewarnt, dass es einen ganzen Tag straffen Ganges bedurfte, um nach Breidablik zu gelangen und bei diesem Wetter wäre eine Übernachtung im Freien bestimmt nicht angenehm.
Nun und wie zu erwarten war das Wetter nicht besser geworden, ganz im Gegenteil es stürmte noch mehr als die Tage zuvor und der dunkle Wirbel war am Himmel jetzt ganz deutlich zu sehen. Er lag nordöstlich von uns und insgeheim dankte ich Frya, dass unser Weg nur nach Osten und damit nicht direkt ins Unheil verlief. Aber wer weiß was den Adler in der Krone der Weltenesche dazu bewogen hat seine Schwingen zu heben, dass es auf Midgard so stürmisch wurde. Immer wieder peitschte der Sturm uns die Regenschauer ins Gesicht und dröhnte dabei unablässig in den Ohren. Ich weiß noch, dass ich mir immer wieder einredete, dass Hugin und Munin vielleicht deshalb nicht bei uns waren, weil der Sturm zu stark war. Aber dann erinnerte ich mich wieder was wir und vor allem Ragnar am Strand von Thrymheim getan hatten. Nein die beiden Raben waren nicht wegen dem Sturm fort.
Es war schon seit einiger Zeit dunkel und nur langsam kamen wir vorwärts. Doch zum Glück konnte man die Lichter von Breidablik über das Hochplateau, über welches wir bis zum Einbruch der Dunkelheit gegangen waren, gut erkennen. Erschöpft und müde traten wir vor die Palisaden des Dorfes. Mit viel Überredungskunst und dem Ablegen unserer Waffen, wurden wir dann zu Jarl Snorri in dessen kleine Halle geleitet. Was sofort auffiel, die Menschen des Dorfes waren alle sehr ängstlich und Snorri hatte überall Männer mit Waffen aufgestellt. Vermutlich hatte er sogar alle Männer des Dorfes aufgestellt, denn Breidablik war so groß wie Folkvang und hatte vielleicht hundert bis hundert zwanzig Einwohner.
Schnell hatten wir dem jungen Jarl Snorri, der nicht viel älter als Jarl Bjarni aus Folkvang war, unsere Geschichte erzählt und warum wir in seinem Dorf waren. Natürlich gewährte er uns seine Gastfreundschaft, aber mahnte uns zur höchsten Vorsicht und Umsichtigkeit innerhalb seines Dorfes. Den seitdem er wenige Tagen zuvor einer Frau aus Fensalir den Zugang zum Dorf verwehrte, geschahen sonderbare Dinge in Breidablik und ein Sturm war aufgezogen der nur von den Göttern selbst erschaffen sein konnte. Immer wieder wurden in der Nacht Bewohner seines Dorfes heimgesucht und man fand sie am nächsten Morgen tot in ihren Lagern liegen, ohne eine Wunde oder ähnliches.
Die Frau, die einige als Valthjona aus Fensalir kannten hatte vermutlich sein Dorf verflucht. Aber was sollte er machen, die Geschichten aus Fensalir waren auch bis zu ihnen vorgedrungen und seine Leute dem gleichen Schicksal aussetzen? Überdies hatte sie den Sturm mitgebracht, den seit ihrem Eintreffen wurde es immer schlimmer. Vermutlich war Valthjona weiter nördlich in den großen Wald gezogen und hatte Zuflucht in Vingolf im großen Jotuntarn, dem Turm der Riesen gesucht. Auch schien der Wolkenwirbel direkt über diesem Wald und der Ruine zu hängen. Also wenn wir etwas über Valthjona und ihr Treiben herausfinden wollten, dann mussten wir in das Auge des Sturms gehen. Ihr könnt euch denken, niemandem von uns war recht wohl bei der Sache, aber wenn nicht wir, wer sollte dann gehen?
Da das Langhaus von Breidablik wenig Platz zum übernachten bot, teilte Snorri uns auf zwei Häuser im Dorf auf. Magnus, Björn und Ubbo in das eine und Ragnar und ich in das andere. Irgendwie konnte ich damals den anderen sofort ansehen, niemand wollte mit Ragnar alleine irgendwo unterkommen. Zu groß war die Furcht, dass er abermals den Zorn der Götter durch sein tun auf uns laden sollte.
