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Die Steine von Ser’rak II – Schwarmseele

Die Leute, deren Geist man übernommen hatte, waren in der einen oder anderen Art und Weise von Melea Veneta gerettet worden und standen unter ihren Schutz. Sie alle trugen ein Halsband mit dem Zeichen des Hauses der Veneter, mit dem sie sich frei in der alten Stadt Bosparan (300 v. BF) bewegen konnten. Am Abend des nächsten Tages folgten Sie der Einladung ihrer Herrin, auf Ihr Fest in ihrer Stadtvilla zu kommen. Hochrangige Patrizier, Geweihte von den damals verehrten Gottheiten und wichtige Militärs lagen auf großen Kissen und wurden von Sklaven mit Delikatessen, Erfrischungen und Wein bedient. Das Fest machte von Anfang an einen lasziven Eindruck. Meleas Schützlinge fielen hier wenig auf. Zum einen war der Saal gewaltig, zum anderen hatten auch andere Gäste sich mit exotischen Begleitern umgeben.

Bevor es zu den ersten Ausschweifungen kam, wurden sie in einen Salon gerufen, in dem sie Melea, ihre Tochter Sahina, deren gemeinsame Freundin Clavia und ihren zyklopäischen Gefährten Mironos trafen. Sahina und Clavia waren die Frauen aus Ihren Träumen, die in ferner Zukunft in altertümlichen Sarkophagen ins Bornland gebrachtet werden sollten. Als allererstes mussten sie alle Verschwiegenheit geloben. Danach offenbarte Clavia sich als Erdruferin, eine Geweihte Satus. Erdruferinnen waren seit langem von Satutöchtern (frühen Hexen) und dem Horas verfolgt worden. Clavia wollte ihr Wissen und Können für spätere Zeiten bewahren, indem Melea sie in einen Scheintod versetzte, mit dem sie die Zeiten überdauern konnte.

Melea war teilweise Al’Hani und eine der letzten Zauberpriesterinnen. Da sie das Ritual durchführen würde, fiel es ihre Tochter Sahina zu, die Weisheit der Al’Hani durch die Zeiten zu bewahren. Doch für das Ritual fehlte die Schwarmseele, ein al’hanischer Stab, der bei einem kürzlich erfolgtem Feldzug des Horas gegen die Al’Hani erbeutet worden war. Der Kopf des Stabes, eine Bronzebiene, war irrtümlich für eine Hornisse gehalten worden, und dem Kult Shinxirs – ein damals untergehender Glaube eines Kriegsgottes – überlassen worden. Der Kopf befand sich im hiesigen Tempel.

Den Stab besaß Centurio-Magus Maximus Ancernius, dem es gelungen war, ihn für sich zu beanspuchen, obwohl der Horas selbst ihn begehrte. Aufgabe war es, den Stab und wenn möglich das Kopfteil, zu beschaffen – wobei der Stab unabdingbar war. Nach diesem Gespräch begab man sich zurück auf das Fest. Dort war mittlerweile ein Würdenträger des Palastes – stellvertretend für den Horas – eingetroffen. Eine nackte Belkelelgeweihte ritt auf seinem fetten Körper, schwang eine feurige Peitsche und wirkte ihre Verderbtheit inmitten der Menge nackter Leiber. Ettliche andere Geweihte und die meisten von Meleas Schützlingen verließen angewidert das Treiben. Nur der nivesische Hundeführer Einuk und der güldenländische Ex-Decurio Salvus Caervinus wahrten den Schein und schlossen sich dem unzüchtigen Treiben an.

Tags darauf besuchten sie Clavia in Ihrem verborgenen Tempel, den Magna-Mater-Serpentis, den man nur durch den Levthanstempel betreten konnte. Hier sollte das Ritual stattfinden. Danach gingen sie in den Shinxirtempel, der kaum frequentiert wurde, und in dem die Bronzebiene als Abbild des Hornissengottes frei zugänglich ausgestellt war. Hätte man eine Kopie, dann sollte es ein leichtes sein, sie unbemerkt gegen das Original auszutauschen. Melea willigte ein und versprach, einen vertrauenswürdigen Kunstgießer ausfindig zu machen.

