Briefe in die Heimat: Vermaledeite Chaosbrut

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18. Mai 2512, Gotheim, Reikland

Liebe Hildrun,

danke für deinen Brief und schön zu hören, dass es euch allen gut geht.

Wir waren in Gotheim angekommen, hier wurde es dann richtig anstrengend und gefährlich. Im Gasthaus hatten wir ja bereits zwei Überlebende getroffen, der Bürgermeister Wilhelm Kreigrisch und Klara Kellner blieben mit Alanus im Gasthaus, wir anderen gingen zur Schmiede, dort schienen auch Personen zu sein.

Drinnen standen vier Gestalten, die als „irre“ zu bezeichnen untertrieben wäre. Ein kräftiger, mittelalter Mann mit Glatze, Hugo Schmidt, stand am Amboss und schmiedete etwas, als wäre Nurgle persönlich hinter ihm her. Das „Etwas“ war eine monströse Rüstung mit langen, spitzen Dornen und wie man seinen wirren Worten entnehmen konnte, wollte er sich damit vor irgendetwas schützen. Ein junger schlaksiger Kerl, Karl Bauer, war offensichtlich sein Gehilfe und leistete den Worten des Schmiedes, der immer wieder rief „mehr Feuer, ich brauche mehr Hitze!“, folge und warf alles, was nicht niet- und nagelfest war in die Esse. Diese glühte schon und auch das wenig geschulte Auge konnte erkennen, dass sie kurz vor dem Explodieren war. Alle guten Worte halfen weder beim Schmied noch beim Gehilfen, von ihrer Tätigkeit abzusehen. Beide waren weggetreten, wirr, ja, verrückt geworden.

Die dritte Person im Raum, Emil Praxator, war ein mittelalter, tja, was eigentlich? Er sah aus wie ein Zwerg, war dafür aber irgendwie zu groß geraten. Der stand neben dem Schmied und faselte etwas davon, „Es“ mit Alkohol träge zu machen und dann besiegen zu können. Auch er war wirr, schien aber etwas zugänglicher.

Die vierte Person im Raum, Bruno Semmler, sah aus wie ich Koch und stand an einem Herd, auf dem er die wildesten Sachen zusammenrührte und kochte. Das, was da auf dem Herd stand, sah aus, als könnte man damit die Farbe von Wänden lösen und roch auch so. Auch dieser Mann redete wirr und wollte mit seinem was-auch-immer „Es“ besiegen, indem es das fraß und daran sterben sollte. Die Luft im Raum wurde stickiger, die Schmiede konnte jeden Moment explodieren, aber die vier Gestalten interessierte das nicht.

Alles in allem eine unglaublich nervige, stressige und unübersichtliche Situation.

Ich rief die Gestalten an, versuchte, mit ihnen zu sprechen, doch kein Erfolg. Einzig der zu groß geratene Zwerg ließ sich auf ein Gespräch ein. Immerhin. Mit irgendwelchen Argumenten funktionierte hier nichts. Aber ich konnte ihn etwas einschüchtern, so dass er etwas klarer wurde. Ich bekam heraus, dass er eine Brauerei besaß, aus der er Alkohol holen wollte, um „Es“ damit betrunken zu machen. Darin bestärkte ich ihn und siehe da, es funktionierte! Ich begleitete ihn heraus, wo er dann irgendwo Richtung Norden verschwand. Egal, Hauptsache, er war weg. Blieben noch drei übrig.

Kruger versuchte sein Glück beim Schmied, jedoch ohne Erfolg. Aber bei dem Gehilfen hatte er mehr Glück, mit etwas sanfter Gewalt konnte er ihn vom Feuer wegziehen und herausbringen. Ruben versuchte derweil sein Glück bei dem irren Koch. Mit etwas Geschick konnte er ihm klarmachen, dass er für seinen Höllenfraß eine ganz bestimmte Blume brauchte, die am Flussufer wuchs. So konnte er auch den Koch herauslocken. Blieb nur noch der Schmied übrig, aber die ganz akute Gefahr, dass die Schmiede explodierte, schien zunächst gebannt.