Wie dem auch sei, die Leute bei denen wir unterkamen waren der Schmied von Breidablik, seine Frau und ihr vielleicht sechs Sommer alter Sohn. Natürlich waren sie gastfreundlich, aber auch vorsichtig, wenn nicht sogar ängstlich. Nun und mitten in der Nacht sollte ich den Grund dafür erfahren. Denn wir schliefen im gleichen Raum wie der Junge, der irgendwann in seinem Lager anfing heftig zu keuchen und zu zappeln. Durch die Erfahrungen mit dem Rachegeist von Gunnvor war mir sofort klar was da passierte. Sofort dachte ich wieder daran wie mich der Rachegeist im Schlaf verfolgte und würgte und ich nur überlebt habe, weil die anderen mir zur Hilfe eilten. Nun und auch dieses Mal konnte ich ganz deutlich erkennen wie irgendeine unsichtbare Macht, ja ein Wesen auf dem Brustkorb des Jungen saß und ihn würgte. Schnell hatte ich meinen Schild in der Hand und stürmte auf den Jungen zu, in der Hoffnung das Ding von ihm zu drücken. Aber natürlich wollte ich auch nicht so vorgehen, dass die Eltern die mittlerweile ebenfalls wach geworden waren, meinten dass ich derjenige sei der ihr Kind anging.
An dieser Stelle brauche ich wohl nicht zu erwähnen, dass Ragnar dies alles ignorierte, er griff sich seinen Speer und stand mit diesem kampfbereit vor dem Jungen. Doch zum Glück erkannten die Eltern, dass nicht er die Gefahr war, sondern das Wesen. Nun und was soll ich euch sagen, der Angriff mit dem Schild zeigte Wirkung. Mit einem lauten markerschütternden Schrei wich das Wesen von dem Jungen, der darauf hin sofort anfing nach Luft zu ringen. Danach war Ruhe, das Wesen war augenscheinlich so plötzlich verschwunden wie es gekommen war. Ab da an wussten sie in Breidablik, wer sie dort nachts heimsuchte. Ein Schattenwürger, ein Draugr, trieb sich in Breidablik herum.
Am nächsten Morgen war klar, wir mussten diese Valthjona finden und dem ganzen Einhalt gebieten. Natürlich hatte es nicht aufgehört zu stürmen, so dass wir abermals bei Unwetter vor die Tür mussten. Selbst einen Hund hätte man nicht vor die Halle gesetzt, einen Jüten … ja vielleicht, aber uns? Aber was hatten wir zu verlieren? Die Gunst der Götter hatten wir bereits verloren? Verflucht waren wir auch und wenn wir nicht bald einen passenden Bräutigam fanden für die Tochter des Jarl Ottar von Gunnvor, dann war vermutlich der Untergang Rohalds noch das kleinste unserer Probleme. Nein, es war egal wir konnten auch wie ein stumpfer Trupp Jütern vor die Tür treten und nach diesem Vingolf suchen.
Richtig hell wurde es den ganzen Tag nicht und alle hatten ihre Umhänge weiter über den Kopf gezogen. Eigentlich musste ich eh nur den anderen folgen und konnte so den Kopf nach unten gebeugt lassen. Es war Magnus der immer wieder versuchte den richtigen Weg zu finden. Einige hundert Schritt hinter dem Dorf endete das Plateau und ein dichter Wald tat sich vor uns auf. Magnus meinte später bei einer Rast, dass dies vermutlich der gleiche Wald ist, an dem Folkvang liegen würde. Die Dörfer bildeten eigentlich ein Viereck. Folkvang im Nordosten, Thrymheim im Nordwesten, Fensalir im Südwesten und Breidablik im Südosten und der Wald irgendwie in der Mitte von allem.
Nun und als er dies so erzählte, wurde mir bewusst wem diese vier Orte ihre Namen zu verdanken hatten. Da war Folkvang der Palast von Freya, Thrymheim der Palast des Skadi, in Fensalir lebte Frigg und Breidablik gehörte Balder. Es waren die Paläste der Götter in Asgard und die umschlossen einen Wald mit einem Turm der Jotunen, der Riesen? Wo bei Lokis wirren Plänen waren wir?
Wir liefen und liefen immer tiefer in den Wald und immer stärker wurde der Wind. Selbst dort wo die Bäume dicht beisammen standen und ein wenig Schutz bieten sollten, war es fast unerträglich. Immer wieder sahen wir Bäume umstürzen oder mussten über bereits liegende Stämme klettern. Doch nach einiger Zeit erreichten wir die Ruine eines mächtigen Steinturmes. Vielleicht fünfzehn Schritt durch seine Mitte und doppelt so hoch und dabei schien er schon in sich eingefallen zu sein. Wie groß musste er gewesen sein, als er noch ganz war? Dies war auf jeden Fall die Heimstätte eines Riesen und Thor sei Dank, er schien nicht daheim zu sein. Dennoch sahen wir einen Lichtschein aus dem Turm herausdringen. Vorsichtig gingen wir durch das große Tor hinein und standen vor ebenso großen Stufen die umlaufen an den Außenmauern nach oben führten.