Um die Gewohnheiten Ancernius kennen zu lernen und eine Gelegenheit zu finden, ihm den Stab abzunehmen, beobachteten sie das Castrum der Praetorianer in der Stadt und folgten ihm, wann immer er es verließ. Er hatte den Stab jederzeit bei sich, war von einer vier oder fünf Mann starken Leibgarde umgeben und manchmal war ein weiterer Centurio-Magus dabei. Regelmäßig besuchte er das Lupanarium “Speercenturio”, ein Bordell am Rande der Unterstadt, das Olrukeum, in dem Arenakämpfe ausgetragen wurden, und die Isiz-Horas-Thermen, in denen er Geschäftsgespräche tätigte.

Im Olrukeum hatte er seine eigene Loge, in denen er Patrizier empfing. Es schien undenkbar ihn hier vor tausenden von Zuschauern zu bestehlen. In den Thermen überließ er den Stab seinem Leibsklaven, während er in einem privaten Becken schwamm, an dessen Ecken jeweils eine gerüstete Wache seine Garde stand. Nur das Lupanarium betrat er allein. Unbekannte Gäste mussten gehen und seine Leibgarde bewachte von aussen den Vorder- und Hintereingang, während er sich drinnen vergnügte. Der zyklopäische Gelehrte Amenelaos Pydoctis wurde hier nun Stammgast.

Nach einer weiteren Woche der Vorbereitungen schlugen Sie zu. Ein gemieteter Bogenschütze schoss auf die Wachen am Vordereingang, Hamakil (ein alhanischer Krieger), Walpo (güldenländischer Kundschafter und Albino) und Salvus griffen die Wachen am Hintereingang an, und Meriban (eine tulamidische Tänzerin) , Einuk und Tjöre (ein hjaldingischer Barbar) drangen über die Dächer in das Bordell ein. Der fast entkleidete Ancernius wehrte sich gegen den Hjaldinger, bis dieser in einen Blutrausch verfiel. Das zwang den Centurio-Magus dazu, eine Nebelgestalt anzunehmen und die Flucht zu ergreifen. Die Wachen hinten wurden erschlagen, aber die von vorne kamen in diesem Moment durch die Eingangstür – Pech für sie, dann Tjöres Blutrausch dauerte noch an. Mit dem erbeuteten Stab traten sie den Rückzug an, verbrachten die Nacht in einem nahegelegenen Haus, und gingen kurz vor Morgengrauen zurück zu Melea Veneta.

Drei Tage später – man trank etwas in einer Taverne – wurde eine Nachricht durch ein Fenster zu ihnen geworfen. Man wollte sich mit ihnen treffen. Sie überlegten, ob dies ein Hinterhalt sein könnte, beschlossen aber, dass es unklug wäre, allzu aggressiv aufzutreten. Abends im einen Hof eines Hauses in der Unterstadt trafen Sie auf drei Satutöchter names Mane, Veridas und Vespa, die ihrerseits die Nachricht gekommen hatten, es handelte sich bei Melea Venetas Schützlingen um Attentäter. Sie waren geneigt uns anzuhören und erklärten auch, warum sie die Erdruferinnen jagten. Diese waren vom Namenlosen unterwandert worden, und sie mochten es nicht so recht glauben, dass Clavia es nicht auch gewesen sein sollte – außer sie bestünde eine Seelenprüfung. Das war ein Detail, das Melea und Clavia ihren Streitern verschwiegen hatten.

Dafür war aber die Replik fertig, und man tauschte sie tags darauf aus. Derweil wurden sie nicht nur von einer fliegenden Satutochter beobachtet. Ein Attentäter vergiftete auf offener Straße erst Tjöre und dann Salvus mit einem Schlafgift, aber er bekam nicht die Bronzebiene. Es blieb unklar, wer er war.

Am darauffolgenden Tag führte eine Heshinjageweihte (Hesinde) die Seelenprüfung an Clavia und ihrem Gefährten Mironos durch, wodurch sich die Befürchtung, sie dienten dem Namenlosen, als nichtig erwies.