Kruger versuchte nun sein Glück beim Schmied. Währenddessen hörte Ruben auf dem Weg zum Bach, Geräusche, die aus Richtung Norden kamen. Dort befand sich ein kleiner Staudamm, dass hatten wir auf dem Hinweg gesehen. Es hörte sich an, als wenn den jemand einzureißen versuchte. Und er hörte noch etwas, ein durchdringendes und unnatürliches Schnauben aus dem östlich gelegenen Wald. Er rannte sofort zurück zur Stadt. Dort war ich zum Gasthaus gelaufen, um Alanus zu holen. Wir wollten zum Tempel, der unversehrt aussah, vielleicht gab es auch dort Überlebende. Kruger hatte es irgendwie geschafft, auch den Schmied aus der Schmiede zu holen.

An dieser Stelle muss ich erst einmal durchatmen. Es ging alles gleichzeitig und so schnell vonstatten, dass mir selbst beim Aufschreiben der Geschehnisse noch schwindelig wird. Was war hier eigentlich passiert? Wir hatten noch keine Möglichkeit gehabt, uns darüber Gedanken zu machen. Dass hier niemand auch nur ansatzweise normal war und uns erzählen konnte, was passiert war, machte es nicht einfacher.

Wir reimten uns das in unseren Köpfen etwa so zusammen: Gotheim war angegriffen worden. Aufgrund der Spuren und dem, was die Menschen hier vor sich hinredeten, nahmen wir an, dass es sich um eine sehr große Bestie handelte, vielleicht etwas drachenartiges. Vielleicht konnte die Bestie fliegen und Feuerspeien, aber auf jeden Fall war sie groß und stark. Die Menschen hier waren wahrscheinlich beim Anblick oder der Taten der Bestie wahnsinnig geworden.

Aber zurück zur Chronologie der Ereignisse.

Alanus und ich fanden vor dem Tempel dutzende Leichen vor. Es schien, als wenn einige versucht hatten, sich zu wehren, wir sahen einige Waffen herumliegen. Auch die Leiche einer Sigmarpriesterin lag hier, sie war im wahrsten Sinn des Wortes kopflos. Die anderen Leichen wiesen ebenfalls Spuren roher Gewalt auf, mache waren zermatscht, zerquetscht, andere auseinandergerissen worden. Es war ein furchtbarer Anblick, der einerseits Übelkeit, aber auch andererseits Hass in mir aufsteigen ließ. Zwischen den roten Blutlachen sahen wir auch violette, von denen wir annahmen, dass sie von der Bestie stammten. Immerhin, wenn es blutete, dann konnte man es sicherlich auch töten.

Der Tempel selbst war wie gesagt unversehrt und unverschlossen. Drinnen hörten wir Kinderlachen. Das wirkte völlig deplatziert und skurril. Wir betraten den Tempel und hier war alles aufgeräumt und sauber. Auf der Kanzel stand eine kleine Frau, Martha Scheren, und drei Kinder spielten fröhlich umher. Was für eine unfassbar absurde Situation. Die Kinder, vielleicht 10 bis 12 Jahre alt und mit irren Blicken, kamen auf uns zu, redeten auf uns ein und eines versuchte auch gleich, mich zu bestehlen. Ich machte dem Kind mein Missfallen deutlich klar, was wiederum der Frau auf der Kanzel, die Kinder nannten sie Martha, offensichtlich missfiel. Sie zog einen Pfeil aus einem Köcher und schoss ohne ein Wort zu sagen auf mich, verfehlte aber. Alanus und ich zogen uns zurück und verrammelten die Tür von außen.

Wir hörten Ruben rufen und liefen zu ihm, ich steckte noch schnell den Sigmarshammer der Priesterin ein. Ruben, Alanus, Kruger und ich trafen auf dem, was mal der Marktplatz gewesen sein mochte, zusammen. Immerhin lagen hier nicht so viele Leichen. Ruben erklärte uns die Situation mit dem Damm und wir machten uns umgehend auf den Weg. Der Damm lag etwa 150 Meter nördlich der Stadt. Wenn er brach, würden die letzten Häuser zerstört und damit auch die letzten Überlebenden.