Nach einer Umrundung gelangten wir auf einen Holzboden. Von oben war die Hälfte des Turmes offen und dem Unwetter ausgeliefert, aber die andere Hälfte wurde von einem weiteren darüberliegenden Boden geschützt. Nun und dort kniete die junge Frau mit den smaragdgrünen Augen und dem roten Haar. Sie kniete auf dem Boden, neben sich eine Öllampe und sie malte mit einem Kreidestein Runen auf den Holzboden. Auch wenn ich nicht ganz verstand was sie genau machte und wie die Runen wirken sollten, so war mir zumindest sofort klar, die Frau plant keinen Angriff, sondern versucht zu helfen. Heute glaube ich, dass die anderen es ähnlich sahen. Bei Ragnar bin ich mir zwar nicht ganz sicher, aber zumindest griff er die Frau nicht gleich an, so dass wir mit ihr sprechen konnten.
„Jarl Ivar nahm mich vor Jahren in Fensalir auf und behandelte mich sehr gut. Vielleicht versprach er sich mehr von mir als ich ihm geben wollte. Denn als ich Bjorg, einen Fischer des Dorfes heiratete, endete Ivars Freundlichkeit. Nun und es dauerte weniger als ein Jahr und Bjorg wurde hinterhältig ermordet. Ob es Ivar war oder nicht, kann ich nicht sagen. Aber wenig später versuchte sich auch Bergotha, Ivars Frau das Leben zu nehmen. So ganz gelang ihr dies nicht und seitdem streift sie als Draugr umher. Ich vermute, dass sie in den Ruinen von Ydalir gebunden ist und man sie nur dort von ihrem Leiden erlösen kann.
Natürlich schob man das darauf losbrechende Übel auf mich, die Zugezogene, die Fremde mit den grünen Augen. Vor ein paar Tagen hat mich Ivar dann aus dem Dorf gejagt und auch Jarl Snorri wollte mich nicht aufnehmen. Immerhin hatte Bergotha bereits einige seiner Leute im Schlaf ermordet.
Aber eigentlich fing das ganze Übel mit dem Auftauchen von Harbald an, einem Wanderer oder Gesandten der Götter. Er fordert von den Jarls der vier Dörfer seinen Tribut für die selbigen. Ivar, Kjartan und die Väter von Snorri und Bjarni haben wohl vor Jahren ihre Männer nach Ydalir geführt, um die alte Stadt nieder zu brennen und ihre Schätze an sich zu bringen. Dort müssen sie irgendetwas gefunden haben, um es zu behalten, bedurfte es einem Pakt mit den Göttern. Nun und Harbald scheint diesen nun einzufordern, zumindest von den beiden noch lebenden, von Ivar und Kjartan. Doch beide scheinen nicht zahlen zu wollen. Vielleicht ist dies auch der Grund warum sich Bergotha das Leben nehmen wollte und es nicht durfte.
Woher ich dies weiß, ich bin mir selbst nicht sicher, Ich weiß es einfach und ich versuche nun mit aller meiner Kraft diesen Sturm aufzuhalten. Eigentlich weiß ich gar nicht wie, aber ich bin mir sicher, dass ich es schaffen kann. Doch ich brauche etwas von Bergotha aus Ydalir. Eine Kralle oder ähnliches würde mir genügen, um die Schutzrunen zu aktivieren. Würdet ihr gehen und schauen was ihr tun könnt? Ich werde derweil die Runenzeichnungen beenden.“
Es blieb keine Zeit zum Ausruhen, sofort packten wir unsere Sachen und verließen den Turm und als ob der Sturm wusste was wir vor hatten, schickte er nun Blitze und Donner vom Himmel. Es war als ob Thor Mjölnir wirbelte und höchst selbst gegen die Riesen kämpfte. Wenn Ragnarök einmal auf Midgard losbrechen wird, dann kann es nicht schlimmer sein als in dieser Nacht.
Es dauerte nicht all zu lang und wir erreichten eine Lichtung und als wir sie betraten, war es still um uns herum. Kein Wind blies und heulte und kein Regen trieb uns ins Gesicht. Natürlich konnten wir um uns herum immer noch den Regen sehen und wie der Wind die Bäume hin und her wirbelte, aber dort auf der Lichtung war eine gespenstische Stille. Die Götter selbst schienen hier ihre Hand auf diesem Ort zu halten. Ydalir die Albentäler und in Asgard die Heimstatt des Gottes Ullr. Im Schein der Blitze um uns herum, erkannten wir alte Steinruinen und einige Hügel und in einen dieser Hügel war sogar ein Eingang getrieben. Vielleicht eine Höhle oder alte Mine.