Fast eine ganze Woche war vergangen, seitdem sie den Stab erbeutet hatten. Vielleicht hatte Centurio Maximus Ancernius zuerst versucht, die Räuber ohne viel Wirbel ausfindig zu machen, aber nun gab es Massenverhaftungen von Ausländern und Geweihten. Es wurde Zeit, Bosparan zu verlassen. Hamakil und Salvus schrieben die Ereignisse dieser Tage jeweils in Alaani und Bosparano auf, um dies in die Sarkophage zu legen.

Am Abend des nächsten Tages fanden sie sich im Tempel der Erdruferinnen zu der Zeremonie ein. Sahina und Clavia wurden geölt und legten sich auf Altäre, Melea begann mit dem Ritual. Ihre sieben Schützlinge und Mironus gaben ihr Blut und ihre Haare in einen Sud in einem Kessel. Dieser war mit einem schwarzen Mond, Falken, Wal, Wildschwein, Wolf, Eisbär, einer Schlange und Löwin verziert. In einer Vision sahen sie sich auf einem Schiff mit geblähten Segeln – zusammen mit einer achten gesichtslosen Gestalt. Melea wirkte Zauberzeichen mit dem Stab, und jeder der sieben wurde mit einem Faden mit der Schwarmseele verbunden. Dann erfolgte die rituelle “Tötung”. Hamakil stach einen Bronzedolch in Sahinas Herz, Mironos tat dies bei Clavia. Daraufhin wickelte Melea beide in Schlangehäute ein. In einer weiteren Vision sahen sie, wie die achte Gestalt auch mit einem Faden, einem dunklen, an die Schwarmseele gebunden wurde. Und sie erfuhren das Losungswort, um die beiden Frauen wieder ins Leben zu rufen: “Velum Satinavi“.

Die beiden Mumien wurden je in einen Sarkophag gebettet und mit Beigaben für Ihr Leben in ferner Zukunft ausgestattet – 500 Aureal (bosparanische Goldmünzen), wichtige Schriften der al’hanischen Zauberpriesterinnen und der Erdruferinnen sowie den Kessel. In dieser Zukunft sollten Nachfahren der acht eine Rolle bei der Erweckung spielen, darum wurden für jeden 10 Aureal und ein persönlicher Gegenstand mit in die Sarkophage gelegt. Und es kamen noch die Briefe von Hamakil und Salvus hinzu.

Die Schwarmseele dagegen blieb bei Melea Veneta. Der Teil von Hamakils Persönlichkeit, der aus der Zukunft stammte, wusste, dass Al’Hani aus dieser Gegend in naher Zukunft die Steine von Ser’rak gründen und vermutlich den Stab mit sich bringen würden.

Noch in derselben Nacht stachen sie mit Mironos und den Sarkophagen in See. Zwei Tage später kam bei einem Zwischenhalt auf einer der Zyklopeninseln Boronides an Bord. Einuk und Hamakil sprachen mit dem darüber offensichtlich irritierten Mann, dass Ancernius ein Erzvampir war, und wenn er ihn eines Tages auch in einen Sarkophag sprerrte, dass er diesen besser weit entfernt von denen der beiden Frauen verwahrte.

Tags darauf ging man auf Baltrea an Land. Minotauren brachten sie zu dem Zyklopen K’Tong, der ihren Nachfahren noch eine meisterliche Schwertlanze, ein Meisterwerk zyklopischer Schmiedekunst, mit in die Sarkophage legte, bevor diese in einer Höhle bei seiner Schmiede eingemauert wurden. Dann verschwamm alles.

Es bedurfte eines kurzen Momentes, bis die Gefährten sich wieder in der Gegenwart orientiert hatten. Gerion Karolus lag tot mit durchtrennter Kehle auf dem Boden der Gruft, der junge Bannstrahler Neerjan Ouvenske stand bei den Sarkophagen, der Magier Fjodor Peddersen malte Zeichen auf den Boden und einige Heshthotim machten sich daran, die sieben Gefährten zu fesseln. Allen wurde klar, dass der achte, dunkle Faden in die Schwarmseele zu dem Magier, dem Nachfahren von Mironos führte.

 

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