In diesem Moment sah Ruben, dass die Frau mit den drei Kindern den Tempel und dann die Stadt Richtung Nordwesten verließ. Es gab wohl noch einen Hinterausgang. Kruger brachte Schmied und Geselle zum Gasthaus, dann eilten wir los, in diesem Moment flog die Schmiede in die Luft. Immerhin wurde dadurch niemand verletzt. Am Ortsausgang teilten wir uns, Alanus und Kruger eilten zum Staudamm, Ruben und ich folgten Martha und den Kindern, die nordwestlich Richtung Wald liefen.

Nach einigen Minuten hatten wir sie endlich eingeholt und konnten mir ihr sprechen. Wobei das nicht so einfach war, auch sie hatte einen irren Blick und war Argumenten wenig aufgeschlossen. Zumindest erfuhren wir, dass sie die Bestie mittels der Kinder, Kal, Perle und Schneck, anlocken und töten wollte. Dafür sollten die Kinder auf einer Lichtung singen oder etwas ähnliches. Das war Wahnsinn, sie wollte ernsthaft die Kinder opfern? Wir redeten auf sie ein, erreichten doch nichts. In mir stieg zunehmend Unwohlsein auf. Was in Sigmars Namen war das für eine Bestie, die so etwas mit Menschen machte?

Schlussendlich machte Ruben etwas Kluges, er zauberte. Es war nichts Großes, nur ein Licht, doch das half, Martha brach jammernd zusammen. Vielleicht sah sie das Licht als Zeichen der Götter, auf jeden Fall konnten wir jetzt besser mit ihr reden und sie vom Wahnsinn ihres Planes überzeugen. Sie wollte zwar im Wald bleiben, aber die Kinder konnten wir mitnehmen, was wir auch taten. Am Waldrand schickten wir sie zur Stadt zurück und eilten dann Richtung Damm.

Derweil waren Alanus und Kruger schon dort angekommen. Zwei Personen verrichteten hier schwere Arbeit, eine kleine, ältere Frau, Maria Malone, die mehr schlecht als recht am Damm herum buddelte und ein kräftiger, mittelalter Mann, Gerd Fleischer. Seiner Kleidung und des großen Hackmessers nach war er wohl Metzger. Er stemmte mit einer großen Stange Steine aus dem Damm, der dadurch deutlich geschwächt wurde. Auch diese beiden waren halb wahnsinnig, so dass Alanus und Kruger sie mittels Gesprächen nicht aufhalten konnten.

Die beiden hatten die wahnwitzige Idee, den Damm zu brechen, um die Bestie zu ertränken. Eine wahrlich bestechende Logik, wenn das Vieh fliegen konnte. Damit drangen Alanus und Kruger aber nicht zu den beiden durch. Kruger entwand dem Fleischer daraufhin das Werkzeug und Alanus schlang ihm ein Seil um den Hals. Der Fleischer ging röchelnd zu Boden. Alanus hatte etwas zu fest gezogen aber zum Glück kamen in diesem Moment Ruben und ich hinzu und Ruben stabilisierte den Fleischer. Die Frau gab daraufhin auf und lief ins Wasser, wo ich sie aber wieder herausziehen konnte. Stille.

Es war jetzt tatsächlich ruhig, für den Moment gab es niemanden, der sich oder andere gefährdete. Wir begleiteten die beiden zur Stadt. Im Gespräch mit der Frau erzählte sie uns, dass sie mit Nachnamen Malone heißt. Vermutlich war sie die Mutter der Vampirin in Übersreik. Wir erwähnten nichts von Marias Schicksal. Aber war das Zufall?

Kurz vor der Stadt lag ein Gebäude, die Brauerei. Der zu groß geratene Zwerg aus der Schmiede war hier zwar nicht anzutreffen, dafür lag hier ein gerüsteter, aber schwerverletzter Zwerg, Thulgrim! Wieder so ein Zufall. Er lebte, war aber nicht anständig behandelt worden und war dem Tod näher als dem Leben. Wir brachten ihn, die beiden Gestalten vom Damm und die Personen aus dem Gasthaus alle in den Tempel.

Inzwischen war es Nachmittag geworden, als wir vom östlich gelegenen Wald ein lautes, unangenehmes Kreischen hörten. Wir statteten der örtlichen Arztpraxis einen Besuch ab und nahmen alle Verbands- und Heilmaterialien mit, die wir finden konnten. Wieder hörten wir ein lautes Kreischen und dann sahen wir die Bestie.

Etwas erhob sich aus dem Wald und flog langsam Richtung Gotheim, etwas sehr Großes. Sehr hässliches. Und bei aller Abartigkeit auch furchterregendes. Irgendeine Widerlichkeit aus den neun Höllen, bestimmt sechs Meter lang und mehrere Meter groß, mit riesigen Klauen, Hörnern, und einem Gesicht… keine Ahnung. Tiermenschen waren dagegen ein Ponyhof. Und es war wie ein Unfall, ich konnte nicht wegsehen. Warum die Menschen hier wahnsinnig geworden waren, leuchtete nun ein. In diesem Moment wurde uns klar, dass wir genau dieses Ungeheuer besiegen mussten. Aber wie?

Kruger hatte einen mutigen Vorschlag. Da die Bestie in der Stadt angekommen war und anfing, die noch stehenden Häuser zu zerstören, wollte er in den Wald schleichen und dort kundschaften. Wir wussten, dass es dort irgendwo einen Steinkreis gab, und das war sein Ziel. Gesagt, getan. Unbehelligt schaffte er es südlich aus der Stadt und im Bogen Richtung Wald im Osten. Wir blieben mit den Überlebenden im Tempel, den die Bestie nicht beachtete.

Kruger fand denn auch den Steinkreis und wenig überraschend war der nicht nur intakt, die mittlere Stele leuchtete. Spuren auf dem Boden verrieten, dass die Bestie hier gewesen war. Sie war ja verletzt worden, vielleicht konnte sie mit dem Steinkreis neue Energie schöpfen. Etwas südlich des Steinkreises fand Kruger noch eine Höhle. Die wurde von den Einwohnern der Stadt als Kühllager genutzt. Hier wurden wohl Vorräte gelagert und im Winter mit Eis aus dem Stausee über das Jahr gekühlt. Auch hier war die Bestie gewesen. Mit diesen Informationen kam er zu uns zurück.

Inzwischen schaffte es Ruben, Thulgrim zu stabilisieren. Er erwachte auch aus seiner Bewusstlosigkeit und war überraschenderweise nicht wahnsinnig wie die anderen, so dass wir mit ihm sprechen konnten. Es hatte sich in etwa so abgespielt, wie wir es vermutet hatten. Die Bestie war heute Morgen aus dem nichts aufgetaucht und hatte alles in ihrem Weg Stehende vernichtet. Die Überlebenden waren wahnsinnig geworden.

Uns war klar, dass das Erscheinen der Bestie mit dem Steinkreis zusammenhing. Warum, wussten wir nicht, aber dass der Steinkreis zerstört werden musste, sehr wohl. Also schulterten wir Spaten und Seile und machten uns auf den Weg, Kruger voran.

Am Steinkreis angekommen, machten wir uns umgehend daran, die mittlere Stele auszugraben. Wir waren noch nicht weit gekommen, als wir ein Kreischen hörten und eine Silhouette am Himmel erblickten.

Wie das ausgeht, weiß ich nicht. Ich hoffe, ich melde mich bald wieder bei dir. Zunächst hoffe ich aber, dass dieser Brief dich erreicht, die Post hier funktioniert ja nicht.

Sigmars Segen,
Dein Konrad

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Peter

Über Peter

Spielt mit Unterbrechungen seit 35 Jahren Pen & Paper. Angefangen mit DSA, mit AD&D weitergemacht, einiges ausprobiert und momentan bei DER, WHF und D&D5 gelandet.

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